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Debatte Energiesparen ist keine Außenpolitik

Die EU versucht mit Energiesparen langfristig unabhängiger von russischem Erdgas zu werden. Der Erfolg ist fraglich. Von Susanne Hounsell
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Susanne Hounsell ist Associate Director European Energy Policy bei IHS Inc. in Paris. Sie schreibt regelmäßig auf capital.de über Energiethemen

Während die Ära von EU-Energiekommissar Günther Oettinger mit Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft beladen war, geht es seit dem Beginn der Ukrainekrise in der EU vor allem um eins: Versorgungssicherheit. Wie es inzwischen Tradition ist, erinnert sich die EU in solchen Zeiten an ihre Gasversorgung, an kalte (vor allem osteuropäische) Winter, und daran, dass 12 der 28 Mitgliedsstaaten zu über 60 Prozent von russischen Gasimporten abhängig sind. Sechs davon sogar vollständig.

Insbesondere langfristig soll vorgesorgt werden. Die alte EU-Kommission hatte im Mai dieses Jahres einige mehr oder weniger konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Versorgungssicherheit gemacht. Dazu gehören der Ausbau von Flüssiggasimporten, stärkeres Energiesparen und bessere energiepolitische Koordinierung. Die neue Kommission soll ein paar davon nun innerhalb einer europäischen Energieunion umsetzen. Eine Schlüsselaufgabe der Energieunion soll es sein, das langfristige Energiesparziel bis 2030 auf 30 Prozent zu erweitern. Laut Kommission könnten europäische Gasimporte daduch um insgesamt 83 Milliarden Kubikmeter verringert werden. Das entspräche dem jährlichen Gasverbrauch Deutschlands.

Ungewollte Konsequenzen

Man würde also das Nachfragevolumen im europäischen Gasmarkt verkleinern und hofft dadurch indirekt Russland zu treffen. Die tatsächlichen Effekte sind allerdings nicht ganz so eindeutig – im Gegenteil. Eine Reduzierung des Energieverbrauchs könnte sicherlich in osteuropäischen Ländern, in denen Russland der alleinige Gaslieferant ist, die Abhängigkeit verringern. Aber in Westeuropa ist es schwer, individuelle Produzenten mit solchen indirekten Maßnahmen zu treffen. Im liberalisierten westeuropäischen Gasmarkt wird Gas oft ohne “nationale Identität” gehandelt.

Die Wettbewerbssituation zwischen verschiedenen Produzenten könnte sich deswegen anders als von der Kommission gewünscht entwickeln: Tatsächlich hat Russland große, kostengünstige Gasvolumina und eine weitgehend abgeschriebene Pipelineinfrastruktur. Das bedeutet, dass es auf reiner Kostenbasis möglicherweise besser als seine Wettbewerber dastehen könnte. Und im Zweifelsfall seine Marktposition in einem kleineren Markt sogar ausbauen kann.

Klimaschutz nicht vergessen

Energiesparen für außenpolitische Zwecke – der Schuss könnte eventuell also nach hinten losgehen. Dabei wäre eine Reduzierung des Energieverbrauchs generell ganz im Sinne des europäischen Leitziels der Nachhaltigkeit. Doch manche sorgen sich trotzdem, dass der Klimaschutz ins Hintertreffen geraten könnte, wenn der Fokus entweder auf Wettbewerbsfähigkeit oder Versorgungssicherheit liegt.

Von einer Neuausrichtung der europäischen Energiepolitik würden beileibe nicht nur die erneuerbaren Energien profitieren. Auch die Kohle als heimische Ressource würde weiter an Attraktivität gewinnen, insbesondere in einem Markt wie Deutschland, in dem die Kernkraft langfristig keine Rolle mehr spielen soll.

Die EU riskiert mit ihren Vorschlägen, die Gasverbrennung als CO2-arme Brückentechnologie im europäischen Energiemix weiter zu marginalisieren. Hier zumindest bietet die Zusammenlegung der Generaldirektionen für Energie und Klima in der neuen Kommission die Chance, beide Bereiche besser zu verknüpfen. Trotz aller wohlgemeinten Absichten könnte ansonsten neben der Versorgungssicherheit in manchen EU-Staaten auch die Klimabilanz leiden.

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