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Timo Pache Made in Europe offenbart Europas Schwäche

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Chinesische E-Auto-Hersteller drängen auf den europäischen Markt, die Politik könnte sie ausbremsen
© IMAGO / JOKER
Endlich reagiert Europa auf das amerikanische und chinesische Dominanzgebahren in der Handelspolitik. Leider fällt die Antwort typisch europäisch aus: unkoordiniert und kleinstaatlerisch

Lange sah es so aus, als fände Europa keine Antwort auf das übergriffige Auftreten der USA und Chinas in der Wirtschafts- und Handelspolitik. Auf der einen Seite der hochattraktive Inflation Reduction Act (IRA) von US-Präsident Joe Biden, der europäische Unternehmen über den Atlantik lockt wie der Pflaumenkuchen im September die Wespen. Und auf der anderen Seite eine immer rigidere Zentralregierung in Peking, die nach Belieben heimische Unternehmen fördert, ausländische Anbieter auf dem chinesischen Markt ausbremst und die Exportmärkte mit ihren Billigprodukten flutet.

Zwischen diesen beiden Blöcken wirkte Europa ziemlich verloren und hilflos.

Seit dieser Woche zeichnet sich jedoch mehr und mehr eine Antwort ab – oder besser gesagt: Es zeichnen sich sehr viele Antworten ab. Was einerseits gut ist, weil es mehr ist als vor wenigen Monaten noch zu erwarten war. Und was allerdings neue Probleme mit sich bringt, weil es sein könnte, dass Europa in den kommenden Monaten kräftig überzieht. 

Made in Europe ist die neue Devise

Da ist etwa die Ankündigung der französischen Regierung, ab dem Jahreswechsel den Kauf eines Elektroautos nur noch dann staatlich zu fördern, wenn der Wagen bestimmte Umweltbedingungen erfüllt (die so gewählt sind, dass Autos aus chinesischer Produktion dies per se nicht schaffen werden). Chinesische E-Autos, heute etwa 20 Prozent billiger als vergleichbare europäische Gefährte, werden damit zwar nicht vom Markt ausgeschlossen, aber deutlich unattraktiver.

Gefördert werden soll umgekehrt die Produktion in Europa – ganz ähnlich dem US-Vorbild des IRA, der ja ebenfalls staatliche Subventionen an die Produktion in den USA knüpft. Made in Europe ist die neue Devise!

Dazu passt auch die Initiative aus Brüssel, den Import chinesischer E-Autos künftig mit Extra-Zöllen zu belegen, da Peking seine Autohersteller massiv bevorteile. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, kündigte ein dafür notwendiges Antisubventionsverfahren bereits in der vergangenen Woche an – wohl auf Druck aus Paris, aber offensichtlich reichte das den Franzosen noch nicht, weshalb sie mit ihrem Förderstopp für E-Autos nachlegten.

Die Deutschen wiederum sehen Strafzölle auf oder erschwerte Marktzugänge für chinesische Autos in Europa skeptisch (anders als bei Solar- und womöglich bald auch Windanlagen), da der chinesische Markt für deutsche Autohersteller zu wichtig ist und man die Vergeltung aus Peking fürchtet. Hier setzt man eher auf einen Mix aus gezielter Regulierung gegen die Chinesen und massiven Subventionen, um Bidens IRA zu kontern: So summieren sich die Förderzusagen für Hersteller von Mikrochips, die künftig in Deutschland produzieren wollen, inzwischen auf rund 20 Mrd. Euro bis zum Jahr 2027. Drei Viertel des Geldes geht an den US-Konzern Intel, der bald in Magdeburg baut, und an den taiwanischen Chip-Riesen TSMC, der ein Werk in Dresden errichten wird.

Zugleich wurde diese Woche bekannt, wie die Bundesregierung chinesische Bauteile von Huawei und ZTE aus dem deutschen 5G-Mobilfunknetz verbannen will: Netzbetreiber wie Vodafone und die Telekom sollen gezwungen werden, in bestimmten Regionen (Berlin/Brandenburg sowie in der Rhein-Main-Region) alle chinesischen Bauteile auszubauen und im Rest Deutschlands ihren Anteil zumindest deutlich zu reduzieren. Der Plan ist zwar noch nicht offiziell beschlossen, der chinesische Botschafter in Deutschland warnt aber schon sehr deutlich, das werde sich China nicht gefallen lassen.

Und dann sind da noch – kaum jemand hat sie derzeit auf dem Schirm – die neuen europäischen Klimazölle, die ab Oktober vorbereitet werden und ab 2026 greifen sollen. Sie sollen Importe aus Ländern mit hohem CO2-Ausstoß (also China und Indien) hierzulande verteuern und zugleich eine CO2-freie Produktion in Europa gegen Billigkonkurrenz aus dem Ausland schützen.

Strafzölle, Förderstopps, Milliarden-Subventionen und eine harsche Regulierung – so wird es wahrscheinlich auch weitergehen: Europas Solarbranche lobbyiert bereits für Zölle auf chinesische Solarmodule, bei den hiesigen Herstellern von Windanlagen ist es sicher nur eine Frage der Zeit. Hinzu kommen immer neue Subventionen für die Ansiedlung einzelner Fabriken, um die heimische Produktion und die Lieferketten zu sichern.  

Europäische Kleinstaaterei

Für all diese Maßnahmen gibt es gute Argumente – und tatsächlich ist es besser, dass Europa endlich reagiert, statt weiter tatenlos zuzusehen, wie Chinesen und US-Amerikaner hiesige Industriezweige einfach übernehmen oder plattmachen. Und dennoch zeichnen sich bereits mehrere gravierende Probleme ab.

Der freie Welthandel hatte seit dem Aufstieg Donald Trumps in den USA bereits schwer gelitten – er wird nun auch von den Europäern zunehmend abgewickelt. Dies ist einerseits nur realistisch, wenn auch die anderen nicht (mehr) fair mitspielen. Aber leiden werden dennoch zuvorderst die Europäer und speziell die Deutschen selbst, da sie sowohl günstige Importe als auch lukrative Exporte verlieren werden. Die Rückabwicklung der Globalisierung ist in vollem Gange, sie hat einen Preis, und der wird besonders für Europa hoch sein – darüber sollten wir uns keine Illusionen machen.  

Das größere Problem aber ist, dass sich Europa eben nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen kann. Sondern, dass Brüssel einzelne Maßnahmen anstößt, Frankreich dann vorprescht und Deutschland wiederum abweicht und eigene Lösungen sucht. Statt gemeinsam, koordiniert und damit stark aufzutreten, verfällt Europa in das alte Muster der Kleinstaaterei. Schwer vorstellbar, dass das am Ende Washington und Peking wirklich beeindruckt.

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