Anzeige
Anzeige

Interview Hermann Bühlbecker über seine erste Million

Wie Hermann Bühlbecker aus dem siechen Printenbäcker Lambertz einen Süßwarenkonzern formte
Hermann Bühlbecker, Geschäftsführer und Alleingesellschafter des Süßwarenherstellers Lambertz
Hermann Bühlbecker, Geschäftsführer und Alleingesellschafter des Süßwarenherstellers Lambertz
© Getty Images

Herr Bühlbecker, wie war Ihr Anteil am Rekordkonsum zu Weihnachten? Haben die Deutschen ordentlich Printen und Stollen gekauft?

Das Saisongeschäft verlief bei uns gut. Es war aber kein Rekordjahr, dazu war der September, der Startmonat, durchgängig zu warm.

Sie sind in einer Printen- und Schokoladendynastie aufgewachsen, mussten Ihr Studium aber durch Tennisspielen finanzieren…

Ja, ich habe mit fünf Jahren Tennis gelernt, in meiner Jugend Meisterschaften gewonnen und später in der höchsten deutschen Klasse gespielt. Dafür bekam man damals etwa 800 D-Mark im Monat. In den Semesterferien habe ich oft noch Trainerstunden gegeben, das reichte zum Leben.

Ihre Mutter hielt einen Anteil an Lambertz, doch die Firma stand Mitte der 70er vor dem Aus. Warum sind Sie damals dort eingestiegen?

Lambertz gehörte meiner Tante, meinem Onkel und meiner Mutter. Sie sagten mir: „Dem Unternehmen geht es nicht gut, wir sind schon in Verkaufsverhandlungen.“ Es gab ein paar namhaften Industrieunternehmen, die hochinteressiert waren. Die Botschaft war: Falls ich jemals in der Firma arbeiten wolle, müsse ich sofort anfangen. Das war 1976, ich hatte Betriebswirtschaft studiert und gerade die Promotion abgeschlossen. Da musste ich mit 26 entscheiden, ob ich mein Leben an diese Firma binden wollte. Keine einfache Sache.

Wie haben Sie Lambertz gerettet?

Mit einer Fabrik in Aachen, die nur Printen, also ein saisonales und regionales Produkt, herstellte, gab es keine Zukunft. Außerdem war Lambertz eine Premiummarke für Fachgeschäfte. Ich bin als erstes zu Handelsketten wie Rewe, Edeka und Tengelmann gefahren. Die Einkäufer sagten: „Schön, dass mal jemand von Lambertz kommt, bislang wolltet ihr uns ja nie beliefern.“ Und ein Manager von Lekkerland sagte mir: „Irgendwann stirbt mal die Frau Kommerzienrat und damit der letzte Lambertz-Kunde.“ Wir waren eine verstaubte Marke und mussten aus der Printenecke raus. Also haben wir uns für den Handel geöffnet und neue Produkte entwickelt, die man das ganze Jahr über vermarkten kann. Und auch neue Verpackungen, uns gab es ja nur in hochwertigen Kisten und Truhen.

Figure Capital-Cover 02/2017
Die neue Capital erscheint am 19. Januar

Womit kam dann der Durchbruch?

Mit Dominosteinen. Ein Rewe-Einkaufsleiter gab mir den ersten großen Auftrag: Zwei Millionen Dominosteinpackungen! Das war Anfang der 80er-Jahre unser Einstieg ins Großgeschäft. Dafür mussten wir eine teure Anlage kaufen und noch einige Millionen Schulden aufnehmen. Aber das war die Rettung. Dieser Einkaufsleiter von Rewe, der schon lange im Ruhestand ist, ruft übrigens ab und zu nochmal an und bedankt sich für den Lambertz Kalender, den ich ihm immer noch schicke.

Und seitdem expandieren Sie nur noch…

Wir sind seit den 80er Jahren durch Zukäufe und neue Produkte immer weiter gewachsen. Uns ist es gelungen, auch große Wettbewerber wie die Firmen Kinkartz und Weiss, als die größte deutsche Saisongebäckmarke, zu erwerben. Erst 2014 habe ich einen Dresdner Stollenhersteller mehrheitlich übernommen. Zu uns gehören heute 20 Firmen, darunter die schönsten und ältesten deutschen Marken aus Aachen, Nürnberg und Dresden. Wir verkaufen längst nicht mehr nur Lebkuchen und Printen, sondern auch Konferenzgebäck, Bio- und Vitalgebäck und Frischbackwaren.

Sie sind mit einer Hypothek gestartet – wann waren Sie Millionär?

1992 habe ich die letzten Firmenanteile von meinem Onkel erworben. Meine Tante als Haupteignerin hatte mir zuvor ihre Firmenanteile und ihr Privathaus übertragen. Mir geht es gut, aber ich habe nie geschaut, ob ich eine Million habe oder nicht. Ich reinvestiere alles in Zukäufe. Was nicht an Steuern vom Gewinn wegfließt, haben wir in der Regel immer wieder ins Unternehmen gesteckt. Und wenn wir Eigenkapital übrig hatten, haben wir versucht, ein anderes Unternehmen aus unserer Branche zu übernehmen.

Haben Sie sich mal etwas gegönnt?

Es mag merkwürdig klingen, aber ich habe keine Schiffe an der Côte d’Azur oder weitere Häuser irgendwo. Das ist bis heute so geblieben. Luxus ist für mich Zeit. Und wenn man mit einem guten Wagen fahren darf, auch zum Geschäftstermin mit Kunden, dann ist das auch ein Luxus.

Haben die Deutschen eigentlich ein Problem, offen über Geld zu reden?

In Deutschland herrscht beim Thema Geld eine schwierige Mentalität. Das führt dazu, dass die Deutschen sehr ungern darüber reden. Wer in den USA reich ist, spendet – und wird dafür gefeiert. Wenn man das in Deutschland macht, gibt es Leute, die sagen: Der macht das nur, um sich wichtig zu machen.

Ihre Gruppe erwirtschaftet jedes Jahr rund 650 Mio. Umsatz, die meisten Traditionsmarken gehören zu Ihrem Reich – was ist der nächste Schritt?

Ab irgendeinem Punkt ist es fast noch schwieriger, seine Position zu verteidigen, als noch weiter zu wachsen. Als wir nur Printen herstellten, da konnten wir nur noch gewinnen. Dass Niveau zu halten oder die Marktführerschaft zu verteidigen, ist heute schon ein Wert an sich. Das klingt ein bisschen anspruchslos, aber das ist die Lage. In der Internationalisierung sehe ich allerdings noch Wachstumschancen. Wir haben jetzt schon ein relativ großes Werk in Polen, von wo wir ganz Osteuropa beliefern. Wir haben in Amerika eine eigene Vertriebsgesellschaft. In beiden Märkten können wir noch weiter wachsen. Außerdem müssen wir uns überlegen, wie wir an die jungen Verbraucher herankommen.

Wird die Generation Facebook auch noch Lebkuchen essen?

Wir machen sehr viel mit Lambertz auf Facebook und zeigen dort, was wir alles tun. Wir fragen etwa, wer Schokomodel auf der nächsten Lambertz-Fashion-Show werden oder im Lambertz-Kalender als Model mitmachen möchte. Aber jüngere Verbraucher müssen wir auch mit jüngeren Artikeln erreichen.

Hermann Bühlbecker, 66, hat den traditionsreichen Aachener Printenhersteller Lambertz durch Übernahmen zu einem Süßwarenkonzern mit 4000 Mitarbeitern und 650 Mio. Euro Umsatz ausgebaut.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel