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Exklusiv Geheimdienstkontrolleure beschäftigen sich mit Wirecard

Der Bilanzskandal um den insolventen Dax-Konzern Wirecard ist auch ein Kriminalfall. Nun werden sich auch die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags damit befassen
Der Bilanzskandal um den insolventen Dax-Konzern Wirecard ist auch ein Kriminalfall. Nun werden sich auch die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags damit befassen
© Lackovic / IMAGO
Die Nähe von Ex-Manager Marsalek zu ausländischen Nachrichtendiensten und die Lobbyarbeit eines früheren deutschen Geheimdienstkoordinators für den Zahlungsdienstleister rufen den Bundestag auf den Plan. Die FDP fordert Aufklärung

Nach der Pleite des Zahlungsabwicklers Wirecard werden die Verbindungen des Konzerns und einzelner seiner Manager zu den Sicherheitsbehörden zu einem Fall für die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags. Auf Antrag des FDP-Bundestagsabgeordneten Stephan Thomae soll sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags, das die deutschen Nachrichtendienste beaufsichtigt, mit dem Thema befassen. Dabei gehe es unter anderem um die Flucht des Wirecard-Vorstands Jan Marsalek und dessen mögliche Kontakte zu ausländischen Geheimdiensten sowie die Lobbyarbeit für Wirecard des früheren Geheimdienstbeauftragten im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, sagte Thomae Capital. „Ich werde daher eine Sondersitzung beantragen.“

Im Wirecard-Krimi waren schon direkt nach der Insolvenz Ende Juni Verbindungen des Dax-Konzerns in Geheimdienstkreise bekannt geworden. So stellte sich heraus, dass der für das operative Geschäft verantwortliche Vorstand Marsalek in der Vergangenheit mit Kontakten und Wissen geprahlt hat, das auf enge Beziehungen mit russischen Geheimdiensten hindeutet. Marsalek war Mitte Juni als Wirecard-Vorstand entlassen worden und anschließend untergetaucht. Dabei hatte er falsche Fährten gelegt – etwa in Richtung Philippinen. Inzwischen wird Marsalek in Russland vermutet.

„Wir müssen klären, wie es Marsalek geschafft hat, einfach so unterzutauchen, und wer ihm dabei geholfen hat“, sagte FDP-Vizefraktionschef Thomae. Falls ausländische Dienste dem Wirecard-Manager bei der Flucht geholfen haben sollte, stelle sich die Frage, welches Interesse sie an Marsalek haben und womit er ihnen nützen könne, sagte Thomae weiter. Bei Wirecard war Marsalek unter anderem auch für das Asien-Geschäft zuständig, das im Zentrum des mutmaßlichen Bilanzbetrugs steht. Ein Großteil des Asien-Geschäfts von Wirecard lief über Dubai, das aufgrund einer laxer Aufsicht unter Sicherheitsexperten als sicherer Hafen für Finanzgeschäfte krimineller Gruppierungen und Terroristen gilt. Denkbar ist etwa, dass Wirecard auch Geldwäsche für solche Gruppierungen ermöglichte – und damit auch über wertvolle Informationen für Geheimdienste verfügte.

Lobbytermin im Kanzleramt

In dieser Woche war zudem bekannt geworden, dass Fritsche, der von 2014 bis 2018 als Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes im Kanzleramt amtierte und früher auch Vizechef des Verfassungsschutzes war, nach seiner Pensionierung für Wirecard tätig war. Laut einer Auflistung der Bundesregierung organisierte Fritsche im September 2019 für den Konzern einen Termin im Kanzleramt bei seinem früheren Kollegen Lars-Hendrik Röller, dem Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Daran nahmen Wirecards Finanzvorstand Alexander von Knoop und dessen Vorgänger Burkhard Ley teil. Ley gehört auch zu den früheren Topmanagern, die Anfang dieser Woche von der Staatsanwaltschaft München I verhaftet worden waren.

„Wieso setzt sich ein Geheimdienstmann wie Fritsche für einen Fintech-Dienstleister ein?“, fragte der FDP-Parlamentarier Thomae. Er verwies darauf, dass Fritsche nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst auch das damals von der FPÖ geführte österreichische Innenministerium beraten habe. Zu der FPÖ wiederum unterhielt auch der flüchtige Wirecard-Manager Marsalek gute Kontakte, wie inzwischen bekannt ist. Daher müsse etwa untersucht werden, ob Fritsche Marsalek Zugang zu Nachrichtendiensten verschafft habe, sagte Geheimdienstkontrolleur Thomae. Auf dessen Antrag soll sich das geheim tagende Kontrollgremium des Bundestags noch in der Sommerpause mit dem Fall beschäftigen. Zunächst aber werde man die Sondersitzung des Finanzausschusses zum Thema Wirecard am kommenden Mittwoch abwarten, sagte der FDP-Abgeordnete.

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