Es ist ein prestigeträchtiges Investment, das in offiziellen Dokumenten fast untergeht: Google ist bei dem Münchner Datenschutz-Spezialisten Usercentrics eingestiegen. Dies geht aus Unterlagen im Handelsregister hervor, die bereits im Juli veröffentlicht wurden. Der kalifornische Techkonzern hat demnach eine Minderheitsbeteiligung von knapp drei Prozent an dem Start-up erworben. Öffentlich kommuniziert wurde das Investment bislang nicht. Beide Unternehmen bestätigten den Deal auf Anfrage von Capital, äußerten sich aber nicht zu weiteren Details.
Die Finanzierungsrunde ist für die Start-up-Szene von hoher Relevanz: Google hat für die Usercentrics-Anteile angeblich rund 20 Mio. Euro gezahlt, wie Capital von Personen erfuhr, die mit der Angelegenheit vertraut sind. Hochgerechnet ergibt sich daraus eine Unternehmensbewertung von mehr als 660 Mio. Euro. Aktuelle Geschäftszahlen stützen diese Summe. Unter Investoren wird erwartet, dass Usercentrics absehbar zum Unicorn aufsteigen könnte – ein Start-up mit Milliardenbewertung.
Die jüngste offizielle Investorenrunde liegt bereits vier Jahre zurück. Im Dezember 2020 waren im Zuge einer Series-B-Finanzierung rund 17 Mio. Euro geflossen. An Usercentrics hatten sich in der Vergangenheit einige bekannte Geldgeber beteiligt, der Berliner Fonds Cavalry Ventures zum Beispiel oder Alstin Capital, der Wagniskapitalfonds von Carsten Maschmeyer. Letzterer hat seine Anteile zwischenzeitlich deutlich reduziert, um ungefähr die Hälfte auf rund fünf Prozent.
Usercentrics erwartet 70 Mio. Euro Umsatz
Anders als viele Start-up-Hoffnungsträger flog Usercentrics bislang unter dem Radar, was auch dem eher technischen Geschäftsmodell geschuldet sein dürfte. Die Firma agiert als sogenannte Consent-Management-Plattform. Unternehmen können mit Usercentrics ihre Apps und Webseiten datenschutzkonform machen. Ploppt auf einer Homepage ein Cookie-Banner auf und fragt Besucher nach der Erlaubnis, Daten zu speichern und zu tracken, dann steckt oft ein Tool wie das von Usercentrics dahinter. Es gewährleistet, dass die Abfrage reibungslos und rechtskonform abläuft.
Das Start-up zählt nach eigenen Angaben mehr als 100.000 Firmenkunden. Darunter sind große Konzerne wie Ikea, Douglas und Hermes. Aber auch Tech-Unternehmen wie Delivery Hero oder Hellofresh zahlen monatlich für die Software. Für Google dürfte die Minderheitsbeteiligung vor allem strategisch interessant sein. Der Konzern erhält Einblicke in die Entwicklung einer gefragten Datenschutztechnologie und hält sich Optionen für die Integration in eigene Produkte offen. Pläne, sogenannte Drittanbieter-Cookies durch ein eigenes Verfahren zu ersetzen, hatte der Konzern zuletzt wiederholt verschoben.
Nach Informationen von Capital erwartet Usercentrics für 2024 einen wiederkehrenden Jahresumsatz (ARR) zwischen 70 und 80 Mio. Euro. Nach hohen Verlusten in den Vorjahren sei das Start-up mittlerweile zudem profitabel, wie eine Sprecherin bestätigte. Das Geschäft von Usercentrics wuchs zuletzt stark. In einer im Mai veröffentlichten Mitteilung sprach das Unternehmen von einem Wachstum von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Rückenwind durch Datenschutzvorgaben
Mit seinem Angebot ist Usercentrics seit 2018 am Markt. Das Start-up dürfte besonders von der sogenannten Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) profitiert haben, die im selben Jahr EU-weit in Kraft trat. Die Verordnung zwang Betreiber von Apps und Websites zum Handeln.
„Wir wollen im Einwilligungsmanagement Weltmarktführer werden“, sagte Usercentrics-Gründer Mischa Rürup vor einigen Jahren dem Handelsblatt. Rürüp hat die Firma gemeinsam mit Lisa Gradow und Vinzent Ellissen gegründet. Zuvor hatte er mit IntelliAd ein Startup im Bereich personalisierter Online-Werbung aufgebaut. Dieses verkaufte er 2012 an die Deutsche Post.
Den CEO-Posten bei Usercentrics hat Rürüp vor zwei Jahren abgegeben. Die Geschäfte führt mittlerweile Donna Dror, eine Israelin mit Sitz in New York. Die Managerin kam vom Webseiten-Analysehaus Similarweb. Usercentrics beschäftigt mehr als 350 Mitarbeitende mit Büros in München, New York, Kopenhagen und Lissabon. Im Markt konkurriert die Firma unter anderem mit dem US-Anbieter OneTrust, der von Investoren mit annähernd 5 Mrd. Dollar bewertet wird.
Das jüngste Google-Investment dürfte Usercentrics weiteres Momentum verschaffen. Zumal sich der kalifornische Tech-Konzern bislang nur an einer Handvoll Start-ups in Deutschland beteiligt hat. Für das Münchner Startup ist de Beteiligung daher so etwas wie ein Ritterschlag.