Dave Stephenson sitzt in einem kleinen Holzhaus auf einer Bank mit bunten Kissen. An der Wand hängt ein Bild von einem Boot, es gibt Apfelschorle und Kekse – alles ist ganz heimelig, abgesehen von dem lauten Dröhnen hunderter Stimmen. Denn das Haus steht an keinem See, sondern auf dem Messegelände am Berliner Funkturm. Stephenson ist neuer Strategiechef des Buchungsportals Airbnb, das bei der Internationalen Tourismusbörse ITB einen Stand betreibt.
Am Rever seines Jackets hat Stephenson einen kleinen Anstecker des rot-pinken Airbnb-Logos befestigt. Fünf Jahre lang war er CFO der Buchungsplattform mit den außergewöhnlichen Unterkünften, seit wenigen Tagen ist er nun der erste CBO des Unternehmens, der Chief Business Officer. Er soll sicherstellen, dass „das neue Kapitel“, das Airbnb für dieses Jahr ausgerufen hat, ein Gutes wird. Airbnb will „expandieren“, in mehr Ländern aktiv werden, mehr Gastgeber akquirieren und den Gästen mehr Service bieten. Große Ziele also.
Deutschland ist dabei einer der „Fokusmärkte“ für die Plattform. Immerhin ist die Bundesrepublik einer der stärksten Reisemärkte der Welt mit 53 Millionen Reisenden im Jahr 2022 und knapp 60 Mrd. Euro Umsatz. Doch das Vertrauen der Deutschen in Airbnb zu gewinnen, ist eine Herausforderung. Inzwischen gehen immer mehr deutsche Großstädte gegen illegale Vermietungen über die Plattform vor. Bei der Reputation helfen soll nun auch ein Tüv-Zertifizierung für den Online-Buchungsprozess.
Deutsche wollen Vertrauen und Zuverlässigkeit
„Deutsche wollen wissen, dass sie mit dem, was sie gebucht haben, eine großartige Erfahrung machen“, sagt Stephenson im Gespräch mit Capital. Vertrauen und Zuverlässigkeit seien im deutschen Markt wichtigere Kriterien als anderswo. „Wenn jemand Airbnb zum ersten Mal ausprobiert, kommt er in der Regel auch wieder. Eigentlich brauchen wir also nur Leute, die uns zum ersten Mal ausprobieren.“
Auf der Plattform Airbnb kann jeder Unterkünfte buchen und vermieten. Auch Hotels sind im Angebot, doch das Geschäftsmodell von Airbnb basiert vor allem darauf, dass Privatleute einzelne Zimmer, ganze Wohnungen oder Häuser zur Buchung anbieten können. Aktuell tummeln sich sieben Millionen Angebote weltweit auf dem Portal. Airbnb vermittelt zwischen Gästen und den sogenannten Hosts, kümmert sich für beide Seiten um die Abwicklung der Buchung und verdient an Gebühren.
Trotz der Reiselust der Deutschen ist der Markt hierzulande für Airbnb noch vergleichsweise klein. Wer etwa nach Schweden oder Italien in den Urlaub fahren will, der schaut eher noch anderswo nach klassischen Ferienwohnungen und Hotels. Das will Airbnb ändern – und hat sich deshalb zuletzt in Deutschland um die Tüv-Zertifizierung bemüht. Seit Anfang Februar ist sie abgeschlossen.
„Wir wollen uns auch in Deutschland lokal angemessen präsentieren“, sagt Stephenson. Die Tüv-Zertifizierung sei für die Vermarktung ein wichtiger Schritt, um die Leistung von Airbnb als vertrauenswürdig zu „validieren“. Konkret geht es um die Online-Sicherheit. So wurden beispielsweise Datenschutz, Transparenz, Benutzerfreundlichkeit und die Sicherheit der IT-Prozesse überprüft. Stephenson berichtet von dem langwierigen Prozess mit viel Papierkram. Über Monate haben verschiedene Teams Informationen zum Zertifizierungsprozess zugeliefert.
„Bisher mussten wir so etwas in anderen Ländern nicht machen, aber es könnte ein guter Auftakt sein“, sagt Stephenson. Auf dem Ziffernblatt seiner Uhr ist eine Weltkarte abgebildet. „Wenn wir feststellen, dass es hilfreich ist, könnten wir es auch für andere Orte in Betracht ziehen.“
Kameras in Innenräumen jetzt verboten
Einen weltweiten Schritt Richtung Datenschutz macht das Unternehmen nun mit dem Verbot von Kameras in Innenräumen von Unterkünften. Bisher waren sie etwa in Fluren und gemeinschaftlich genutzten Wohnzimmern erlaubt, solange das in der Wohnungsbeschreibung klar aufgeführt war. In der Vergangenheit hatten Gäste von Airbnb aber berichtet, Sicherheitskameras ohne Vorwarnung in ihren Unterkünften entdeckt zu haben.
So etwas soll es in Zukunft nicht mehr geben. Ab dem 30. April will Airbnb die Kameras in Innenräumen verbieten. Geräte wie Türklingelkameras und Geräuschmonitore seien weiterhin erlaubt, ihr Standort muss aber vor der Buchung offengelegt werden. „Diese Änderungen wurden in Absprache mit unseren Gästen, Gastgebern und Datenschutzexperten vorgenommen, und wir werden auch weiterhin um Feedback bitten, um sicherzustellen, dass unsere Richtlinien für unsere globale Community funktionieren“, hieß es dazu von Airbnb.
Mehr Serviceleistungen sollen Airbnb attraktiver machen
Mit der neuen Strategie will Airbnb eine Buchung auf der Plattform grundsätzlich noch attraktiver machen als die eines Hotels. Künftig soll es deshalb etwa auch zusätzliche Serviceleistungen wie Reinigung, Hilfe beim Ein- und Auschecken oder eine komplett ausgestattete Küche geben.
Im vergangenen Jahr verzeichnete die 2008 in San Francisco gegründeten Plattform die meisten Erstbuchungen überhaupt. Bei den gelisteten Hosts knackte sie außerdem erstmals die Fünf-Millionen-Marke, insgesamt verdienten die Gastgeber mit Airbnb-Vermietungen 2023 mehr als 57 Mrd. Euro.
In Zukunft sollen noch Millionen Hosts hinzukommen. Die Vision ist: Jeder mit einem Zuhause kann ein Host sein und Airbnb nutzen. Kritik daran, dass Airbnb gerade in Großstädten den Wohnraum verknappt und die Mieten steigen lässt, weist das Unternehmen immer wieder zurück. Im Gegenteil, so argumentiert das Unternehmen, könnten viele Hosts sich ihre Miete nur durch Einnahmen von Airbnb leisten.
Stephenson selbst wohnt während seines Aufenthalts in Berlin übrigens auch in einem Airbnb, im hippen Stadtteil Prenzlauer Berg. „Mein Host hat mir ein paar deutsche Biere im Kühlschrank gelassen“, erzählt Stephenson. „Da konnte ich gestern nach einem langen Tag auf dem Sofa entspannen, ein Bier trinken und aus dem Fenster schauen, bevor ich ins Bett gegangen bin. Im Hotel hätte ich diese Möglichkeit nicht gehabt.”
Bleibt nur zu hoffen, dass der Airbnb-Vermieter die Einnahmen durch Airbnb-Vermietungen auch über die Steuer abführt, sonst droht ihm Ungemach mit den hiesigen Finanzbehörden.