Knapp zwei Wochen nach Schließung der Greensill Bank hat die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin) einen Insolvenzantrag für das Bremer Geldinstitut eingereicht. Das Amtsgericht Bremen bestätigte den Eingang am Montagabend. Damit steht die Greensill Bank endgültig vor dem Aus. Vor einer Woche hatte bereits die britische Gesellschaft Greensill Capital, zu der die Bremer Bank gehört, Insolvenz angemeldet. Die Bafin hatte die Bremer Bank daraufhin für den Kundenverkehr geschlossen.
Die Einlagen von Privatanlegern sind mit einer Höhe von bis zu 100.000 Euro abgesichert. Hier springt der Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken ein (BdB). Anders sieht es allerdings bei den öffentlichen Geldern von rund 50 deutschen Kommunen aus, die Millionensummen bei der Greensill Bank angelegt haben. Sie werden seit der Reform der Einlagensicherung in 2017 nicht mehr gesichert – und könnten bei der Insolvenz verloren gehen.
Das Onlineportal Tagesgeldvergleich.net, veröffentlichte eine erste Liste mit betroffenen Gemeinden, die insgesamt mehr als 311 Mio. Euro bei der Greensill Bank angelegt haben. Der größte Betrag floss dabei vom Land Thüringen: rund 50 Mio. Euro an Einlagen wurden in der Vergangenheit beim Bremer Geldinstitut angelegt – und könnten nun verloren sein. Auch die städtischen Kölner Bühnen finden sich weit oben auf der Liste wieder. Sie haben 15 Mio. Euro bei der Greensill Bank angelegt – Geld, das eigentlich für laufende Sanierungsmaßnahmen gedacht war und das die Bühnen selbst aus einem Kredit erhalten haben.
Vor allem viele kleinere Städte und Kommunen könnte es schwer treffen, wenn sie die Einlagen durch die Insolvenz der Greensill Bank verlieren. Je nach Ort machen die Greensill-Einlagen zwischen einem Zehntel und bis zu 40 Prozent der städtischen Geldbestände aus. Für diese zehn Kommunen steht bei der Greensill-Pleite das meiste Geld auf dem Spiel:
Garbsen – 8,5 Mio. Euro
Der Stadt Garbsen droht der Verlust von 8,5 Millionen Euro. Die Summe hat die Stadtentwässerung im vergangenen als Festgeld bei der Greensill Bank angelegt. Im Januar wurden bei der Greensill Bank zwei Tranchen von je 2,5 Mio. Euro angelegt, eine mit einer Laufzeit von einem Jahr und eine mit einer Laufzeit von zwei Jahren. Im September folgten weitere 6 Mio. Euro. Die erste Tranche hatte die Stadtentwässerung im Januar 2021 wieder ausgezahlt bekommen, um die übrigen 8,5 Mio. Euro muss sie jetzt bangen.
Gießen – 10 Mio. Euro
Gießen bangt aktuell um 10 Mio. Euro, die bei der Greensill Bank eingegangen sind. Das Geld sollte für wichtige Infrastrukturmaßnahmen genutzt werden und wurde in zwei Tranchen im Oktober und Dezember 2020 angelegt. Der Anlage-Entscheidung ging nach Angaben der Stadt eine Ausschreibung voraus, bei der das Bonitätsrating der Bank und der Zinssatz berücksichtigt wurden. Angesichts der gefährdeten Millioneneinlagen hat die Stadt Gießen einen sofortigen Stopp aller Festgeldanlagen verfügt.
Bötzingen – 13,2 Mio. Euro
13,2 Mio. Euro an Einlagen hat die Gemeinde Bötzingen im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald bei der Greensill Bank angelegt. Die drohende Zahlungsunfähigkeit der Bremer Bank betrifft daher rund 40 Prozent der gesamten Finanz-Anlagen der Gemeinde. Nach Angaben der Stadt können alle für dieses Jahr geplanten Projekte trotz der Unsicherheiten über die Greensill-Einlagen umgesetzt werden, mittelfristig seien aber die Prioritäten neu zu besprechen.
Nordenham – 13,5 Mio. Euro
13,5 Mio. Euro hat die Stadt Nordenham im Landkreis Wesermarsch bei der Greensill Bank angelegt. Ein Großteil der Summe war für Kanalarbeiten, darunter beispielsweise die Reparatur kaputter Kanalrohre, vorgesehen. Bereits seit 2018 hat Nordenham Geschäftsbeziehungen zur Greensill Bank unterhalten. Das berichtet unter anderem der NDR. Noch am 24. Februar soll Nordenham lokalen Medienberichten zufolge die größte Tranche von 10 Mio. Euro angelegt haben.
Osnabrück – 14 Mio. Euro
Osnabrück bangt ebenfalls um Einlagen in Höhe von 14 Mio. Euro. Seit Anfang 2020 hatte die Stadt drei Termingeldanlagen beim Bremer Bankhaus vorgenommen. Der letzte und gleichzeitig größte Betrag von 11,5 Mio. Euro floss im November 2020. Im März und April 2023 wären die Termineinlagen fällig gewesen, jetzt ist unklar, ob die Stadt ihr Geld zurückbekommt. Als Konsequenz aus den jüngsten Entwicklungen hat die Stadt angekündigt, bis auf Weiteres kein Festgeld mehr bei Privatbanken anzulegen. Osnabrück hat sich außerdem einem Arbeitskreis von 26 Kommunen angeschlossen, der sich gegenüber der Greensill Bank juristisch vertreten lassen will.
Weissach – 16 Mio. Euro
Einlagen in Höhe von 16 Mio. Euro stehen im Greensill-Skandal für die baden-württembergische Gemeinde Weissach auf dem Spiel. Das Geld hatte die Gemeinde zwischen 2019 und 2020 angelegt, die letzte Tranche erfolgte im Herbst. 5,5 Mio. Euro sind bei der Greensill Bank in kurzfristigen Geldanlagen angelegt, 10,5 Mio. Euro in mittelfristigen. Weissach hat seine Geldbestände in Höhe von knapp 70 Mio. Euro auf 41 Kapitalanlagen verteilt, mehr als ein Fünftel entfiel dabei bis zuletzt auf die Greensill Bank.
Schwalbach (Main Taunus) – 19 Mio. Euro
19 Mio. Euro investierte Schwalbach bei der Greensill Bank. In mehreren Tranchen hat die Stadt nach eigenen Angaben Festgeld mit Laufzeiten von zwölf bis 24 Monaten angelegt. Zwei Auszahlungen hatte Schwalbach bereits im Vorfeld des Finanzskandals erhalten. Mit der Festgeldanlage habe man Negativzinsen vermeiden wollen, die die Stadt täglich 1500 Euro, jährlich bis zu eine halbe Million Euro kosten könnten, heißt es nach eigenen Angaben. Die Greensill Bank habe dabei allen äußeren Anforderungen entsprochen, zuvor habe man sich außerdem die Einschätzung von Finanzexperten eingeholt.
Wiesbaden – 20 Mio. Euro
Wiesbaden hat 15 Mio. Euro bei der Greensill Bank angelegt. Eine weitere Termingeld-Anlage in Höhe von 5 Mio. Euro ist im Februar für den Eigenbetrieb für Messe, Kongress und Tourismus der Stadt erfolgt. Damit hat die hessische Landeshauptstadt insgesamt 20 Mio. Euro bei Greensill angelegt. Die vorherigen Anlagen waren bereits in 2019 um im November 2020 erfolgt. Eine weitere Termingeldanlage bei Greensill in Höhe von 5 Mio. Euro sei im Juli 2020 zurückgezahlt worden. Die Stadt hat bereits angekündigt im Falle einer Insolvenz der Greensill Bank ihre Forderungen geltend zu machen, ob sie ihr Geld dann auch zurückbekommt, ist unklar.
Eschborn – 35 Mio. Euro
Eschborn zählt zu den reichsten Kleinstädten Hessens. Der Greensill-Skandal könnte allerdings ein Loch in die Stadtkasse reißen. Rund 35 Mio. Euro hatte Eschborn bei der Greensill Bank angelegt. Gemessen an den städtischen Geldbeständen in Höhe von 320 Mio. Euro entspricht die angelegte Summe etwa einem Zehntel. Das Geld sei in in sechs kurz- und mittelfristige Festgelder mit vereinbarten Zinsen deutlich unter einem Prozent angelegt worden, teilte die Stadt der Frankfurter Neuen Presse mit. Damit habe Eschborn Negativzinsen vermeiden wollen. Riskante Anlage oder Investitionen in risikobehaftete Geschäfte hätten zu keiner Zeit stattgefunden, heißt es.
Monheim am Rhein – 38 Mio. Euro
Die größten Einlagen bei Greensill hat die nordrhein-westfälische Stadt Monheim. In drei Tranchen hatte die Stadtverwaltung der 40.000-Seelen-Gemeinde rund 38 Mio. Euro angelegt. Das Rechnungsprüfungsamt soll jetzt zusammen mit externen Wirtschaftsprüfern die städtischen Geldanlagen überprüfen und Mitarbeiter der Stadt befragen. Ein Rechtsgutachten soll außerdem feststellen, ob die Verwaltung das Geld bei Greensill überhaupt hätte anlegen dürfen. Bis Juni sollen die Untersuchungen abgeschlossen sein. Monheim will außerdem prüfen, wie die Stadt ihre Einlagen zurückbekommen kann – und will dafür mit anderen Kommunen zusammenarbeiten.