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Kommentar Jack Ma - auf Linie gebracht

Jack Ma ist seit Monaten nicht mehr öffentlich aufgetreten
Jack Ma ist seit Monaten nicht mehr öffentlich aufgetreten
© IMAGO / Xinhua
Während Politiker aus Berlin, Paris und Brüssel ein Handelsabkommen mit China feiern, verschwindet Jack Ma, der erfolgreichste Geschäftsmann des Landes – vermutlich zur ideologischen Umerziehung

Das Schicksal des „plötzlichen Verschwindens“ ereilt in China normalerweise politische Dissidenten und Journalisten. Der Künstler Ai Weiwei wurde im Frühjahr 2011 am Flughafen verhaftet und verschwand für zwei Monate. Journalisten, die über den Ausbruch der Pandemie in Wuhan berichtet hatten, sind ebenfalls „weg“. Dass dies auch den vielleicht erfolgreichsten Geschäftsmann des Landes treffen könnte, erstaunt trotzdem - und zeigt nochmals in aller Deutlichkeit, was Politik und Wirtschaft hierzulande so gerne zu ignorieren versuchen: China ist kein Rechtsstaat, die Kommunistische Partei regiert, wenn es sein muss, auch mit Willkür.

Eigentlich sitzt Ma in der Jury der von ihm gegründeten Talent-Show „Africa’s Business Heroes“. Das im November aufgezeichnete Finale der Sendung aber war ohne ihn aufgezeichnet worden. Mittlerweile ist er auch von der Website verschwunden, wie die „Financial Times“ kürzlich herausfand. Auf Twitter und chinesischen Social-Media-Kanälen wie Weibo ist es ebenso stumm geworden um Chinas Tech-Milliardär.

Man kann sich ungefähr vorstellen, was mit Ma derzeit passiert. Die Vermutung liegt nahe, dass er einige Zeit mit Pekings Top-Kadern verbringen muss, um ideologisch auf Linie gebracht zu werden. Denn das beinhaltet das „Verschwinden“ in China normalerweise.

Chinas Schattenbanken

Ma hatte sich im Oktober wohl mit den falschen Leuten angelegt - sprich Chinas Bankenaufsicht. Auf dem Bund-Summit in Schanghai sprach Ma nur wenigen Stunden nach Wang Qishan, der als Vater des aktuellen chinesischen Bankensystems gilt. Ma sprach sich gegen die zahlreichen Regulationen und für ein neues Weltfinanzsystem aus. „China hat kein systemische Finanzrisiko, weil China kein Finanzsystem hat,“ sagte Ma unter anderem. „Wir müssen Unheil verhindern, indem wir ein funktionierendes Finanzsystem schaffen.“ Kurz darauf wurde der Börsengang der von ihm gegründeten Ant Group von den Behörden überraschend abgeblasen.

Im Grunde geht es darum, dass Ant Financial das Geschäftsmodell der Staatsbanken bedroht. Das Land hat ein Problem, von dem niemand genau weiß, wie groß es ist. Die staatlichen Banken vergeben Kredite besonders gerne an Staatsunternehmen - denn für die besteht so gut wie kein Ausfallrisiko. Deswegen aber haben kleine und mittlere Unternehmen immer wieder große Probleme, an Geld zu kommen. Als Notlösung haben viele auf „graue Kredite“ zurückgegriffen, private Kreditgeber, die Geld zu hohen Zinsen verleihen. In der Folge ist über die Jahre ein gigantisches Netzwerk aus Schattenbanken entstanden, dessen tatsächliches Ausmaß unbekannt ist.

Geläutert und stumm

Die Lending-Plattformen von Ant Financial greifen einerseits das bestehende Bankensystem an, in dem sie kleinere und mittlere Unternehmen besser mit Geld versorgen. Andererseits fürchtet die Bankenaufsicht so erst recht, dass eine Schuldenblase außerhalb ihrer Kontrolle besteht. Hinzu kamen wohl Mas provozierende Äußerungen.

Folgt Mas Verschwinden dem üblichen Muster, wird der Milliardär nach einigen Wochen wieder auftauchen - geläutert und stumm. Er wird dann im operativen Geschäft seiner Unternehmen keine Rolle mehr spielen, und sich nur noch öffentlich äußern, um die Kommunistische Partei zu loben. Dass ausgerechnet jetzt Politiker aus Berlin, Paris und Brüssel ein Handelsabkommen mit dem Regime feiern (in dem Peking sich ausdrücklich gegen eine Verurteilung von Zwangsarbeit gewehrt hat), hat mit Realpolitik weniger zu tun als mit Zynismus.

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