Als erstes traf es die Flugzeugbauer Airbus und Boeing. Die US-Regierung küngigte an, beiden die Lizenz zum Verkauf von Passagiermaschinen an Iran zu entziehen. Damit steht die Bestellung von 200 Fliegern für Iran Air mit einem Listenpreis von zusammen 38,3 Mrd. Dollar auf der Kippe.
So konkret kann es für deutsche Konzerne noch gar nicht werden. Zwar wird stets von „Projekten in Milliardenhöhe“ gesprochen, die „in der Pipeline“ seien. Aber wie mit Pipelines, verhält es sich auch mit Iran-Geschäften: Die Investitionen sind die Krux. International tätige Banken, die auch Geschäfte in US-Dollar abwickeln, hielten sich mit einer Finanzierung schlicht zurück – aus Furcht vor US-Sanktionen, wie sie in der Vergangenheit schon einmal die Commerzbank Milliarden gekostet hatten. In Italien hat zumindest eine staatliche Bank ein Euro-Kreditlinie geschaffen. Frankreich
Nicht erst seit dem Amtswechsel im Weißen Haus ward dies einen großen Schatten auf den vielversprechenden Markt von 80 Millionen Einwohnern. Vor allem der Handel kam gut in die Gänge: Er wuchs von 2,4 Mrd. Dollar 2015 auf 3,4 Mrd. 2017, wenn auch noch weit entfernt von anfangs optimistischen zweistelligen Milliarden-Prognosen.
Rund 120 deutsche Unternehmen sind heute im Iran präsent, manche – wie der Industriegasehersteller Linde – schon mit neuer Repräsentanz. Vor allem Mittelständler, die von einem angestauten Modernisierungsbedarf veralteter Industrieanlagen profitieren wollen, haben, wenn auch in langwierigen Verfahren, Finanzierungen von ihren genossenschaftlichen Hausbanken für kleinere Joint Venture erhalten.
Anders als Franzosen hielten Konzerne wie Siemens, BASF oder Daimler sich aber zurück: Wie alle international tätigen Unternehmen haben sie mehr im US-Geschäft zu verlieren als im Iran-Geschäft zu gewinnen. Dennoch stehen nicht nur Absichtserklärungen mit iranischen Partnern unter neuem Vorbehalt. Auch Finanzverträge können eine Snap-Back-Klausel enthalten, dass im Fall von US-Strafen Fälligkeiten binnen Monaten drohen. Wirtschafts- und Bankenverbände appellieren nun an die Bundesregierung und die EU, die bisherigen Beziehungen vor möglichen US-Sanktionen zu schützen. Ein Überblick.
Iran-Sanktionen
Iran verfügt über die weltweit größten Energievorkommen, wenn man Öl und Gas zusammenrechnet. Das Land produziert mit rund 3,8 Millionen Barrel Rohöl pro Tag knapp vier Prozent des globalen Angebots. Die BASF-Tochter Wintershall hat bereits eine Absichtserklärung über eine Zusammenarbeit mit der Nationalen Iranischen Ölgesellschaft (NIOC) unterzeichnet. Iranischen Medien zufolge sind Investitionen in die Entwicklung von Ölfeldern geplant. Entscheidungen stehen noch aus. An der Entwicklung des größten Gasfelds South Pars sind neben der französischen Total mehrere deutsche Firmen beteiligt. Viele Projektanfragen richten sich an deutsche Partner für erneuerbare Energien, vor allem für Solaranlagen. Die iranische Regierung hat in Teheran dafür sogar eine eigene Behörde gegündet. Die Bundesregierung hat entschieden, die umweltfreundlichen Technologien mit Exportgarantien abzusichern. Attraktiv ist Iran auch für den Industriedienstleister Bilfinger. Das Unternehmen verweist nicht nur auf die Öl- und Gasbranche, sondern auch auf Umwelttechnologien.
Zwischen Siemens und der iranischen Mapna Group ist eine Lizenzfertigung für Gasturbinen angelaufen. Die Hoffnungen waren groß, das in arabischen Ländern florierende Geschäft im Iran fortzusetzen. Siemens-Finanzchef Ralf Thomas nahm am Mittwoch zur Kenntnis, „dass eine der wichtigsten Industrienationen auf dem Planeten eine politische Entscheidung getroffen hat“. Siemens habe als Wirtschaftsunternehmen mit einem großen US-Geschäft dieser Staatsgewalt zu folgen. Zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur führten Regierungsvertreter noch Mitte 2017 Gespräche in Berlin mit Wirtschaftsministerin Zypris und Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Siemens liefert Teile zum Bau von 50 dieselelektrischen Lokomotiven für die iranische Eisenbahngesellschaft RAI in einer Fabrik der Stadt Karaj. Zudem gibt es eine Absichtserklärung zur Modernisierung der Bahn-Infrastruktur mit Signalanlagen.
Während die französischen Autobauer Peugeot mit 700 Mio. Euro Investitionen seine einstige Marktführerschaft zurückzugewinnen will und Renault bis zu 350 000 Pkw bauen will, agieren deutsche Autobauer im Iran viel zurückhaltender. Daimler hatte Anfang 2016 angekündigt, mit Partnerunternehmen Lkw bauen und Fahrzeuge seiner Marke Fuso verkaufen zu wollen. Nun beobachte man die weitere Entwicklung, sagte ein Sprecher, um die Folgen für das Geschäft zu bewerten. Volkswagen war lange traditioneller PKW-Partner des heimischen Herstellers Khodro. Seit vergangenem Jahr wird wieder in das Reich der Mullahs exportiert. Eine Fertigung von Nutzfahrzeugen in Lizenz ist seit Jahren im Gespräch. „Wir beobachten und prüfen die Entwicklung des politischen und wirtschaftlichen Umfelds in der Region sehr genau“, sagte ein Sprecher zurückhaltend.
Der Iran will zum größten Produzenten von Petrochemie am Persischen Golf aufsteigen und plant für mehr als 60 Anlagenprojekte über 40 Mrd. Dollar Investitionen. Die deutschen Konzerne BASF und Linde wollen daran mitverdienen und belebten Pläne zum Anlagenbau, die aus der Zeit vor dem Atom-Abkommen brachlagen. Angeblich prüft Linde Investitionen in Milliardenhöhe. Unter anderem mit der Thyssen-Krupp-Tochter Uhde sollen mehrere Projekte geplant sein. So soll bald das Kian Petrochemical Project gebaut werden, das jährlich vier Millionen Tonnen Ethylen, Propylen und Styrol gewinnnen soll. Eine neue Vertretung wurde im Rahmen des Besuchs von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Teheran im Oktober 2016 eröffnet. Zuletzte sagte Linde-Chef Aldo Belloni gegenüber Analysten dass „zuerst das Bankensystem in Ordnung gebracht werden muss, bevor wir beginnen können, Verträge auszuführen.“ Partner für ein Gemeinschaftsunternehmen ist Delvar Afzar Industrial Gases. Die Zusammenarbeit soll sich auf Industrie- und Gesundheitsgase erstrecken.
Wie die iranische Regierung sich angesichts des Ausstiegs der USA aus dem iranischen Atom-Deal verhalten, ist noch ungewiss. Sicher ist, dass die wirtschaftliche Öffnung, die Präsident Hassan Ruhani gegen die Hardliner um Religions- und Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei begonnen hat, einen herben Rückschlag erleiden wird. Wohl ist die Hälfte des iranischen Marktes in chinesischer Hand, aber für die Modernisierung des Landes setzt die Regierung stark auf den Westen. Wirtschaftlich steht das Land gar nicht so schlecht da. Im letzten Jahr wuchs die Wirtschaft um vier Prozent, eine Rate, die der Internationale Währungsfonds auch künftig erwartet. Sorge bereitet die hohe Arbeitslosigkeit und die rückläufige Produktion von Nahrungsmitteln aufgrund einer anhaltenden schweren Dürre.
Eine der grundlegenden Probleme für ein Engagement im Iran besteht darin, dass große Teile der Wirtschaft vor allem der Öl- und Baubranchen in den Händen politischer Eliten sind, darunter die dem Religionsfüher unterstehenden Revolutionsgarden. US-Antiterrorsanktionen haben eine Zusammenarbeit mit Firmen, die den Revolutionsgarden nahestehen, auch nach dem Atom-Deal verboten – und sie verbieten, Iran-Geschäfte in US-Dollar oder mit amerikanischen Banken abzuwickeln. Der breite Wirkungsgrad erklärt auch, warum die Geldinstitute ihre Zurückhaltung im Iran-Geschäft nie wirklich aufgegeben haben. Präsident Ruhani hat angekündigt, er wolle die Außenwirtschaft künftig in Euro abwickeln – bisher hat sich das nicht realisiert.