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Gastkommentar Entwarnung für deutsche Banken?

Der Stresstest der EZB fällt für die heimischen Institute positiv aus. Doch die Aussagekraft ist gering. Von Thomas Hartmann-Wendels
Thomas Hartmann-Wendels
Thomas Hartmann-Wendels
© WISO


Thomas Hartmann-Wendels
ist Professor am Seminar für Bankbetriebslehre der Universität Köln.

Nach 2009, 2010 und 2011 hat die European Banking Authority in Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank zum vierten Mal einen Bankenstresstest durchgeführt. Während das mediale Interesse zuletzt etwas nachzulassen schien, wurde der Veröffentlichung der Stresstest-Ergebnisse diesmal mit großer Spannung entgegengesehen. Schließlich erfolgte die Bekanntgabe kurz vor dem Zeitpunkt, zu dem die EZB die unmittelbare Aufsicht über die 120 bedeutendsten Kreditinstitute in der Euro-Zone übernimmt. Aus diesem Anlass wurde der Stresstest mit einer Überprüfung ausgewählter Bilanzpositionen auf ihre Werthaltigkeit hin (Asset Quality Review – AQR) kombiniert. Damit soll sichergestellt werden, dass die EZB nur „besenreine Banken“ in ihre Aufsicht übernimmt, so dass sie später nicht für Probleme verantwortlich gemacht werden kann, die vor dem Beginn ihrer Aufsichtstätigkeit verursacht worden sind. Banken, die unter Berücksichtigung der Abzüge vom Eigenkapital, die aufgrund des AQR vorgenommen werden, die gesetzten Mindestkapitalquoten nicht erreichen, müssen innerhalb von sechs bzw. neun Monaten die bestehenden Kapitallücken schließen, andernfalls droht diesen Instituten die Schließung und Abwicklung.

Zu optimistische Prognose

Mit dem Abschneiden der deutschen Banken kann man insgesamt zufrieden sein. Banken, wie die HSH Nordbank, die zuvor als Wackelkandidaten gehandelt wurden, haben den Stresstest bestanden. Von der Münchener Hypothekenbank war bekannt, dass diese den Stresstest nicht bestehen würde, sie aber die zu erwartende Kapitallücke längst geschlossen hat. Auch die Kapitalmaßnahmen anderer Banken, die nach dem Stichtag 31.12.2013 vorgenommen wurden, sind in die Stresstestergebnisse nicht eingeflossen, so dass die deutschen Banken insgesamt noch etwas besser dastehen, als es die veröffentlichten Kapitalquoten nahelegen.

Können wir – zumindest was die deutschen Banken anbetrifft – beruhigt in die Zukunft blicken? Dies würde die Aussagekraft des Stresstests bei weitem überschätzen. So bildet der Stresstest die Situation der Banken zum 31.12.2013 ab, weder Veränderungen bei den Risikoaktiva noch beim Eigenkapital, die danach eingetreten sind, wurden berücksichtigt. Berechnet wurden die Eigenkapitalquoten zum einen für ein Basisszenario und zum anderen für ein adverses Szenario. Das Basisszenario beruht auf einer Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb der EU, so wie sie im Februar 2014 als realistisch eingeschätzt wurde. Angesichts des tatsächlichen Konjunkturverlaufs in diesem Jahr muss die Prognose allerdings als viel zu optimistisch angesehen werden. Das adverse Szenario berücksichtigt unter anderem eine Zunahme der Kreditausfallrisiken, ein Anstieg der Risikoprämien für Unternehmens- und Staatsanleihen, schlagend werdende Wechselkursrisiken sowie sinkende Aktienkurse und Immobilienpreise. Daraus wurde dann für jedes Land eine vom Basisszenario abweichende Entwicklung des Wirtschaftswachstums berechnet. Angesichts der zu optimistischen Annahme für das Basisszenario verliert das adverse Szenario einiges von dem intendierten Stresscharakter.

Erleichterung verfrüht

Hinzu kommt, dass eine Reihe von Risiken, die für einzelne Banken durchaus als kritisch einzustufen sind, bewusst nicht berücksichtigt wurden: So hat der Bundesgerichtshof nur wenige Tage nach der Bekanntgabe der Stresstestergebnisse entschieden, dass die Kreditinstitute Bearbeitungsgebühren für Kredite, die in den Jahren 2004 bis 2011 erhoben wurden, zurückzahlen müssen. Die damit verbundenen Belastungen in Milliardenhöhe sind im Stresstest (naturgemäß) ebenso wenig berücksichtigt wie andere Rechtsrisiken, denen sich Kreditinstitute derzeit ausgesetzt sehen, und die nicht selten Zahlungen in Milliardenhöhe nach sich ziehen. Diese Beispiele stellen den Nutzen von Stresstests nicht grundsätzlich in Frage, sie sollen aber verdeutlichen, dass Stresstests nicht als absolutes Gütesiegel über die Widerstandsfähigkeit einer Bank angesehen werden dürfen, sondern lediglich ein Indikator dafür sind, ob eine Bank in der Lage ist, eine als Stresssituation angenommene Entwicklung einigermaßen schadlos zu überstehen.

Außerdem: Ob eine Bank mittel- und langfristig in der Lage ist, zu überleben, hängt nicht davon ab, ob sie über genügend haftendes Eigenkapital verfügt, sondern davon, ob sie ein überlebensfähiges Geschäftsmodell hat. Insofern ist die Erleichterung darüber, dass auch die HSH Nordbank den Stresstest bestanden hat, zwar verständlich, aber auch verfrüht: Das Problem der Landesbanken, dass die dringend notwendige Konsolidierung bis heute nicht angegangenen wurde und sich für einige Landesbanken immer noch kein dauerhaft tragfähiges Geschäftsmodell herauskristallisiert, ist mit dem Bestehen des Stresstests in keiner Weise aus der Welt. Aber auch die anderen Banken haben keinen Grund, sich beruhigt zurückzulehnen. Weite Teile des deutschen Bankensektors leiden unter einer dauerhaften Ertragsschwäche. Eine jüngst veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nur 6 Prozent der Banken ihre Eigenkapitalkosten verdienen. Wenn es den Banken nicht gelingt, ihre Profitabilität wieder herzustellen, werden sie langfristig aus dem Markt ausscheiden, gleichgültig, wie sie in einem Stresstest abschneiden.

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