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Markenmoment Victorinox will Schweizer Taschenmesser ohne Klinge verkaufen

Taschenmesser der Firma Victorinox in einem Schaufenster
Die Victorinox-Taschenmesser gibt es in hunderten Varianten – demnächst auch ohne Klinge
© snowfieldphotography / IMAGO
Striktere Sicherheitsgesetze erschweren Victorinox das Geschäft mit Taschenmessern. Daher planen die Schweizer eine Revolution: Messer ohne Klinge

Wenn Veronika Elsener über die geplante Revolution beim Messerhersteller Victorinox spricht, bringt sie einen treffenden Vergleich an: Was das Unternehmen ihrer Familie plane, sei in etwa so, als würde man Schokolade ohne Kakao anbieten: ein Taschenmesser ohne Klinge. Dabei, sagt die Marketingchefin, die auch in der Geschäftsführung sitzt, lägen in den Klingen der Victorinox-Messer fast 140 Jahre Kompetenz. 

Schon vor Jahren haben sie am Firmensitz in Ibach begonnen, neue Standbeine jenseits des berühmten Taschenmessers aufzubauen. Ein Treiber dafür war der Terrorangriff von 9/11, nach dem Regierungen weltweit strikte Sicherheitsvorkehrungen erließen. Taschenmesser, bis dahin beliebtes Mitbringsel aus Airport-Shops, wurden aus den Fliegern verbannt. Victorinox kostete das 30 Prozent Umsatz.

In der Folge baute Victorinox neue Produktkategorien aus: Bekleidung, Reisegepäck, sogar eine Parfumlinie. Dennoch lebt die Firma bis heute vor allem vom Stammgeschäft. „Herzstück“ und „strategische Basis“ der Marke nennt Veronika Elsener das Schweizer Taschenmesser, das derzeit 36 Prozent des Umsatzes ausmacht. Ein weiteres Drittel bringen Messer für die Küche und Schneidewerkzeuge für bestimmte Berufsgruppen.

Victorinox bietet 250 Taschenmesser-Varianten an

Doch in den vergangenen Jahren wurden die Sicherheitsgesetze in vielen Ländern weiter verschärft – nicht zuletzt nach Messerattacken wie jüngst in Mannheim. Elsener nennt unter anderem den Offensive Weapons Act von 2019 in Großbritannien: Dort ist es nicht nur verboten, in der Öffentlichkeit Messer mit Klingen von mehr als 7,6 Zentimeter Länge zu tragen. Auch für den Onlineverkauf gibt es harte Vorschriften, die den Vertrieb extrem aufwendig machen. Wegen der Regulierung verlor Victorinox in Großbritannien ein Fünftel des Umsatzes. In einigen EU-Ländern und in Asien gelten neuerdings ebenfalls strengere Regeln.

Für ein Unternehmen, das zu 80 Prozent vom Export abhängt, ist das ein massives Problem. Daher sei klar, dass man auf die striktere Regulierung reagieren müsse, sagt Elsener – selbst wenn das an den Kern der Marke geht. So kam es zu der Entscheidung, künftig auch Taschenmesser anzubieten, die keine Klinge haben. Wie genau diese „Taschentools“ aussehen sollen, ist noch ein Geheimnis. Das Innovationsteam wurde beauftragt, bei der Entwicklung „out of the box“ zu denken, wie Elsener sagt. Denkbare Einsatzbereiche: Sport und Outdoor, etwa als Werkzeug für Fahrradfahrer.

Schon heute bietet Victorinox unter den fast 250 Varianten des Taschenmessers solche mit USB-Stick oder einem Tool für Golfer an. Doch bisher enthalten alle Modelle auch eine ausklappbare Klinge. Darauf zu verzichten bedeute für die Firma einen „Kulturwandel“, so Elsener – selbst wenn es nicht um einen Ersatz für das klassische Messer geht, sondern eine Ergänzung: „Wenn wir bestehen wollen, können wir nicht einfach den Status quo beibehalten.“

Unternehmen

1884 gründete Karl Elsener eine Messerschmiede in Ibach im Kanton Schwyz. 1909 ließ er als Hommage an seine Mutter Victoria die Marke Victorinox schützen. Das Unternehmen befindet sich bis heute über Stiftungen im Familienbesitz, CEO ist Carl Elsener IV. Im Jahr 2023 machte es mit 2200 Mitarbeitern einen Umsatz von 424 Mio. Franken.

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