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Finanzevolution Die Macht der Neukombination

Fintechs wie Figo, Fino und Authada setzen auf das Prinzip Innovation durch Neukombination bestehender Verfahren. Von Dirk Elsner
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© Sebastian Berger, Stuttgart

Dirk Elsnerist bei der DZ Bank Senior Manager Innovation und Digitalisierung. In dieser Kolumne äußert er seine private Meinung. 2008 hat er das private Wirtschaftsblog BlickLog gegründet, das mehrfach ausgezeichnet wurde.

Ich lese derzeit das als Wirtschaftsbuch des Jahres ausgezeichnete „The Second Machine Age - Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird“. Die amerikanischen Ökonomen Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee füttern uns darin mit einem für manche vielleicht zu optimistischen Bild der Narrative des digitalen Zeitalters und der „Industrie 4.0“.

Die Autoren ordnen die technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und bieten einen euphorischen Einblick in die Welt der „denkenden“ Maschinen, die rechnen, kommunizieren und vielleicht sogar bessere Entscheidungen treffen können als Menschen. Eine Schwäche des Buches ist die mangelnde kritische Reflektion der neuen Technologien und die kaum vorkommende Möglichkeit technischer Störungen. Ähnlich wie Jeremy Rifkins „Die Null Grenzkosten Gesellschaft“ verdeutlicht „The Second Machine Age“ die massiven Veränderungen auch anspruchsvoller Aufgaben wie etwa die Steuerung von Automobilen, die Unterstützung medizinischer Diagnosen und auch Beratungs- und Entscheidungsunterstützung in Banken und Versicherungen.

Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee arbeiten heraus, dass viele Innovationen durch Neukombinationen bestehender Technologien entstehen. Sie schreiben dazu unter anderem:

„Die Theorie von der Innovation durch Neukombination macht deutlich, wie wichtig es ist, dass Probleme von mehr Augen betrachtet werden und dass mehr Gehirne darüber nachdenken, wie sich vorhandene Bausteine neu zusammensetzen lassen, um sie zu lösen. Diese Theorie geht ferner davon aus, dass Menschen auch eine entscheidende Rolle bei der Filterung und Verbesserung der Innovationen anderer spielen.“

Kontowechsel mit Fino

Diese „Theorie“ wird in der Praxis der Finanzwelt oft bestätigt. Viele Innovationen entstehen hier aus der Neukombination bestehender Verfahren und Dienste. Ein Unternehmen, das solche Neukombinationen im Finanzwesen zum Beispiel für den Endkunden unsichtbar im Hintergrund fördert, ist das Hamburger Start-up Figo. Als Banking-as-a-Service-Plattform ermöglicht Figo eigenen Angaben zufolge anderen Unternehmen den Zugriff auf die Daten von mehr als 3100 angeschlossenen Banken sowie anderer Finanzdienstleister in Deutschland und versetzt diese in die Lage, Transaktionen auszulösen. In der Praxis können damit Drittunternehmen auf Basis von Bankdaten neue Dienstleistungen bereitstellen (siehe dazu beispielsweise diese Präsentation „figo als Toolbox für Banken”). Zu den Fintechs, die diesen Service nutzen, gehören etwa Auxmoney, Kontoalarm und der Kontowechsel-Service Fino.

Die in Kassel sitzende Fino Digital GmbH bietet einen automatisierten Kontowechselservice für Kunden und Banken. Kunden sollen nach eigenen Angaben innerhalb von weniger als acht Minuten (die Commerzbank, die Fino nutzt, schreibt von zehn Minuten) ihr Konto wechseln können. Auf Basis der Transaktionshistorie des bisherigen Kontos ermittelt Fino die relevanten Zahlungspartner, um diese anschließend über den Kontowechsel zu informieren.

Warum auch Banken diesen Service eines Fintechs anbieten erläutert Karsten Seibel für „Die Welt“. Das Zusammenspiel aus Figo und Fino einerseits und Fino und etwa Commerzbank am Beispiel des Kontowechsel zeigt, wie auf Basis bestehender Services und Technologie ein neuer Service entstehen kann (zum Verständnis, was im Hintergrund im Datenaustausch zwischen Fintechs und Banken passiert und welche Kosten dabei entstehen empfehle ich den Beitrag von Matthias Hönisch Regulatorik /Fintech / PSD II … und was hat das mit Zahlungsverkehr zu tun?).

Verbesserung von Dienstleistungen

Ein anderes Beispiel für die Neukombination bestehender Dienste bietet das höchst sensible Thema der Authentifizierung beziehungsweise Legitimation von Kontoinhabern. So ersetzen etwa die Start-ups IDnow und WebID Solutions das zu hohen Abbruchzahlen führende Postident-Verfahren durch Videochats. Dazu verbindet sich ein Kunde, der sich zum Beispiel für einen Kontoeröffnung persönlich legitimieren muss, mit einem Servicemitarbeiter und hält seinen Ausweis in die Kamera seines PCs oder Smartphones. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hat diese Form der Fernidentifizierung mittels Videoübertragung Anfang 2014 genehmigt (siehe Rundschreiben 1/2014). Danach seien die Anforderungen des Geldwäschegesetzes auch dann erfüllt, wenn der Antragsteller und der Mitarbeiter der Bank beziehungsweise ein beauftragter Dritter mit dem Kunden audiovisuell kommuniziert.

Im Buch „Second Machine Age“ spielt aber nicht nur die Neukombination bestehender Technologien, aus denen sich theoretisch unendlich viele Innovationen denken lassen, eine Rolle, sondern auch die sukzessiven Verbesserungen von Dienstleistungen. Ein Beispiel aus Neukombination und die weitere Verbesserung der gerade genannten Legitimationsverfahren liefert das Darmstädter Start-up Authada. Dieses Spin-Off des Fachbereichs Informatik der Hochschule Darmstadt hat eine Technologie entwickelt, die sich in andere Anwendungen und Apps einbinden lässt, und die elektronische Identität (eID) aus dem Personalausweis über die NFC-Schnittstelle eines Smartphones auslesen kann. Damit, so erläuterte es Mitgründer Jörg Jessen in einem persönlichen Gespräch, ist die Verifikation der Kundenidentität innerhalb weniger Sekunden möglich.

Wenn das Verfahren tatsächlich so funktioniert, wie Jessen es darstellt, dann steht damit die digitale Legitimation erneut vor einem Quantensprung. Benötigt werden dann für die Legitimierung nur noch der neue Personalausweis mit der Onlinefunktion, den die meisten Menschen ohnehin bei sich tragen, und die PIN-Nummer des Ausweises, die viele allerdings wegen der bisher fehlenden Nutzungsmöglichkeiten nicht kennen dürften. Das könnte sich künftig mit dieser Technologie im Zusammenspiel mit einem NFC-fähigen Smartphone ändern. Der Anreiz nämlich, diese Funktion zu nutzen und sich künftig nur die sechsstellige (übrigens selbst änderbare PIN) zu merken, ist hoch, weil sie im Idealfall alle anderen PINs und TANs ersetzen kann.

Macht der Innovation durch Neukombination

Wir sehen hier also auch an diesem Beispiel, wie bestehende Technologien und Services, hier also der Personalausweis mit Onlinefunktionen, die NFC-Technologie und das Smartphone für Fortschritt sorgen können. Dazu passt abschließend ein Zitat von Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee aus „The Second Machine Age“:

“Alle, die an die Macht der Innovation durch Neukombination glauben, sind überzeugt, dass diese Entwicklung die Menschheit voranbringen wird. Wir können nicht genau vorhersagen, welche neuen Erkenntnisse, Produkte und Lösungen wir in den kommenden Jahren entdecken, doch wir sind ausgesprochen zuversichtlich, dass sie sehr eindrucksvoll sein werden. Das zweite Maschinenzeitalter wird sich durch unzählige Beispiele für maschinelle Intelligenz und Milliarden vernetzter Gehirne auszeichnen, die zusammenarbeiten, um unsere Welt besser zu verstehen und zu optimieren. Was bisher war, wird sich dagegen geradezu lächerlich ausnehmen.”

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