Christian Schütte schreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik
Nach den Tagen der Schockstarre haben sie in Wolfsburg jetzt damit angefangen, erste Lösungen für das Problem der millionenfach manipulierten Abgaswerte vorzustellen. Wirklich zukunftsweisend ist das alles aber nicht.
Abgesehen davon, dass die überhöhten Emissionen der Vergangenheit sowieso nicht mehr zurückgeholt werden können, bleibt das technische Grunddilemma ja bestehen. Wenn die Stickoxid-Emissionen der Dieselmotoren gesenkt werden sollen, kostet das offenbar unvermeidlich Leistung und höheren Verbrauch.
Weil sie diesen Zielkonflikt nicht auflösen konnten, haben die Ingenieure getrickst. Wenn jetzt nachgearbeitet wird, erhält der Kunde immer noch nicht das, was ihm versprochen worden war.
Schon werden denn auch Forderungen laut, VW müsse alle betroffenen Diesel-Fahrzeuge zurücknehmen und für einen angemessenen Ersatz zahlen. Massenverschrottung der ganz besonderen Art?
Einen erheblich intelligenteren Lösungsvorschlag hat in dieser Woche Holman Jenkins vom "Wall Street Journal" gemacht: Statt verzweifelt zu versuchen, an den unseligen Autos herumzudoktern, sollte über ein Kompensationsmodell nachgedacht werden.
Stickoxide werden schließlich auch an anderer Stelle emittiert. Und verglichen mit einem alten Kraftwerk oder einer alten Lkw-Flotte ist selbst ein manipulierter VW-Dieselmotor immer noch extrem "clean".
Wenn Volkswagen eine ordentliche Summe in die Hand nimmt, um an anderer Stelle in großem Stil Emissionen zu vermeiden, dann lässt sich damit für die Umwelt sehr viel mehr bewegen als mit einem Kampf um das letzte Schadstoffgramm bei der millionenfachen Kfz-Reparatur.
Fernflieger tun es auch
Das wäre Ablasshandel? Ja, natürlich, das kann man so sehen. Aber es wäre ein effizienter Weg, wirkliche Umweltverbesserungen zu erreichen. Kompensationslösungen sind im Übrigen auch bei den engagiertesten Umweltaktivisten gang und gäbe, etwa zum Ausgleich für die Flüge in ferne Länder.
Es mag sein, dass der Wall-Street-Journal-Mann mit seinem konkreten Vorschlag politisch total naiv oder auch besonders maliziös ist: Jenkins schlägt vor, dass VW doch für längere Laufzeiten amerikanischer Kernkraftwerke zahlen könnte.
Völlig unabhängig von allen technischen Aspekten wäre das natürlich der sicherste Weg, den PR-Gau gleich in einen Super-PR-Gau zu verwandeln. Dass der Konzern, bei dem das rot-grün regierte Gorleben-Land Niedersachsen eine Sperrminorität hält, einen solchen Vorschlag auch nur in Erwägung zieht, kann man getrost ausschließen.
Die Atom-Idee ist Quatsch. Das Prinzip der kompensierenden Emissionsverringerung verdient es aber allemal, seriös diskutiert zu werden. Allein mit Ingenieurskunst wird VW den Schaden jedenfalls kaum wieder beseitigen können.