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Kommentar Geliefert wie bestellt

Das Lamento über den Koalitionsvertrag ist absurd. Die Deutschen bekommen genau das, was sie mehrheitlich gewählt haben. Von Christian Schütte
Christian Schütte
Christian Schütte schreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik
© Trevor Good

Die Empörung über den schwarz-roten Koalitionsvertrag ist groß, von allen Seiten hagelt es nun Kritik. Aber warum eigentlich? Was jetzt kommt, bildet ziemlich genau das ab, was die große Mehrheit der Wähler im September gewollt hat: Angela Merkel bleibt Bundeskanzlerin. Und sie betreibt eine – in leichter Abmilderung - sozialdemokratische Politik.

Diese Politik kann man natürlich für grundfalsch halten. Aber sie entspricht dem Wahlergebnis. Wer nach dem 22. September anderes erwartet, muss sich fragen lassen, welche Vorstellung er vom Funktionieren der Demokratie hat. Der amerikanische Spötter H.L. Mencken hat deren Logik einmal so formuliert: „Demokratie ist die Theorie, dass die Leute wissen, was sie wollen. Und es verdient haben, das dann auch ordentlich und hart zu kriegen.“ Deutschland kriegt nun das, was die Mehrheit der deutschen Wähler wünscht. Ordentlich und hart.

Lassen wir einmal die taktischen Aspekte der diversen Verrisse beiseite. Natürlich gab es zuletzt Kritiker von links, die nach Kräften genörgelt haben, um die Union zu zwingen, der SPD noch mehr entgegen zu kommen. Und es gibt jetzt Kritiker aus der Union, deren Gemäkel auch dazu dient, Sigmar Gabriel bei der SPD-Mitgliederbefragung zu stärken. Nach dem Motto: Wenn die Schwarzen so unzufrieden sind, haben die Roten ja wohl doch gut verhandelt, und es gibt keinen Grund mehr, die GroKo abzulehnen.

Merkel links offen

In der Substanz kann sich niemand beschweren. SPD-Anhänger ohnehin nicht, denn ihre Partei hat zwar die Wahl verloren, kann aber trotzdem erheblichen Einfluss auf die künftige Regierungspolitik nehmen.

Aber auch die Unionswähler und –funktionäre können sich nicht beklagen. Die Sozialdemokratisierung der Union hat schließlich nicht erst nach dem Wahltag begonnen, sondern schon lange vorher. Was Wirtschaftsvertreter und liberal-konservative Kommentatoren jetzt so scharf kritisieren, ist in wesentlichen Punkten kein Diktat der SPD, sondern nur die logische Weiterentwicklung früherer Beschlüsse der Union. Das gilt nicht nur für die teure Mütterrente, sondern auch für die noch teurere Energiewende. Auch den Weg zum Mindestlohn oder zur Frauenquote hat die Union selbst schon vor langer Zeit eingeschlagen.

Schon zu Zeiten der schwarz-gelben Koalition hat Angela Merkel gleichsam „links offen“ regiert. Sie hat die Sozialdemokraten ganz gezielt dadurch geschwächt, dass sie deren Positionen übernahm und ihnen damit die Fähigkeit zum Angriff raubte. Über diese Strategie ist viele Monate lang wieder und wieder geredet und geschrieben worden. Die Kanzlerin selbst hat dann auch noch kurz vor der Wahl deutlich gemacht, dass sie auf ihren liberalen Bündnispartner keinen besonderen Wert mehr legt.

„Stille Liebe zur Planwirtschaft“

Die Wähler haben Merkels SPD-light-Kurs mit einem hervorragenden Ergebnis honoriert, das fast für eine absolute Mehrheit gereicht hätte. Wer mit diesem Kurs nicht einverstanden ist, sollte jetzt also nicht die Berliner Koalitionäre beschimpfen. Er muss sich fragen, ob und wie eine andere Politik in Deutschland überhaupt noch mehrheitsfähig werden könnte.

Wie schwer das ist, zeigen aktuelle Umfragen des Allensbacher Instituts: Die Deutschen lieben mehrheitlich einen streng regulierenden und verbietenden Vater Staat. Und sie pflegen mittlerweile auch eine „stille Liebe zur Planwirtschaft“. Genau das setzt jetzt demnächst die schwarz-rote GroKo um.

E-Mail: schuette.christian@capital.de

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