Das Streikrecht ist ein verbrieftes Recht. Die Arbeitsniederlegung ist ein seit der Antike probates Mittel der politischen Auseinandersetzung. So wie wir heute Friedrich Ebert und Lech Walensa gedenken, werden wir auch eines Tages die schwedische Schülerin Greta Thunberg feiern.
Es geht um politische Teilhabe. Es geht darum Betroffene zu Beteiligten zu machen. Beim Thema Klimaschutz sind die 8-Jährigen deutlich mehr betroffen als die 80-Jährigen – nicht (nur) als Verursacher, sondern (auch) als Leidtragende. Sie sind die Generation, welche die schlimmen Folgen eines irreversiblen Klimawandels zu spüren bekommen wird.
Diese Lektion haben die Schülerinnen und Schüler weltweit schon verstanden, bevor die große Mehrheit der Erwachsenen überhaupt das Schulbuch aufgeschlagen hat. Immer noch verweigern die Verantwortlichen rund um den Globus, was längst ihre Pflicht wäre: wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, um – wie lange vereinbart – den menschengemachten Klimawandel zumindest zu bremsen, wenn schon nicht zu stoppen.
Stattdessen steigen global die Emissionen immer weiter an. Noch immer werden weltweit fossile Energien subventioniert. Nach jahrzehntelangem Zaudern gibt es seit Oktober 2016 endlich das Pariser Klimaabkommen, demzufolge die Staaten sofort und ohne zu zögern alle Hebel in Bewegung setzen müssen, um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen. „Hausaufgaben machen“ heißt das im medialen Polit-Slang.
Aber was passiert? Jedes ernsthafte Handlungspaket wird es bis zur Unkenntlichkeit zerredet. Deutschland geriert sich als Klassenstreber, schafft aber nicht mal die selbstgesetzten Emissionsminderungsziele bis 2020. Jeder dahergelaufene Klassenkaspar, der mit wilden Zahlenspielen für Durcheinander sorgt, wird mehr umhegt als alle versammelten tatkräftigen Klimaschutz-Initiativen und Energiewende-Start-ups. Statt Kohleausstieg und Verkehrswende wird in der Politiker-Klasse mit verbaler Kreide geschmissen.
Wer gegen Gesetze und Regeln verstoße, müsse Konsequenzen spüren? In dieser Weise gepoltert wird leider nur gegen die streikenden Jugendlichen, nicht gegen die arbeitsverweigernden Politiker. Parolen-Hitparaden in Talkshows erleben die wenigstens Akteure als Strafarbeit. Und das ewige Nachsitzen in Bundestag bringt auch keine Ergebnisse. Gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft aber gilt größte Nachsicht. Dabei weiß jedes Kind: Wenn nicht rasch umgesteuert wird, werden auch die Emissionsminderungsziele bis 2030 verfehlt.
Angesichts solcher Arbeitsverweigerung ist es eine ziemlich gute Idee, dass die Jugendlichen freitags statt in die Schule auf die Straße gehen. Ihre Botschaft ist so einfach wie berechtigt: Wir haben keine Zeit für Lektionen der Vergangenheit, wenn ihr uns die Zukunft verbaut! Sie verweigern die Theorie und fordern Praxis. Anders als übliche Streikende geht es nicht um den simplen Eigennutz, um mehr Geld, mehr Freizeit oder mehr Sicherheit, sondern um das globale Wohl. Und sie schädigen mit ihrem Streik keine Dritten, sondern bringen nur sich selbst um Früchte ihrer Bildung. Damit übernehmen sie die Verantwortung, die andere verweigern. Es ist zu wünschen, dass sie so lange freitags auf die Straße gehen, bis endlich ambitionierte Klimapolitik umgesetzt wird.
Heutiges Handeln ist gefragt, nicht das Verschieben auf den Sankt Nimmerleinstag. Sobald die Weltgemeinschaft diese Lektion in Angriff nimmt, werden auch die Schüler und Schülerinnen wieder engagiert in die Schule gehen, auch um innovative Klimaschutztechnologien zu erlernen. Denn Klimaschutz sichert den Wohlstand, und zwar dauerhaft und nachhaltig gerade für die kommenden Generationen. Und Klimaschutz bietet enorme wirtschaftliche Chancen. Es ist Zeit zu handeln. Wenn nicht diesen Freitag, dann bitte nächsten. Oder am besten jetzt!