Limmer ist nicht unbedingt das, was man einen Touristenmagneten nennen würde. Der kleine Ort, ein Teil des an der Leine gelegenen Alfeld im südlichen Niedersachsen, hat bislang ein Rittergut, eine Kirche aus dem 18. Jahrhundert und einen Eventcatering-Betrieb mit dem Namen „Heimatliebe“. Bald aber wird ein echter Superlativ hinzukommen: Im Gewerbegebiet Limmer-West laufen die Bauarbeiten für den bis dato größten Batteriespeicher Europas. 130 Container mit Stromspeichern werden dort künftig nebeneinanderstehen, auf einer Fläche von gerade einmal zwei Fußballfeldern. Ihre Aufgabe: Strom aus Sonne und Wind einzuspeichern, wenn er nicht gebraucht wird. Und ihn abzugeben, wenn die Nachfrage wieder anzieht.
Batterien als Zwischenspeicher sind ein Geschäft, das von Jahr zu Jahr lohnender wird. Sie haben das Potenzial, die Nachteile der erneuerbaren Energien auszugleichen, die in immer größeren Mengen Strom in die Netze einspeisen. Kyon Energy, das Münchner Unternehmen, das den Speicher in Limmer baut, hat eine ganze Reihe Projekte in der Pipeline. Einige sind fertig, andere noch im Bau, wieder andere kurz vor dem Start. Wichtiger Faktor dabei: ein dramatischer Preisverfall bei Batteriezellen. Eine Kilowattstunde Kapazität kostet bei Lithium-Ionen-Zellen nur noch ein Fünftel so viel wie vor zehn Jahren. „Projekte, die bis jetzt nicht wirtschaftlich waren, werden auf einmal rentabel“, sagt Philipp Merk, Gründer und Chef. „Das führt dazu, dass mehr Speicher in den Markt kommen.“
Kyon gehört zu den Profiteuren eines Prozesses, der in den kommenden Jahren die Stromversorgung umwälzen könnte, und das nicht nur in Deutschland. „Die Entwicklung bei den Batterien ist eine riesige Revolution – vergleichbar vielleicht höchstens mit dem, was in der Photovoltaik geschieht“, sagt Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin. Sonne und Wind lieferten im ersten Halbjahr 2024 in Deutschland rund 58 Prozent des Bedarfs – aber sie liefern unregelmäßig. Das führt dazu, dass die Preise für den erzeugten Strom manchmal hoch sind, manchmal sehr niedrig – und in Extremfällen sogar in den negativen Bereich rutschen. Wer es schafft, diese Lieferunterschiede mit einem Zwischenspeicher auszugleichen, der kann auch von dem Preisgefälle profitieren – und damit Geld verdienen. So wie Kyon und seine Kunden. „Jeder Speicher, der ans Netz geht, reduziert die Zahl der Spitzenlastkraftwerke, die wir brauchen“, sagt Merk.
Nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts werden in Deutschland bis 2030 etwa 100 Gigawattstunden elektrischer Speicherkapazität benötigt, mehr als das 50-Fache dessen, was aktuell installiert ist. Bisher dominieren vor allem kleine Heimspeicher, die sich aber nur schlecht eignen, um das Netz auszugleichen. Diese Aufgabe aber können Container wie in Limmer übernehmen.
Wie alte Hi-Fi-Anlagen sind die Batterien in den Containern übereinander angeordnet. Deren Potenzial klingt erst einmal nicht sonderlich beeindruckend. Rein rechnerisch wird die Kapazität von 275 Megawattstunden einmal ausreichen, um eine Million Haushalte eine Stunde lang mit Strom zu versorgen. Aber um Preisausschläge auszugleichen und die Stromversorgung verlässlich zu machen, kann auch ein solcher Beitrag eine große Rolle spielen. „Batterien können sehr viel Strom in kurzer Zeit liefern“, sagt Energieökonom Hirth. „Sie eignen sich hervorragend als Kurzzeitspeicher.“
Als zentrale Technologie hat sich der Lithium-Ionen-Akku etabliert, ein Stromspeicher, wie er auch in Akkus für die Taschenlampe verwendet wird. Meist wird er in seiner Variante als Lithium-Eisenphosphat-Akku (LFP) eingesetzt, der immer mehr auch in Elektroautos zum Einsatz kommt. Im Geschäft mit Großspeichern mischen daher nicht nur Energieversorger und Ökostromanbieter mit, sondern inzwischen auch Autokonzerne, die auf diese Weise überschüssige Batterien einsetzen oder auch bereits benutzte für ein zweites Leben verwenden wollen. Da die Nachfrage nach Elektroautos weniger stark ist als angenommen, sitzen viele Hersteller momentan auf ihren Akkus.