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China Erholung in der Eskalation?

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© christels / Pixabay
Die chinesische Wirtschaft läuft wieder. Doch in wie weit ist Normalität möglich, wenn sich der Konflikt mit den USA beinahe täglich zuspitzt?

Dieses Mal war es an Peking sich zu revanchieren. Chinesische Beamte übernahmen das zuvor geschlossene amerikanische Konsulat in Peking. Wenige Tage zuvor hatten die USA dem chinesischen Konsulat 72 Stunden Zeit gegeben, die Behörde zu schließen. Als Grund nannte man Spionage-Vorwürfe. Präsident Xi Jinping traf sich unterdessen am vergangenen Dienstag mit den Chefs sieben großer Unternehmen und forderte sie auf, „patriotischer zu handeln“ - was immer das auch zu bedeuten hat. Seit Wochen geht das nun so: Beinahe täglich rutschen die beiden größten Volkswirtschaften der Welt in der Eskalationsspirale einen Schritt tiefer.

„Wir befinden uns erst am Anfang der Eskalationsspirale zwischen den USA und China. All das dürfte noch schlimmer werden und es ist kein Ausstieg in Sicht“, meint Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking. „Es begann mit einem Handelskrieg, der sich zu einem Technologie-Krieg ausgeweitet hat, als nächstes könnte ein Finanzkrieg drohen.“

Der republikanische Abgeordnete Ted Yoho prophezeite Anfang Juli gar einen bewaffneten Konflikt innerhalb der kommenden drei bis sechs Monate, bei dem „Menschen sterben werden.“

Allein Trump daran die Schuld zu geben, greift zu kurz. Auch wenn sich Demokraten und Republikaner über derzeit so gut wie alles streiten, was die China-Politik angeht, sind sie sich einig.

Während sich die geopolitische Lage rasant zuspitzt, kehrt das Leben innerhalb Chinas weitgehend zur Normalität zurück. Wären da nicht - wo man auch hinkommt - jeweils drei Sitze mit einem Plastikband abgeklebt, könnte man derzeit meinen, alles sei wieder normal. Seit vergangenen Montag haben nun auch die Kinos in Shanghai und anderen großen Städten wieder geöffnet - nach fünf Monaten. Allerdings dürfen nur 30 Prozent der Sitze vergeben werden und kein Film darf länger als zwei Stunden dauern. Auch Reisen innerhalb Chinas sind wieder möglich, allerdings braucht man dafür unbedingt einen grünen Gesundheitscode und eine entsprechende App, erzählt ein Geschäftsmann, der gerade von einer Urlaubs-Reise aus Chengdu zurückgekehrt ist.

3,2 Prozent wuchs die chinesische Wirtschaft im vergangenen Quartal. Das ist mehr als jedes andere Land, aber so wenig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Jörg Wuttke hält die Zahlen für realistisch. „Tatsächlich laufen die Fabriken wieder.“ Das berichten auch mehrere deutsche Mittelständler. Die meisten Fabriken laufen wieder auf Vorkrisen-Niveau, wenn auch mit der Hand an der Handbremse. Teilweise werden Arbeiter mehrmals am Tag auf Corona getestet. Zu groß ist die Angst vor einer weiteren Schließung.

„Allerdings: Die Produktion ist das eine, die Nachfrage eine andere Problematik, sagt Wuttke. „Noch immer halten viele Chinesen ihr Geld zurück.“ Branchen, in denen physische Anwesenheit keine Rolle spielt, geht es zwar gut, darunter vor allem der boomende Tech-Sektor. Nach wie vor aber leiden der Tourismus und die Reise-Branche.

„Früher habe ich nicht viel zurückgelegt“, sagt Zhao Yashan. Die 25-Jährige steht im Shanghai Guansong Autohaus, einem der größten Volkswagen-Händler der Stadt, und will sich ihr erstes Auto kaufen. Sie schwankt zwischen den angesagtem Lamando-Modell und dem günstigeren „New Lavida“. „Das ist jetzt anders. Seit der Pandemie weiß ich: Es ist gut, ein paar Ersparnisse zu haben.“

So wie Zhao denken viele Chinesen. Das spiegelt sich selbst in den nicht immer vertrauenswürdigen offiziellen Statistiken wieder: Die Arbeitslosenquote liegt mit 5,7 Prozent im Juni niedrig, aber wie an vielen Zahlen aus China sind Zweifel angebracht. Es gibt Schätzungen, wonach rund 100 Millionen Menschen aufgrund der Pandemie ihre Arbeit verloren haben. Die Einzelhandelsumsätze fielen im Juni im Vergleich zum Vorjahr auch um 1,8 Prozent als einziger Indikator. Hauptpfeiler des Aufschwungs sind die Infraktstruktur- und Immobilienbranche - zwei Sektoren, von denen das Land eigentlich ohnehin schon genug hat. Vor allem der Immobilienmarkt neigt immer wieder zur Überhitzung und gilt besonders in südlichen Städten als übertrieben.

Vor der Corona-Pandemie war die Regierung in Peking darum bemüht, das Wachstum hin zu mehr Konsum zu verlagern. Diese Entwicklung scheint nun erstmal unterbrochen. Es droht ein Angebotsüberhang, der sich auch global auswirken könnte: „Finden die in China produzierten Güter keinen Absatz, rollt eine Export-Lawine auf die Welt zu“, sagt Wuttke. „Das wiederum dürfte in diesem Umfeld zu weiteren Handelsrestriktionen führen. Das ist besorgniserregend.“

Und auch ob das Land die Corona-Pandemie überstanden hat, ist fraglich. Zwar wurde der Ausbruch im Juni in Peking relativ schnell unter Kontrolle gebracht. Seit ein paar Tagen aber meldet Urumqi, die Hauptstadt der westlichen Provinz Xinjiang neue Fälle. Auch vom internationalen Flugverkehr ist das Land noch immer weitgehend abgeschnitten. Die gerade wieder eröffneten Kinos schließen unter Umständen schnell wieder. Hongkong kämpft gerade mit einer dritten Welle von Corona-Infektionen und hat die Sicherheitsstufe wieder erhöht.

Der Hongkonger Edward Tse, glaubt trotzdem, dass China relativ zum Rest der Welt gestärkt aus der Krise hervorgehen wird.„Die chinesische Wirtschaft wird sich schneller erholen. Aber natürlich wird es trotzdem dauern, um auf ein Vorkrisen-Niveau zurückzukehren“, sagt der Chef der Beratungsfirma Gaofeng in Hongkong. „Bis das BIP wieder sechs Prozent wächst, wird Zeit vergehen.“

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