Klimawandel, Armut, Flüchtlingskrisen: Die Welt ist voller Probleme. Capital präsentiert in einer neuen Serie Lösungen - für die großen Herausforderungen unserer Zeit, von smarten Köpfen und innovativen Unternehmungen. Diesmal: Marcella Hansch und das Pacific Garbage Screening
Das Problem:
Alte Zahnbürsten, ausrangierte Gummistiefel und Plastiktüten in allen Größen und Farben – Was sich nach dem Inhalt einer Restmülltonne anhört, ist in Wahrheit auf und unter der Wasseroberfläche unserer Ozeane zu finden. Mittlerweile ist es offiziell: Die Weltmeere haben einen großen Feind, und das ist der Mensch. Mit Unmengen Plastiktüten und Plastikflaschen bewaffnet verschmutzt er die Umwelt und gefährdet das Ökosystem. Obwohl Plastik erst im letzten Jahrhundert entwickelt wurde, haben wir es in nur kurzer Zeit geschafft unsere Ozeane zu vermüllen. Insgesamt schätzen Meeresforscher die Belastung durch langlebigen Plastikmüll auf 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen pro Jahr . Zahlen des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen (UNEP) besagen, dass in den vergangenen Jahren schätzungsweise mehr als 300 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert wurden, bis 2050 wird mit einem Anstieg auf 33 Milliarden Tonnen gerechnet. Welweit haben sich fünf große Müllinseln im Ozean gebildet, mit einer Gesamtfläche so groß wie Indien. Nicht nur für die Natur, sondern auch für die Wirtschaft ist das ein enormes Problem. Bisher kostet das globale Müllproblem jährlich mehr als acht Milliarden Dollar, Tendenz steigend. Diese Summe kommt vor Allem durch die erhebliche Beeinträchtigung des Tourismussektors (circa 622 Millionen Dollar pro Jahr) und Mehrkosten in der Fischereiindustrie zustande. Allein die Fischereiflotte der Europäischen Union verliert jährlich über 81 Millionen Dollar durch die Verschmutzung der Meere.
Diese Auswirkungen konnten auch die Verantwortlichen in Brüssel überzeugen. Im Dezember 2018 wurde ein Gesetz verabschiedet, das Einweg-Plastikprodukte ab 2021 EU-weit verbietet. Für den Umweltschutz und eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist die Reduktion der Herstellung von Plastik eine wichtige Komponente. Eine weitere unerlässliche Maßnahme, um die Plastikflut einzudämmen, ist die Stärkung des Recyclings: Der Anteil an rezykliertem Kunststoff soll ab 2025 mindestens 25 Prozent betragen. Auch wenn diese Veränderungen Umwelt und Wirtschaft in Zukunft entlasten sollen, bleibt die Herausforderung der ordnungsgemäßen Entsorgung und die Säuberung der bereits verschmutzten Ozeane bestehen.
Die Lösung:
Pacific Garbage Screening (PGS) will die Meere sauber halten. Gemeinsam arbeitet ein Forschungsteam aus jungen Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, ITlern und Wirtschaftsexperten an der Entwicklung eines maritimen Systems, das eine umweltschonende Entsorgung und Verwertung mariner Plastikabfälle ermöglicht. PGS ist eine schwimmende Plattform, die durch ein passives Sedimentierungsverfahren Plastikteile jeglicher Größe aus dem Wasser filtern kann. Mit Hilfe einer unter Wasser liegenden Kanalführung kann die bauchige Konstruktion die Geschwindigkeit der Meeresströmung reduzieren. Dieser Prozess unterstützt den natürlichen Auftrieb des Plastiks. Die Plastikteile, die auf Grund der unterschiedlichen Strömungen des Meeres in bis zu 40 Meter Tiefe gezogen werden, gelangen so wieder an die Oberfläche. Dort können sie gesammelt und abgeschöpft werden. Fische und andere Meereslebewesen werden bei diesem Verfahren nicht gefährdet, da keine Netze benötigt werden.
Da die Molekülstrukturen des Plastiks unter dem Einfluss des Salzwasser größtenteils zerstört werden, ist ein Recycling des gefilterten Materials nicht mehr möglich. Deshalb werden die Plastikpartikel zur weiteren Verwertung in synthetisches Gas, mit den Hauptbestandteile Wasserstoff und Kohlenstoff, aufgespalten. Der gewonnene Wasserstoff dient als Energieträger für Brennstoffzellen, die eine energetisch autarke und umweltschonende Arbeitsweise von PGS ermöglichen. Mit dem entstandenen Kohlenstoffdioxid werden Algenkulturen auf der Oberfläche der Reinigungsplattform angesiedelt. Die Biomasse der Algen soll als Ausgangsmaterial für biologisch abbaubaren Kunststoff dienen. In der Zukunft soll es fünf Plattformen geben, die an den größten Müll-Strömungen platziert werden sollen.
Der Kopf dahinter:
Hinter der Idee des gesamtheitlichen Konzeptes steckt die Initiatorin und Architektin Marcella Hansch. Pacific Garbage Screening basiert auf dem Konzept, das die Anfang 30-Jährige für ihre Masterarbeit im Architekturstudium entwarf. Inzwischen arbeitet Hansch nicht mehr alleine. Ihre Vision ist zu einer NGO herangewachsen, in der ehrenamtliche Wissenschaftler forschen, um das Projekt zu verwirklichen. Ein erfolgreiches Crowdfunding war der Startschuss für das Umwelt-Startup.