Ana-Maria Llopis Rivas sitzt unter anderem im Aufsichtsrat der französischen Bank Société Générale. Außerdem ist sie Gründerin der Ideenplattform ideas4all.com
Die Europäische Union steckt mitten in einer tiefgreifenden Debatte über ihre künftige Rolle. Wofür steht sie? Wen soll sie repräsentieren? Wie soll sie mit ihren Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten? Und was soll sie ihren Bürgern bieten? Jetzt ist die Zeit für innovatives Denken - auch darüber, wie die Hindernisse für die Umsetzung kühner EU-Pläne beseitigt werden können.
Viele EU-Initiativen - von der finanziellen und rechtlichen Harmonisierung bis zur Geschlechtergleichstellung – sind sinnvoll. Aber wollen sie die Eurokrise überleben, müssen sie unterstützt werden durch eine rechtzeitige politische Entscheidungsfindung, den vertrauten Regulierungsrahmen in den Mitgliedstaaten und eine EU-weite Verpflichtung zu guter Regierungsführung und Ethik.
Es herrscht kein Mangel an Plänen. Im vergangenen Jahr hat der damalige italienische Ministerpräsident Mario Monti mit Unterstützung der vier größten Eurozonen-Volkswirtschaften - Deutschland, Frankreich , Italien und Spanien - für ein 130 Mrd. Euro schweres Konjunkturpaket geworben, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu verbessern. Wie viele andere in der Wirtschaft, spendete ich Applaus für diesen Schritt. Auch das von der EU im August genehmigt 6 Mrd. Euro Paket, zur Eindämmung der um sich greifenden Jugendarbeitslosigkeit, vor allem in Spanien, muss als ein Schritt in die richtige Richtung gesehen werden.
Doch während die EU zweifellos bereit ist, anspruchsvolle Projekte zu starten, scheint sie weniger in der Lage zu sein, sie schnell und effektiv umzusetzen. Einige Regierungen haben neue, regelbasierte Governance-Kodizes angenommen und sie bestehen nun auf strengen Kontrollen, um Projekte auf Kurs zu halten. Französische Minister zum Beispiel, haben sich vor kurzem zur Einhaltung neuer Governance-Standards verpflichtet, wobei sie sich von Grundsätzen, einschließlich Transparenz, Unparteilichkeit und Integrität leiten lassen.
Ein wichtiger Aspekt der Umsetzung hat viel zu wenig öffentliche Aufmerksamkeit erhalten: die Zeit, Geld und Mühe, die verschwendet wird, wenn ein Mitgliedstaat im Wahlkampf, die EU zwingt, ein Projekt auf Eis zu legen. Die Politiker müssen abwarten, ob neue Parteien oder Führungskräfte die Macht übernehmen, und falls ja, ob sie sich zu den Projekten bekennen, die von ihren Vorgängern genehmigt wurden.
Zerstückelung schadet Vertrauen
Solche Verzögerungen sind in den vergangenen zwei Jahren etwas deprimierend Alltägliches. Erstens musste die EU stillhalten als neue italienische und spanische Regierungen, die Ende 2011 gewählt wurden, über ihre ererbten Verpflichtungen nachdachten. Noch mehr Unsicherheit folgte mit dem Machtwechsel in Frankreich im Mai 2012, und dann wieder mit den ergebnislosen Wahlen in Griechenland im darauffolgenden Monat. In diesem Jahr sind Tschechen, Italiener und Deutsche an der Urne gewesen.
Solche Störungen machen es nicht nur schwierig, wichtige Reformen zu verfolgen, sie untergraben auch das Vertrauen der Bevölkerung in die EU im Allgemeinen. Im Juni letzten Jahres, fügte die Königlich Spanische Akademie (die Hüterin der Landessprache) ein neues Wort ins Spanisch-Wörterbuch: Euroescepticismo, was als Misstrauen gegen EU-Projekte definiert ist. Dieser Ausdruck würde sicherlich weniger Verbreitung finden, wenn europäische Projekte Zeit und Raum hätten, um Wurzeln zu schlagen.
Also wie kann die EU Störungen vermeiden, die von endlosen Runden nationaler Wahlen herrühren? Wenn Europas seinen Standort definiert, lassen Sie uns auch über eine kühne, aber doch praktische Idee nachdenken: die Synchronisierung der politischen Uhren Europas, so dass alle nationalen Wahlen in Europa im selben Jahr abgehalten werden - oder sogar im selben Monat. Bei gleichzeitigen Abstimmungen in der EU würden dann etwa vier oder fünf Jahre (abhängig von der vereinbarten Länge einer Wahlperiode) relativer Stabilität folgen. Das würde die Störungen begrenzen, die bei der Entscheidungsfindung, beim Personal und bei der Gesetzgebung, scheinbar alle paar Monate auftreten. Dadurch könnten wichtige Vorhaben effizient umgesetzt werden.
Ein gemeinsamer Wahlkalender für alle EU-Mitgliedsstaaten würde die knappen Ressourcen freimachen und die Aufmerksamkeit der Politiker effektiver nutzen. Im Ergebnis ließen sich die Vorteile wichtiger Programme maximieren, wie solche zur Unterstützung der Jugend bei Bildung und Beschäftigung. Damit würde auch ein Beitrag zur Stärkung der wirtschaftlichen Aussichten Europas geleistet.
Diese Idee ist vielleicht nicht ganz originell (Leon Benelbas und Kyra Hazou haben meine Ideen in diesem Bereich befeuert), und es gilt wichtige Gegenargumente zu prüfen (z.B. könnte eine EU-einheitliche Wahlperiode durch eine verloren gegangene Vertrauensabstimmung einer nationalen Regierung untergraben werden). Aber frisches Denken über die wahre Wirkung der politischen Zyklen Europas könnte, zumindest der EU helfen, Dynamik zurückzugewinnen und ihre Relevanz zu behalten.
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