Wer an Beirut denkt, hat schnell die Bilder vom 4. August 2020 vor Augen: Rund 2750 Tonnen Ammoniumnitrat explodierten und legten das Hafenviertel in Schutt und Asche. Mehr als drei Jahre später wird die Verantwortung für die Katastrophe noch immer hin- und hergeschoben. Für Ralf Erbel, Libanon-Experte der Friedrich-Naumann-Stiftung ist dieser Fall „symptomatisch für die Krise, in der sich der Libanon befindet“.
Erbel fasst es in der neuen Podcast-Folge sehr direkt zusammen: Das politische System des Landes „ist korrupt, bereichert sich selber, leistet aber praktisch nichts für die Bevölkerung“. Es beruht auf dem konfessionellen Proporz der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften. Und für die libanesischen Politiker steht nach Ansicht von Kritikern offenbar nicht immer das Wohl der Bevölkerung, sondern vielmehr die eigene Community an erster Stelle.
Wie kann sich dieses System halten, obwohl schon vor Jahren viele Libanesen dagegen auf die Straße gingen? Wie genau funktioniert das Machtkartell? Und welche Rolle spielen wir eigentlich dabei? Lange wurde Deutschland aus libanesischer Perspektive sehr positiv wahrgenommen, doch in letzter Zeit hat das Deutschland-Bild im Libanon gelitten. Dabei sind wir doch nach den USA und der EU der drittgrößte Geldgeber für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Was also hat sich verändert? Und was ist für die Zukunft zu erwarten? Diese und viele weitere Fragen diskutiert Host Mary Abdelaziz-Ditzow mit den Libanon-Kennern Ralf Erbel und Andreas Böhm in der neuen Podcast-Folge.
Andreas Böhm ist Nahost-Experte an der Universität St. Gallen und beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit dem Land. Und der Halb-Libanese Ralf Erbel leitet aktuell das Referat MENA und Subsahara-Afrika der Friedrich-Naumann-Stiftung. Zuvor war er von der jordanischen Hauptstadt Amman aus für die Stiftungsarbeit im Libanon zuständig.
Bei dieser Folge handelt es sich um den zweiten Teil einer Doppelfolge zum Libanon. Der erste Teil hat sich mit der aktuellen Situation des Landes und dem Eskalationspotenzial im Nahen Osten durch die pro-iranischen Hisbollah-Miliz befasst.