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Energiepreise Industriestrompreis – Pro und Kontra

Strommasten vor dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde
Strommasten vor dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde
© IMAGO / Andreas Franke
Braucht die deutsche Wirtschaft einen subventionierten Industriestrompreis? Die Frage spaltet Politik und Wirtschaftsvertreter. Was spricht dafür und was dagegen?

Manche Anlagen, etwa von Chemieunternehmen, stehen bereits still. Viele, vor allem internationale Firmen mit energieintensiven Produktionsprozessen denken laut über die Verlagerung von Standorten ins Ausland nach oder entscheiden sich gleich, lieber außerhalb Deutschlands zu investieren. Ein Hauptgrund, der dabei immer wieder genannt wird: der hohe Strompreis in Deutschland. Großabnehmer aus der Industrie zahlen zwar weniger für ihren Strom als Privatkunden oder kleinere Gewerbebetriebe, doch auch für sie sind die Kosten für den Strom in Deutschland höher als in fast allen anderen Ländern.

Dem drohenden Aus für ganze Industriezweige könnte ein staatlich subventionierter Industriestrompreis entgegenwirken. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat dafür einen Vorschlag vorgelegt, ebenso wie die Bundestagsfraktion der SPD. Die Idee stößt in Teilen von Wirtschaft und Politik auf Zustimmung, aber auch auf vehementen Widerspruch.

Was gegen den Industriestrompreis spricht:

30 Milliarden Euro könnte die Subvention den Staat kosten, so das Wirtschaftsministerium. Ein endgültiger Betrag lässt sich allerdings kaum beziffern. Die derzeit vorliegenden Konzepte sehen vor, dass die Bundesregierung die Differenz zwischen einem Preis von fünf oder sechs Cent pro Kilowattstunde (netto) und dem Börsenstrompreis, der derzeit bei knapp neun Cent liegt, erstattet. Je nach Ausgestaltung und Entwicklung an der Strombörse könnten die Kosten stark variieren. Viel Geld in Zeiten, in denen Finanzminister Christian Lindner auf das Einhalten der Schuldenbremse pocht und seinen Ministerkollegen strenge Sparvorgaben macht.

Laut Habecks Konzept könnten etwa 2000 Unternehmen den Industriestrompreis erhalten. Die übrigen Millionen von Stromkunden gingen nicht nur leer aus, sondern würden dadurch gleich doppelt belastet. Zum einen müssen sie mit ihren Steuern für die Kosten aufkommen. Zum anderen dürfte für sie der Strompreis steigen, wenn die Nachfrage von Großunternehmen angesichts ihrer verringerten Kosten steigt. Das Stromangebot wird durch die Subvention ja nicht größer.

Ökonomen warnen vor einem Fehlanreiz für die Industrie durch subventionierten Strom. Eine massive Förderung der energieintensiven Industrien berge die Gefahr, dass notwendige Anpassungsprozesse unterblieben. Dann würden Aktivitäten mit öffentlichen Mitteln erhalten, die international nicht mehr wettbewerbsfähig seien, argumentiert etwa der wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums. Selbst wenn der Strompreis in Zukunft durch den Ausbau erneuerbarer Energien deutlich sinkt, dürfte er langfristig in Deutschland höher sein als in anderen Ländern, die ebenfalls in Wind- und Solarenergie investieren, dabei aber Vorteile etwa durch mehr Sonneneinstrahlung haben. Gegen einen dauerhaften Standortvorteil solle man aber nicht ansubventionieren, warnte etwa die Chefin der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer.

Was für den Industriestrompreis spricht:

Befürworter betonen, dass es sich keinesfalls um eine dauerhafte Subvention handeln solle. Das SPD-Konzept sieht etwa eine Begrenzung auf zunächst fünf Jahre vor. Gleichzeitig müsse das Stromangebot durch den Ausbau erneuerbarer Energien ausgeweitet werden. Da der Strom dann generell wieder günstiger werden dürfte, so die Annahme, handele es sich lediglich um eine „Brückensubvention“ für Produktionsanlagen, die in wenigen Jahren auch in Deutschland wieder konkurrenzfähig sein könnten.

Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum von der Universität Düsseldorf argumentiert, dass der Industriestrompreis sogar ein „Transformationsbeschleuniger“ sein könne. Viele Unternehmen, die bisher auch wegen des hohen Strompreises auf fossile Energieträger setzten, könnten zum Umstieg auf Strom angeregt werden, der künftig aus erneuerbaren Energiequellen stammen werde.

Industrievertreter und Wirtschaftspolitiker heben zudem die Bedeutung von Industriezweigen wie der Chemieindustrie für die gesamte Wirtschaft hervor. „Wir müssen bei wichtigen Gütern unabhängig bleiben und dürfen uns Ländern wie Russland und China nicht ausliefern“, argumentiert etwa der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen

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