Es wäre untertrieben zu sagen, dass Elon Musk als Eigner des Kurznachrichtendienstes X (ehemals Twitter) in Problemen steckt: Die Werbekunden laufen dem Unternehmen davon, die Plattform wird kritisiert für eine Schwemme an unmoderierten Falschnachrichten und ausufernder Hassrede, und zu allem Überfluss mehren sich auch noch die Alternativangebote, die versuchen, dem Social-Media-Dienst Nutzerinnen und Nutzer abzugraben.
Doch Musk wäre nicht Musk, wenn er in einer solchen Lage nicht noch einen drauf setzen würde: Der Star-Unternehmer, dessen erratische Äußerungen seinen Ruf zuletzt arg beschädigt haben, beginnt, einen Plan in die Tat umzusetzen, den er bereits vor Wochen angekündigt hatte: Gebühren für Neumitglieder. Wer in Neuseeland oder auf den Philippinen künftig einen X-Account anlegt und Nachrichten posten, teilen oder loben will, soll dafür einen jährlichen Betrag von 1 Dollar entrichten.
Suche nach Erlösen
Es ist ein Testlauf, der bald für das gesamte Netzwerk gelten könnte. Das angebliche Ziel ist es, die Schwemme an Bots zu beenden, also an automatisierten Accounts, hinter denen keine echten Menschen mehr stecken. „Das wird Bots nicht komplett aufhalten“, schrieb Musk auf X, „aber es wird 1000-mal schwerer, die Plattform zu manipulieren“.
Nun ist es durchaus nachvollziehbar, wenn der Betreiber einer Plattform wie X versucht, die dortige Kommunikation möglichst echt zu halten und von Fake-Accounts zu befreien. Es wäre sogar verständlich, wenn Musk damit auch nach einem neuen Erlösmodell suchte, vor allem angesichts der Tatsache, dass ihm die Werbekunden auch aktuell von der Stange gehen. Immerhin hatte der Tesla-Chef 44 Mrd. Dollar für eine im Grunde erlösfreie Firma bezahlt. Im Prinzip spricht also nichts gegen ein Bezahlprinzip für eine Plattform, die nach wie vor vielen ihrer Nutzer einen unbestreitbaren Mehrwert bietet. Und 1 Dollar pro Jahr scheint da nahezu lächerlich.
Scheitern bei Whatsapp
Allerdings ist es mit Gebühren im Social Media-Bereich so eine Sache. Der Messengerdienst Whatsapp arbeitete 2013 mit einer jährlichen Zahlung von 0,99 Dollar, die nach einem Jahr kostenfreier Nutzung erhoben wurde. Schon drei Jahre später kassierte die Führung des inzwischen von Facebook übernommenen Unternehmens die Gebühr wieder ein.
Die Probleme waren vielfältig. Zum einen litt das Wachstum der Nutzerzahlen unter dem Bezahlmodus, selbst wenn die Gebühr niedrig war. In manchen Ländern erwies sich der reine Zahlprozess als kompliziert. Zudem war es zu einem kaum durchschaubaren Flickenteppich gekommen: Manche mussten zahlen, andere nicht, und niemand verstand so richtig, warum. Ein Imagedesaster.
Wirrwarr an Änderungen
Ähnliches ist nun auch bei Musks Plattform denkbar. Schon die bisherigen Änderungen lösten in der Twitter-Gemeinde Verwirrung und Verärgerung aus. Die abrupte Änderung des Namens und des Logos, weniger Moderation bei problematischen Inhalten, neue Regeln für die Nutzung von X-Inhalten – all das hatte zu einer Welle von Abwandernden geführt, die sich bei anderen Diensten umschauten.
Und genau dort dürfte man jetzt auch sehr genau beobachten, was aus dem Gebührenmodell Musks wird. X nur für zahlende Nutzer – es könnte der nächste Sargnagel für die einst stolze Bühne der Aphoristiker dieser Welt sein.