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Höhle der Löwen 6 Lektionen vom Erfinder der Abfluss-Fee

Die Abflussfee bescherte Karl-Heinz Bilz den Durchbruch
Die Abflussfee bescherte Karl-Heinz Bilz den Durchbruch
© Katrin Binner
Mitglied im Deutschen Erfinderverband seit 1989, 13 Patente, 1,7 Millionen verkaufte Abflussfeen: Seit Jahrzehnten haut Meistertüftler Karl-Heinz Bilz Innovation um Innovation raus. Wie macht er das? Eine kleine Anleitung in sechs Lektionen

Wozu in die Ferne schweifen?

Karl-Heinz Bilz ist Sanitär- und Heizungsmeister – aus einem einfachen Grund: Als Jugendlicher hatte er keine Lust, auf dem Weg zur Lehrstelle jeden Tag halb Frankfurt zu durchqueren. Also bewarb er sich beim Nachbarn: einem Heizungsbauer. Klingt trivial, trägt aber die erste Lektion in sich: Menschen suchen naheliegende Lösungen für die Lästigkeiten des Alltags. Diese Erkenntnis ins eigene Verhalten aufzunehmen kann einem Erfinder nur helfen. Bilz beschreibt seine Motivation so: Er löse Probleme, weil er sich nicht rumärgern wolle.

Das hessische Städtchen Nidderau im Juli, ein mit Wein zugewuchertes Einfamilienhaus. Hinter der Eingangstür rechts liegt Bilz’ Büro. Überquellende Aktenschränke, Urkunden, Hundefotos, eine Abflussfee in Gold, gerahmte Zeitungsartikel: „Meister Bilz bändigt die Löwen“, „Ein super Deal“. Was aussieht wie eine sprichwörtliche Erfindergarage, ist auch eine: Bevor er umbaute, stand hier sein Auto. „Ich könnte mir inzwischen ein großes Büro leisten, Showroom, Innenstadtlage“, babbelt Bilz in freundlichem Hessisch. „Aber hier kann ich mit Hausschlappen reingehen, wenn mir nachts eine Idee kommt.“

Lass die Idee zu dir kommen

An Bilz, 62, ist alles groß: seine Armbanduhr, die ihm Ralf Dümmel geschenkt hat, sein Bauch, seine Vorstellungskraft. „Manchmal kann ich monatelang nichts erfinden“, sagt er. „Aber es gibt auch Wochen, da kribbelt es in mir. Ein unruhiges Gefühl. Ich spüre, dass bald etwas passiert.“ Da ahnt man etwas von der Magie, die die Geburt einer Idee umgibt.

Oft fängt es damit an, dass ihm etwas zu umständlich vorkommt. Als Geselle störte ihn die gängige Methode, Heizkörper zu montieren. Also entwickelte er dafür eine neuartige Schablone. Später kam er auf eine Innovation, die ihm sein kleines Laster vereinfachen sollte, das Lottospielen. Bilz springt auf und ruft in den Hausflur: „Frau Bilz! Wo bist’n du?“ Als er zurückkommt, hat er ihre Lotto-Scheckkarte in der Hand: Auf dem Chip sind die persönlichen Daten gespeichert. So muss er an der Annahmestelle nur die Karte in das Lesegerät stecken, anstatt stets aufs Neue einen Lottoschein per Hand auszufüllen. Denn das sei ja sehr zeitaufwendig.

Seinen berühmtesten Einfall verdankt Bilz seiner Frau. Die störte sich an müffelnden Abflüssen, in denen sich Haare und Seife verklumpten. „Sie hat mit mir gemeckert: ,Lass dir doch mal was einfallen!‘“ Wenn jemand ihm so eine Aufgabe stelle, brauche er 48 Stunden für einen ersten Entwurf. Bis zur Perfektion dauere es freilich mehrere Monate.

Aus dem Wust auf dem Schreibtisch kramt Bilz Konstruktionszeichnungen hervor. Sie zeigen Versionen der Abflussfee, die bald auf den US-Markt kommen soll. Eine davon ist gerastert, eine sieht aus wie eine Ziehharmonika, eine hat einen Drehverschluss. „Ich will meine eigene Idee zerstören“, sagt er, „indem ich sie immer weiter verbessere.“

Sei bereit, Opfer zu bringen

Am Anfang war die Idee: Bilz blättert durch die Konstruktionszeichnungen für die Abflussfee
Am Anfang war die Idee: Bilz blättert durch die Konstruktionszeichnungen für die Abflussfee (Foto: Katrin Binner)
© Katrin Binner

Das erste Lehrlingsgehalt in der Tasche, kannten Bilz’ Azubi-Kumpels nur eines: tolle Autos. Poliert, verchromt, für Tausende D-Mark aufgemotzt. „Nach einem halben Jahr: Motorschaden“, sagt Bilz. „Das war mir zu blöd. Stecke ich mein Geld lieber in Ideen.“

Das tat er ausgiebig. Patente, Prototypen, Werkzeuge kosten. Seine Leidenschaft konnte er querfinanzieren, weil er schon als 24-Jähriger seine eigene Sanitärfirma gegründet hatte. Bis zu 20 Angestellte arbeiteten Großprojekte ab, einmal installierten sie in einem Hochhaus 700 Heizkörper auf einen Schlag.

Dennoch brachte die Erfinderei Bilz, einen Vater von fünf Kindern, ans Limit, genauer: sein Konto. „Viele Urlaube, die ich nicht gemacht habe.“ Als es einmal richtig knapp wurde, verkaufte er seine Honda Gold Wing und seinen Buick-Oldtimer (irgendwann scheint die Liebe zu Autos doch noch entflammt zu sein). Trotzdem saß er auf Schulden in sechsstelliger Höhe, bevor der Durchbruch kam. „Schon bei der Entwicklung der Abflussfee war mir klar: Das isses. Das ist so ein Knaller!“, sagt er. „Dafür hätte ich auch mein Haus verkauft. Ich wusste, das ist ein Millionenprodukt.“

Verkaufe, verkaufe, verkaufe!

Wenn du nicht an dein Produkt glaubst, wieso sollte es ein Kunde tun? Wer zu tief stapelt, vermurkst seinen Pitch – ein Problem, das Bilz nicht kennt.

Sein Prüf-Fix, der den Einbau von WCs erleichtert: „Eine Weltneuheit.“ Sein Endlosdübel: „Genial, stellt unsichtbare Verbindungen her, passt in jedes Mauerwerk.“ Eine Weiterentwicklung der Abflussfee, die künftig in Küchenspülen eingebaut werden soll: „Sie spülen nur einmal! Sie sparen Wasser-geld!“ Ein Gummipfropfen für die Montage von Wasseranschlüssen, 17 Jahre nach der Patentierung endlich zur Industrienorm erhoben, DIN 18 534: „Die berühmte Dichtmanschette, die ist nun wirklich berühmt, bisschen Glück braucht man auch im Leben!“

Als sei er Showmaster seiner eigenen Dauerwerbesendung, lobt Bilz seine Geistesblitze mit solchem Nachdruck, wie ein Verkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt seinen Aal anpreist. Weil er zutiefst von ihrem Wert überzeugt ist.

Langer Atem wird belohnt

Müssen es bloß alle anderen auch noch begreifen. Dafür braucht es einen langen Atem, wovon Bilz ein Lied singen kann. „Leute in großen Konzernen haben oft keinen blassen Dunst“, sagt er.

Man nehme nur seinen Endlosdübel! Bilz hatte ihn an den Schwarzwälder Unternehmer Artur Fischer geschickt, einen der produktivsten Erfinder überhaupt, über 1100 Patente und Gebrauchsmuster, darunter der berühmte Fischer Dübel. Der Erfinderkönig antwortete auf feinem Pergamentpapier. Allerdings fasste der Brief sich angenehmer an, als er sich las: Bilz’ Dübel sei nicht herstellbar, stand darin.

Eine Frage der Ehre, dass Bilz das nicht auf sich sitzen ließ. Für 10.000 Euro ließ er Werkzeug bauen, produzierte den Dübel selbst, „nur um Fischer das vorzuführen“. Er schaffte sogar ein TÜV-Gutachten heran. Sechs Wochen später ein weiteres Schreiben aus dem Schwarzwald: Alles schön und gut, aber leider, leider passe das Ding nicht zur Produktpalette. Aufgeben? Macht Bilz nicht. Den Dübel produziert heute die sächsische Firma KEW Kunststofferzeugnisse.

Sogar bei seinem Vorzeige-produkt musste er Rückschläge hinnehmen: Mit dem Haushaltschemie-Unternehmen Werner & Mertz, dem die Marken Erdal und Frosch gehören, hatte Bilz sich bereits über die Vermarktung der Abflussfee geeinigt – doch dann wechselte der zuständige Manager, der Vertrag wurde nie unterschrieben. Selbst Henkel liebäugelte mit dem Produkt, aber es kam in einer Fokusgruppe schlecht weg. Der Haushaltsriese winkte ab. „Die müssten sich heute doch in den Arsch beißen, oder?“, fragt Bilz und grinst.

Frechheit siegt

Auch Ralf Dümmel dürfte sich ins Fäustchen lachen. Er investierte 250.000 Euro für 35 Prozent der Anteile. Seither haben sie 1,7 Millionen Stück verkauft, Packungspreis 9,99 Euro, macht 17 Mio. Euro Umsatz. Das erfolgreichste Produkt, das je aus der Höhle hervorgegangen ist.

Bilz weiß, was er seinem Partner verdankt, er ist voll der Anerkennung für dessen Verkaufsgeschick und Kontakte. Um seine neue Abflussfee für Küchenspülen zum Erfolg zu machen, brauche er Regalmeter, „und das kann nur der Dümmel“. Auch den US-Markt werde er ohne ihn wohl kaum knacken können. Obwohl, dazu hat er noch einen Gedanken.

„Der Dümmel ist groß in Europa“, sagt Bilz, „aber noch kein Global Player, dass er das in Amerika so rüberbringen könnte, wie wir uns das wünschen.“ Das dürfe man ruhig schreiben. Zu verstehen ist es wohl so: Ich, Karl-Heinz Bilz, habe mein Leben lang für diesen Erfolg gekämpft. Nun kämpfe auch du, lieber Ralf, damit wir ihn fortschreiben können.

Ein Erfinder kann nie groß werden, wenn er zu klein denkt. Oder, in Bilz’ eigenen Worten: „Frechheit siegt.“

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Die Höhle der Löwen - das Magazin

Der Beitrag stammt aus der ersten Ausgabe des Magazins „Die Höhle der Löwen
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