Mit einem geschätzten Vermögen von 127 Milliarden Dollar gilt Amazon-Gründer Jeff Bezos mittlerweile als reichster Mensch der Welt. Die Börse bewertet seinen Konzern mit über 600 Mrd.Euro, was ungefähr dem 180-Fachen des für 2018 erwarteten Gewinns entspricht. Das sieht verdammt nach einer Kursblase aus, wenn man normale Kriterien anlegt. Aber die gelten in diesem Fall eben nicht. Denn Amazon steht eigentlich immer noch ganz Anfang. Von Wachstumsgrenzen keine Spur. Erst gab es Konzerne, dann redeten wir von Groß- und sogar Megakonzernen. Das Unternehmen aber hat das Zeug, der erste Hyperkonzern der Welt zu werden. In absehbarer Zeit dürfte Bezos Baby an der Börse als erstes Unternehmen überhaupt die magische Schwelle von einer Milliarde Euro überschreiten.
Dafür gibt es mindestens fünf Gründe. Erstens kann Bezos mit seinem Sortiment noch erheblich weiter in die Breite gehen. Bei frischen Nahrungsmitteln zum Beispiel verfügt der Konzern bisher nur über einen winzigen Marktanteil. Das Gleiche gilt aber auch am anderen Ende des Spektrums: Warum soll Amazon nicht schon bald in großem Stil Maschinen und Autos an den Mann bringen? Zweitens kann der Konzern noch viel mehr Menschen erreichen als bisher – beispielsweise in Afrika. Aber selbst in den Ländern, in denen Amazon schon stark ist, gibt es noch viel Raum für Wachstum. Der Niedergang des normalen stationären Einzelhandels hat gerade erst begonnen. Drittens schöpft Amazon bisher seine Möglichkeiten als Plattform für andere Anbieter noch bei weitem nicht aus. Der Handelsriese kann so nach und nach alle, selbst die kleinsten Nischen abdecken. Viertens kann sich Amazon zum ersten globalen Download-Monster der Welt entwickeln und spezialisierte Anbieter entweder platt machen oder kaufen und integrieren. Musik, Software, Filme, Spiele – alles, was digital verfügbar ist, kann man vielleicht später aus einer Hand beziehen. Und last but not least: Amazon liefert den Anbietern von Speicherplatz eine immer härtere Konkurrenz. Im letzten Quartal stieg der Umsatz mit sogenannten Cloud-Diensten um sagenhafte 49 Prozent auf immerhin 5,4 Mrd. Dollar. Im Vergleich zu den Handelsumsätzen von Amazon ist das bisher wenig. Aber gerade auf diesem Feld gilt die schöne amerikanische Devise: „Only the sky is the limit“.
Wenn man sich die Aufstellung von des Konzerns anschaut, entdeckt man nur eine einzige große strategische Schwäche: China. Dort hat Bezos wahrscheinlich für alle Zeiten die Chance verpasst, zum Marktführer aufzusteigen. Der große Konkurrent Alibaba hat sich dort noch viel breiter etabliert als Amazon in der übrigen Welt und wächst und wächst. China ist aber eben nicht ein Markt unter vielen, sondern der wichtigste Markt der Welt mit der höchsten Zahl von Konsumenten überhaupt. Wer hier schwach ist, kann auf Dauer global nicht wirklich stark sein. Bisher steht Amazon in China mit einem winzigen Marktanteil nur auf Platz 4. Aber auch daraus kann man eine positive Nachricht ableiten: Es gibt dort noch viele Wachstumsmöglichkeiten für Amazon.