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Gastbeitrag Innovationen: jetzt oder nie!

Jetzt gilt es, sich auf die Zeit nach dem Lockdown vorzubereiten
Jetzt gilt es, sich auf die Zeit nach dem Lockdown vorzubereiten
© IMAGO / Westend61
Einige Firmen sind in der Krise in eine Art Schockstarre gefallen, andere nutzen diese Phase, um sich für die Zeit danach zu positionieren. Jürgen Schmid erklärt, warum nur der zweite Weg Erfolg verspricht

Wie können Sie Ihr Unternehmen in diesen unübersichtlichen Zeiten wieder profitabel und zukünftig weltweit wettbewerbsfähig machen? Mit dieser Frage stehen Sie gerade nicht alleine da.

Insgesamt kristallisieren sich für mich in den letzten Wochen zwei grundverschiedene Lager heraus, wie die Manager mit der Situation umgehen.

Vollbremsung

In den Medien ist häufig von Unternehmen zu lesen, die sich voll und ganz auf das Überleben fokussieren: Sie schonen maximal ihre Ressourcen, fahren die Kosten so weit irgendwie möglich herunter, schicken ihre Vertriebsmitarbeiter nach Hause und schließen ihre Entwicklungsabteilungen. Projekte werden geparkt oder gleich komplett gestrichen. Alle zusammen hoffen, dass die schwierigen Zeiten bald vorbei sind und es dann (fast) so weiter geht wie vorher.

Nein, mit Schockstarre lässt sich das nicht mehr erklären. Vielmehr stecken dahinter eine mangelnde Zuversicht und ein fehlender Glaube an den eigenen Erfolg. Selbst wenn ein Unternehmen seine Produktion medienwirksam auf die Herstellung von Masken umstellt, ist das in den meisten Fällen auch kein starkes Zeichen. Solche kurzfristigen Maßnahmen sind sogar gefährlich, weil sie mehr auf Beschäftigung als auf Fortschritt und Zukunftsgestaltung hindeuten.

Letzte Woche

Sicher – wir erleben gerade in Wirtschaft und Gesellschaft eine mitreißende Veränderungsbewegung in einem nie dagewesenen Tempo.

Kürzlich sagte mir ein Gesprächspartner: „Ja, das ist die alte Denkweise.“ Als ich zurückfragte, was er damit meint, antwortete er: „Na, die von letzter Woche.“ Und natürlich müssen sich alle, die für ein Unternehmen verantwortlich sind, damit befassen, wie sie im Strudel dieser Veränderungen ihre Liquidität aufrechterhalten können.

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Doch einige Vorreiter beweisen, dass es auch anders geht: Sie schonen ihre Ressourcen und haben ein klares Bild von ihrer Zukunft. Daran arbeiten sie intensiv und unter Hochdruck, wie ich meinen Telefonaten mit verschiedensten CEOs entnehme.

Stoische Gelassenheit

Diesen mutigen Geist beobachte ich bei ganz unterschiedlichen Unternehmen. Darunter sind kleine Firmen genauso wie Dax-Unternehmen, es sind fremd- und familiengeführte Betriebe aus verschiedensten Branchen. Sie haben eines gemeinsam:

Sie behalten die Nerven und einen klaren Kopf. Sie wissen immer noch haargenau, was sie erreichen wollen und lassen sich nicht vom Agieren abhalten. Und zu diesem Agieren gehört ganz zentral, dass sie belastbare Innovationen entwickeln. Eine nach der anderen. In stoischer Gelassenheit. Gerade jetzt.

Diese Firmen stellen sich viele gute Fragen. Nur mit einer Frage halten sie sich definitiv nicht auf: „Warum sollen wir jetzt etwas verändern, mit dem wir Jahrzehnte erfolgreich waren?“

Kettensprenger

Sie haben erkannt, dass genau jetzt der ideale Zeitpunkt für jedes Industrieunternehmen ist, Ketten zu sprengen. Nennen Sie es die „Ketten des ehemaligen Erfolges“: Diese werden von Jahr zu Jahr unbemerkt fester, bis sich die Firma nicht mehr vom Fleck bewegt, während die Beweglichen an ihr vorbeiziehen. Dank ihrer Innovationen halbieren diese klugen und vorausschauenden Unternehmen zum Beispiel die Kosten für ihre Produkte bei gleichbleibender Funktionalität und noch höherer Designqualität. So etwas geht. Zumindest, wenn Sie in diesen besonderen Zeiten nicht den Kopf in den Sand stecken und warten, bis der Spuk vorbei ist.

Böse Zungen behaupten, dass sich nur die Firmen derzeit Innovationen leisten können, deren Geldspeicher noch gut gefüllt ist. Schon möglich, dass die von Haus aus innovationsfreudigeren Unternehmen schon immer bessere Umsätze und Gewinne eingefahren haben und sich deshalb jetzt weniger mit Liquiditätsproblemen beschäftigen müssen. Daran allein aber liegt es nicht. Es liegt vielmehr am verfügbaren Selbstvertrauen der Organisation und ihrem Umgang mit der Unsicherheit.

Wenn alles möglich ist …

Die einen empfinden Unsicherheit als schmerzliches Gefühl, das sie möglichst schnell wieder loswerden wollen. Folgerichtig beschäftigen sie sich vorrangig mit kurzfristigen Maßnahmen, was vermeintlich Sicherheit garantiert. Sie kreisen um das Thema Absicherung und igeln sich geradezu darin ein. Da bleibt weder Energie noch Zeit für einen Blick nach vorn und die tatkräftige Umsetzung.

Die anderen aber wissen: Wenn alles unsicher ist, ist auf einmal alles möglich …

Ich weiß nicht, wie groß bei Ihnen der Anteil an Umsatz und Gewinn ist, den Sie mit Ihren neueren Produkten erwirtschaften: In den Unternehmen, mit denen ich zu tun habe, liegt der bei bis zu 80 Prozent. Jetzt führen Sie sich gleichzeitig vor Augen, wie viele Ideen und neue Produkte in Firmen entstehen, die ihre Entwicklungsabteilung gerade in den Tiefschlaf geschickt haben. Null.

Das Argument, dass die Firmen abwarten müssen, weil sie noch gar nicht wissen können, welche Bedürfnisse der Markt nach Corona haben wird – glauben Sie mir, das ist absurd.

So absehbar

Wir wissen alle sehr gut, was sich verändern wird. Das ist schon lange absehbar und die aktuelle Situation ist nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Ich kann mich zum Beispiel gut an Diskussionen mit Kunden aus dem Jahr 2013 erinnern: Wir sprachen darüber, dass es Vorteile bringt, sich mehr von der Automobilindustrie zu lösen und andere Märkte zu erschließen. Und schon Ende letzten Jahres – also noch vor diesen besonderen Zeiten – konnten Sie von etlichen Insolvenzen bei den Zulieferern lesen.

Auch während der Finanzkrise vor zehn Jahren wurde versichert, dass die Welt danach ganz anders sein würde. In der Rückschau können wir sagen: Wirklich viel hat sich nicht geändert. Und das ist auch meine Prognose für diesmal. Abwarten kann also für die Wettbewerbsfähigkeit jedes Unternehmens nur von Nachteil sein.

Die Geschichte führt uns vor Augen: Wenn Sie jetzt innovativ werden, werden Sie morgen die Nase vorne haben. Nur dann.

Die wirklich entscheidende Frage heute ist: Wo wollen Sie Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren wiederfinden? Unter denen, die mangels Veränderungsbereitschaft und Innovation auf der Strecke geblieben sind, oder in der Top-Liga?

Jürgen Schmid ist ein renommierter Maschinendesigner. Er ist Erfinder des weltweit ersten Mini-Akkuschraubers und vielfach ausgezeichnet für die unterschiedlichsten Projekte, von Spritzgießmaschinen für Arburg bis hin zu Autokränen für Liebherr.

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