„Die Simpsons“ haben es mal wieder lange vorher gewusst. Bereits 2008 schwebte in einer Folge der Zeichentrickserie Richard Branson entspannt als Weltraumtourist in seiner Raumkapsel. Nun wurde der langjährige Traum des Briten Realität.
Der Virgin-Gründer flog am 11. Juli 2021 mit dem Raketenflugzeug VSS Unity seines Unternehmens Virgin Galactic an den Rand des Weltraums und erlebte für kurze Zeit Schwerelosigkeit. Der suborbitale Flug mit zwei Piloten und vier Passagieren gilt als symbolischer Startschuss für die Ära des kommerziellen Weltraumtourismus.
Branson im Weltraum und „Die Simpsons“
Dem indischen Unternehmer Aditya Kondawar kamen die Bilder des schwebenden Branson seltsam bekannt vor. Der „Simpsons“-Fan schaute nach und stieß auf die Branson-Folge „Ja, diese Biene, die ich meine, die heißt Monty“ (Originaltitel: „The Burns and the Bees“).
Virgin Galactic teilte Kondawards Collage. Denn von der Kultserie „vorhergesagt“ zu werden, gilt mittlerweile fast als popkultureller Ritterschlag.
So manches historisches Ereignis hat seit dem Start der „Simpsons“ in Springfield seine Schatten vorausgeworfen. Im März 2000 träumte Lisa davon, US-Präsidentin zu werden. Ihr Vorgänger im Weißen Haus: Donald Trump. Auch die Masse des „Gottesteilchens“ Higgs-Boson wurde lange vor dessen offizieller Entdeckung von Homer Simpson auf eine Tafel gekritzelt. Die simple Erklärung: Unter den Autoren der Kultserie sind viele Wissenschaftler. Und die erlauben sich mit Forschungsergebnissen und Trends gern einen Insiderwitz.
Wer ist erster im Weltraum?
In Bransons „Simpsons“-Folge ging es übrigens um ein Ferienlager von Milliardären. Amazon-Gründer Jeff Bezos lieh seinem Zeichentrick-Pendant damals sogar die Stimme. Ausgerechnet ihm ist Branson nun mit dem Flug an den Rand des Weltraums eiskalt in die Parade gefahren. Denn eigentlich wollte der laut „Forbes“ aktuell reichste Mensch der Welt als erster Weltraum-Tourist eines kommerziellen Anbieters Geschichte schreiben. Nun wird er mit dem Start am 20. Juli 2021 zum Nachzügler.
So oder so: Das „Weltraum-Rennen der Milliardäre“ ist in voller Fahrt – das allerdings bereits seit einigen Jahrzehnten. Wir blicken zurück und voraus.
Das „Weltraumrennen der Milliardäre" in Bildern

Selbst ein Showman vom Schlage eines Richard Branson gerät am Rande des Weltalls an seine Grenzen. Beim Live-Stream aus dem Raketenflugzeug VSS Unity versagte erst die Tonübertragung. Dann brach auch der Bildkontakt ab. Manch ein Zuschauer dachte: Das ging vom Mond aus besser. Bei Branson ließ sich der entscheidende Moment der Schwerelosigkeit anfangs nur in einigen abgehackten Videosequenzen erahnen. Da hatte der Brite unmittelbar vor seinem 71. Geburtstag am 18. Juli 2021 aber ein oder womöglich auch zwei große Ziele erreicht: selbst ins Weltall zu fliegen – und Jeff Bezos zu schlagen.

Ursprünglich war Bransons Flug nämlich erst gegen Ende 2021 geplant gewesen. Dann aber kündigte der scheidende Amazon-CEO an, am 20. Juli 2021 beim ersten bemannten Flug seiner Rakete New Shepard an den Rand des Weltalls dabei zu sein. Bezos hatte ein symbolträchtiges Datum gewählt, den Jahrestag der ersten Mondlandung. Wenige Stunden darauf grätschte Branson plötzlich mit seinem früheren Starttermin am 11. Juli dazwischen. Bezos hielt sich mit öffentlichen Kommentaren zurück und gab sich als guter Verlierer. Wenige Stunden vor Bransons Abflug vom „Spaceport America“ in New Mexico aus, postete Bezos auf seinem persönlichen Instagram-Account ein Foto des Konkurrenten und wünschte ihm und dem Team alles Gute für den Flug. Nach der erfolgreichen Landung gratulierte er erneut und schrieb: „Kann es nicht erwarten, dem Club beizutreten!“

Auch bei der Firmengründung hatte Branson ganz knapp die Nase vorn. Offiziell gilt zwar 2004 als Jahr der Firmengründung. Bezos hatte sein Raumfahrtunternehmen Blue Origin im Jahr 2000 gegründet. Die US-Weltraumbehörde Nasa datiert den Start von Virgin Galactic jedoch auf 1999. Damals hatte Branson laut „Space.com“ den neuen Raumfahrtableger seiner Virgin Group im Handelsregister eingetragen. Anlass war demnach die Ausschreibung des mit zehn Millionen US-Dollar dotierten Ansari X-Prize. Der wurde einer Nichtregierungsorganisation versprochen, die als erstes Menschen in einem wiederverwendbaren Raumschiff über die sogenannte Kármán-Linie transportiert. Sie verläuft 100 Kilometer über dem Meeresspiegel und soll reguläre Luftfahrt von Raumfahrt unterscheiden. Der Gewinner dieses ersten Space-Wettrennens wurde zum Vorbild für Branson und Bezos – denn auch er ist einer der reichsten Menschen der Welt.

Bransons Triumph wäre ohne Microsoft wohl nicht denkbar gewesen. Mitbegründer Paul Allen nahm die Herausforderung des 1996 ausgeschriebenen Ansari X-Prize an. Hinter dem Wettbewerb stand die gemeinnützige Stiftung des US-Luftfahrtingenieurs Peter Diamandis. Die X-Prize Foundation will mit solchen Preisgeldern technische und wissenschaftliche Innovationen aus der Privatwirtschaft fördern. Allen, 1996 laut „Forbes“ auf Platz 13 der reichsten Menschen der Welt, war alleiniger Geldgeber des Projekts SpaceShipOne. Das Experimentalflugzeug mit Raketenantrieb gewann 2004 den Ansari X-Prize. Es bildete die Grundlage für SpaceShipTwo, Virgin Galactics aktuellem Raketenflugzeug. Bransons ehrgeizige Pläne wurden allerdings von einem tödlichen Unfall überschattet.

Branson hatte ursprünglich bereits vor zehn Jahren zahlende Passagiere in die Schwerelosigkeit befördern wollen. Die technische Umsetzung bereitete aber Probleme. 2014 schien der Erfolg zum Greifen nahe. Dann aber stürzte der Prototyp SpaceShipTwo alias VSS Enterprise bei einem Testflug ab. Pilot Michael Alsbury wurde getötet, sein Co-Pilot konnte sich per Schleudersitz retten. Branson erreichte schließlich mit dem zweiten SpaceShipTwo, der VSS Unity, sein Ziel. Virgin Galactic nimmt Registrierungen von Interessenten an und will 2022 mit den ersten kommerziellen Flügen starten.

Branson ist mit Angestellten in die Schwerelosigkeit geflogen. Bezos teilt das Abenteuer mit seinem Bruder. Ehrengast des Jungfernflugs ist die 82-jährige Pilotin Wally Funk, die seit Jahrzehnten vom Flug ins Weltall träumt. Wie lukrativ der kommerzielle Tourismus in den suborbitalen Raum ist – bei dem ein Flugkörper nicht der Anziehungskraft der Erde entkommt und auch nicht in eine Umlaufbahn einschwenkt – zeigt sich beim vierten Passagier von Blue Origin am 20. Juli 2021. Dieser Platz wurde bei einer Versteigerung feilgeboten, das Höchstgebot belief sich auf 28 Millionen Dollar.

Bezos' Ehrgeiz endet aber nicht bei einigen Minuten Schwerelosigkeit. Blue Origin ist dezidiert als Raumfahrtunternehmen aufgestellt. Bezos wird mit der für suborbitalen Weltraumtourismus entwickelten Trägerrakete New Shepard abheben. Daneben entwickelt Blue Origin noch die Schwerlast-Trägerrakete New Glenn und das Mondlandegerät Blue Moon. Mit beiden Produkten will Bezos in Konkurrenz zu SpaceX von Elon Musk treten. Allerdings hat der Tesla- und PayPal-Mitgründer bislang klar die Nase vorn.

Wie historisch das Wettrennen zwischen Bezos und Branson in die Schwerelosigkeit wirklich ist, darüber lässt sich streiten. Wenn sich Millionäre für einige Minuten an den Rand der Erdatmosphäre fliegen lassen, wird das die Welt vermutlich kaum verändern. Ganz anders sieht das mit der echten Raumfahrt und möglichen Flügen zu anderen Planeten aus. Wohl auch deshalb kann sich Musk das Muskelspiel zwischen Bezos und Branson eher amüsiert aus der Ferne anschauen. Denn er ist längst der größte private Player im Weltraumgeschäft.

Was vor einigen Jahren noch undenkbar schien, ist mit SpaceX Realität geworden. Ein privater Anbieter bringt Astronauten und Proviant in die Erdumlaufbahn und spielt damit nach dem Aus des Space-Shuttle-Programms der Nasa eine entscheidende Rolle für den Fortbestand der Internationalen Raumstation ISS. Die ist für Musk aber lediglich eine Zwischenstation. Im April 2021 wählte die Nasa sein Unternehmen aus, um Astronauten zurück auf den Mond zu befördern. Der Auftrag hat ein Volumen von 2,9 Milliarden Dollar. Hier gab sich Bezos nicht mit der Rolle als guter Verlierer zufrieden. Blue Origin hatte sich ebenfalls für das lukrative Projekt beworben und hat Beschwerde gegen seine Niederlage eingelegt. Da passte es irgendwie, dass Musk es sich nicht nehmen ließ, Branson unmittelbar vor dessen Sieg über Bezos persönlich einen Besuch abzustatten. „Toll, mit einem Freund in den Morgen zu starten“, schrieb der Brite auf Instagram zu einem Foto mit Überraschungsgast Musk.