Ich war der Schrecken meiner Nachbarn. Der typische Gentrifizierer. In dieses alternativ angehauchte Berlin-Friedrichshain kam ich vor wenigen Jahren aus Hamburg, kaufte erst eine, wenig später eine zweite Wohnung. Genau über der ersten. Die meisten Mieter hatte die dänische Immobiliengesellschaft vor die Tür gesetzt, die Wohnungen nach und nach verkauft. An Typen wie mich. Zusammenlegen wollte ich sie, irgendwann mal, das war der Plan. Doch zunächst vermietete ich eine Wohnung über Airbnb – möbliert, als Ferienwohnung.
75 Quadratmeter, Altbau, ruhiges Hinterhaus. Knarzende Holzdielen, hohe Wände und für den kalten Berliner Winter ein wärmender Kamin. Viele Monate habe ich meine Ferienwohnung vermietet. Sie war fast immer ausgebucht, Berlin kennt keine Nebensaison. Und ich habe gut daran verdient. Sehr gut sogar. Deutlich mehr, als wenn ich sie regulär vermietet hätte.
Einnahmequelle geraubt
Mit dem Urteil der Berliner Verwaltungsrichter wurde mir am Mittwoch eine Einnahmequelle geraubt. Die ersten Klagen gegen das Zweckentfremdungsgesetz, das Ferienwohnungen in Berlin seit Anfang Mai verbietet, wurden abgewiesen. „Heute ist ein schwarzer Tag für Berlin. Wir sind verstört über diese Entscheidung und können sie in vielerlei Hinsicht nicht nachvollziehen“, kommentierte der Chefjurist des Ferienwohnungsportals Wimdu, Péter Vida, das Urteil. Ich applaudiere. Nicht Herrn Vida, sondern den Richtern. Die Entscheidung ist absolut richtig. Auch wenn sie mich Geld kostet.
Ob mit dem Verbot von Ferienwohnungen die Wohnungsnot in Berlin gelindert werden kann, wage ich allerdings zu bezweifeln. Ich halte das Argument für falsch. Es soll lediglich über eine verfehlte Wohnungspolitik hinwegtäuschen. Der Senat geht davon aus, dass in Berlin 10.000 Ferienwohnungen betrieben werden. Das klingt viel. Ist es aber nicht. Die Ferienwohnungen sind meist klein, böten vielleicht Platz für 20.000 Bewohner. Berlin mit seinen 3,6 Millionen Einwohnern wächst aber jährlich um die Größe einer mittleren Kleinstadt wie Coburg, die Flüchtlinge noch nicht mit berücksichtigt.
Barcelona darf nicht Berlin werden
Das Verbot schiebt aber einer weiteren Entwicklung hin zu Straßen voller Ferienwohnungen einen Riegel vor. Und das ist dringend notwendig. Wohin das führt zeigt sich beispielsweise in Barcelona. Dort gibt es Viertel, in denen kaum noch Einheimische wohnen, sondern nur noch Touristen sich die Klinke in die Hand geben. So weit darf es hier nicht kommen. Es ist der Tod eines jeden Kiezes. Schon jetzt schlägt manchen Touristen der blanke Hass von Einwohnern entgegen.
Die Menschen, die das Viertel so lebenswert gemacht haben, werden vertrieben, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Die Preise für Immobilien explodieren. Wer eine Wohnung kauft, um sie regulär zu vermieten, muss sie auch trotz niedriger Zinsen lange abstottern. Mit einer Ferienwohnung hat man locker die vierfachen Einnahmen. Viele der Anbieter haben das als Geschäftsmodell entdeckt.
Ich muss gestehen, wenn es das Zweckentfremdungsgesetz nicht gegeben hätte, ich hätte wahrscheinlich auch versucht, weitere Wohnungen zu kaufen – um sie als Ferienwohnungen zu vermieten. Wer in Berlin drei Ferienwohnungen betreibt, kann davon leben. Und das recht gut.
Saufen, kotzen, lärmen
Friedrichshain ist ein Viertel, das von jungen Touristen aus aller Herren Länder überrannt wird. Meine Gäste waren Skandinavier, Franzosen, Niederländer, Amerikaner, Australier und viele Israelis. Mal Familien, aber meist Gruppen von jungen Erwachsenen. Sie kamen nicht wegen der Museumsinsel in Mitte, sondern wegen der Kneipen, der Cafés und vor allem wegen der Clubs. Friedrichshain ist ein Partyviertel. So steht es in den Reiseführern. Für die Bewohner aber ist es vor allem eines: ein Wohnviertel. Ihre Heimat. Das steht dort nicht. So turbulent das Leben auf der Straße ist, um so mehr suchen die Großstädter die Ruhe ihrer eigenen vier Wände. Wahrscheinlich hat Herr Vida von Wimdu noch nie über einer Ferienwohnung gewohnt. Ich schon. Auch wenn es meine war. Ich wünsche es niemandem.
Auch wenn der Großteil der Gäste sich anständig benommen hat, es sind die Ausnahmen, die die Nachbarn zur Weißglut treiben, wenn statt vier plötzlich acht Leute in einer Wohnung hausen, auf mitgebrachten Luftmatratzen schlafen. Die bis spät in den Abend auf dem Balkon vorglühen, lachen und reden. Die mit jeder Promille lauter werden und in den Innenhof kotzen. Die ihre mitgebrachten kleinen Bluetooth-Lautsprecher mit dem großen Sound aufdrehen, nachts mit klirrenden Plastiktüten vom Späti kommen – oder erst vom Flughafen mit ihren klappernden Rollkoffern, weil der Billigflieger kurz vor Mitternacht landet.
Sie wollen vor allem eines: billig Party machen
Die Klientel, die beispielsweise über Airbnb bucht, hat sich geändert. Das Bild entspricht nicht der Werbung. Es sind weniger Kulturreisende oder Familien, die ein typisches Zuhause suchen, die die Anonymität eines Hotels ablehnen, die eintauchen wollen in eine möglichst authentische Lebenssituation der jeweiligen Stadt. Sie wollen auch nicht Teil einer Hausgemeinschaft auf Zeit sein. Sie wollen Party machen, das möglichst billig. Und weil sie Urlaub haben, glauben sie, die Nacht sei wie der Tag. Manchmal habe ich frühmorgens vor der Tür der Ferienwohnung gestanden, wenn Nachbarn SMS und Mails um 5 Uhr schickten, um Verständnis und Respekt gebeten. Für mich und für die Nachbarn, die am nächsten Tag früh aufstehen müssen. Einmal musste ich sturztrunkene Finnen gewaltsam aus der Wohnung werfen.
Seit Beginn des Jahres habe ich regulär vermietet. Ich begrüße das Zweckentfremdungsgesetz, auch wenn es mich einiges kostet. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn wer weiß, vielleicht hätte ohne das Gesetz die Gier gesiegt. Auch bei mir.
Jens Brambusch ist Reporter bei Capital. Aus purem Eigennutz hat er die Debatte über das Zweckentfremdungsgesetz für Ferienwohnungen intensiv verfolgt. Immerhin hatte er selbst eine Wohnung in Berlin über Airbnb vermietet