Carsten Spohr ist Pilot. Piloten lernen, Kurs zu halten. Sie müssen ihre Maschinen schließlich sicher von einem Ort zum anderen bringen. Spohr ist ein guter Pilot und ein guter Stratege. Er hat den Lufthansa-Konzern mit seinen rund 100.000 Mitarbeitern durch die Krise der vergangenen drei Jahre gesteuert, vor der Pleite gerettet und sauber saniert.
Stolz präsentiert der 56-Jährige heute die Bilanz: Der Umsatz hat sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt auf rund 33 Mrd. Euro. Der Gewinn ist auf satte 1,5 Mrd. Euro gestiegen, nachdem zwölf Monate zuvor noch ein Verlust von 1,7 Mrd. Euro angefallen war. Das ist beachtlich, zumal Fluggesellschaften die hohe Kosteninflation insbesondere für Treibstoffzahlungen auch erst mal wegstecken müssen. Aber dafür brummt die Nachfrage: Die Luftfracht boomt weiter, auch die Passagiere buchen nun nach langer Flaute wieder emsig Geschäfts- und Urlaubsreisen – trotz der hohen Preise, die deutlich über dem Vorkrisenniveau liegen. Die Flugzeuge füllen sich tatsächlich wieder, über 100 Millionen Kunden hat die Lufthansa im vergangenen Jahr transportiert, mehr als doppelt so viel wie im Jahr zuvor.
Die Rechnung geht auf. Die Investoren freut das: Die Lufthansa-Aktie springt heute erstmals über 10 Euro, eine Marke, die der MDax-Wert seit über drei Jahren nicht mehr gesehen hat.
Lufthansa hat die Krise genutzt
Jetzt zahlt sich aus, dass die Lufthansa in den unvorhersehbar langen Monaten des pandemiebedingten Stillstands durchgehalten hat – und dass sie durchhalten konnte. Denn der milliardenschwere staatliche Rettungsschirm hat den Konzern geschützt. Keine Selbstverständlichkeit von Staat und Steuerzahlern. Aber der Konzern hat seine Schulden mittlerweile mit ordentlichen Zinsaufschlägen beglichen. Gut für Staat und Steuerzahler, diese Rechnung ist nun auch beglichen.
Spohr und seine Mannschaft haben die Krise nicht nur überstanden, sie haben sie auch genutzt, um an vielen Stellschrauben zu drehen: Sie haben Zehntausende Mitarbeiter entlassen, Geschäftsbereiche wie die Technik zum Verkauf vorbereitet, und sie haben kräftig an der Preisschraube gedreht und drehen und drehen weiter: Auf das gesamte Jahr 2022 gerechnet lagen die durchschnittlichen Ticketpreise insgesamt um 16 Prozent höher als vor der Coronakrise im Jahr 2019. Allein in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres sind die Preise im Schnitt um 21 Prozent gestiegen. Und das wird so weiter gehen, erklärte der Lufthansa-Vorstand heute: Die Oster- und Sommerferien seien schon richtig gut gebucht. Kein Grund also Schnäppchenpreise anzubieten. „Das Unternehmen geht von anhaltend hohen Durchschnittserlösen aus“, teilen die Konzernstrategen mit.
Offenbar gibt es ja genug Kunden, die sich die höheren Preise leisten können. Die richtig gutbetuchten umwirbt die Lufthansa deshalb auch mit neuen Luxuskabinen in der First Class. Andere haben das Nachsehen: Viele, die sonst mit der ganzen Familie nach Mallorca geflogen sind, können sich das kaum noch leisten. Besserung ist so schnell auch nicht in Sicht. Waren sonst die Billigflieger schnell zur Stelle, um der Lufthansa mit Kampfpreisen Kunden abzujagen, halten die sich nun auffällig zurück. Zu verschenken haben Ryanair und Co. auch künftig nichts, zu hoch ist der Druck in der ganzen Branche wegen der hohen Treibstoffkosten und der Klimaschutzanforderungen.
Den Preis müssen wir alle zahlen. Die einen können es sich leisten, die anderen nicht.