Wer die digitale Bildung bislang vernachlässigt hat , hat in der Corona-Krise ein böses Erwachen erlebt. Weltweit standen Schulen und Universitäten schlagartig vor der Frage: Wie organisiert man sich online, wie funktioniert digitaler Unterricht, hat überhaupt jeder Schüler/Student Zugang zu einem Computer, geschweige denn Breitband-Internet?
Faktoren bei digitaler Bildung
Die digitale Lernplattform Preply hat untersucht, wie es im Sommer 2020 um das E-Learning in der OECD bestellt war. Dazu wurden drei Bereiche mit jeweils drei Faktoren untersucht:
#1 Digitale Bildung:
- Anteil der Gesamtbevölkerung mit privatem Zugang zu einem Computer
- Fernstudium: Zahl der Studiengänge und -kurse, die komplett online absolviert werden können
- Bildungsausgaben: Anteil des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf, die der Staat je Student ausgibt (Daten der Weltbank, teils von 2016)
#2 Digitalisierung:
- durchschnittliche Breitband-Internetgeschwindigkeit
- durchschnittliche mobile Internetgeschwindigkeit
- durchschnittliche monatliche Kosten für einen Breitband-Internetzugang
#3 Markt:
- durchschnittlicher Stundenlohn eines Nachhilfelehrers in Euro
- Zahl der Studenten, Schüler und Vorschüler (Daten der Weltbank)
- Wachstum der Nutzerzahlen auf Preply
Alle Indikatoren wurden zu gleichen Teilen für die Endnote berücksichtigt. Die Untersuchung erlaubt interessante Vergleiche, wirft allerdings Fragen auf. So wurden einige Kategorien in Relation zur jeweiligen Gesamtbevölkerung gesetzt (beispielsweise der Anteil der Menschen mit Computerzugang). In anderen Bereichen wurden hingegen absolute Zahlen verglichen (Zahl der Schüler/Studenten und Online-Kurse). Die Kategorie „Markt“ ist zudem stark auf Preplys eigenes Geschäft ausgerichtet (die Plattform vermittelt Nachhilfelehrer). Es scheint fraglich, wie aussagekräftig diese Daten für die Bewertung von E-Learning in einem Land sind. Wir beschränken uns bei der Beschreibung der Ergebnisse deshalb auf die ersten beiden Sparten.
Die Daten wurden den Angaben zufolge am 15. Juli 2020 erhoben. Für 7 der 37 OECD-Mitglieder lagen Preply keine ausreichenden Zahlen vor. Deshalb wurden die folgenden Länder nicht berücksichtigt: Island, Israel, Kolumbien, Korea, Lettland, Litauen und Slowenien.
Analyse: Diese Länder führen bei digitaler Bildung

Preply hat für die Untersuchung den Spitzenreiter der Rangliste mit 100 Punkten bewertet, das Schlusslicht der 30 OECD-Länder erhielt null Punkte. Australien eröffnet mit 68 Punkten die Top 10. Zwar haben den Angaben zufolge nur rund 82 Prozent der Einwohner Zugang zu einem privaten Computer. Das war der niedrigste Wert der Spitzengruppe. Auch das Breitband war auf dem Kontinent mit Abstand das langsamste. Dafür punktete Australien mit dem größten Angebot beim Fernstudium (3094 Kurse) und schnellem mobilen Internet.

In Finnland hatten knapp 94 Prozent der Bevölkerung Zugang zu einem privaten Computer. Das war der viertbeste Wert in den Top 10. Bei den Staatsausgaben für höhere Bildung reichte es mit 34 Prozent des BIP je Student in der Spitzengruppe allerdings nur für den drittletzten Platz. Finnland kam insgesamt auf 71 von 100 möglichen Punkten.

Neuseelands stationäres Internet ist laut Preply mehr als doppelt so schnell wie das in Australien. Das Land kam in der Analyse auf eine durchschnittliche Download-Geschwindigkeit von 115 Mbit pro Sekunde. Die Daten dieser Kategorie stammten vom Online-Portal Speed Test. Das hat allerdings seinen Preis. Mit durchschnittlich 46 Euro für einen Breitband-Internetzugang lag Neuseeland in dem Vergleich an der Spitze. Es kam mit insgesamt 74 Punkten im Ranking zur digitalen Bildung auf Platz acht.

Österreich schnitt in den Top 10 in den meisten Bereichen vergleichsweise durchschnittlich ab. Das reichte für 76 Punkte und Platz sieben. Eindeutig schlecht war Österreich aber bei der durchschnittlichen Surfgeschwindigkeit im Breitband. Hier reichte es den Angaben zufolge im Sommer 2020 nur für 57 Mbit/s. Das war nur rund ein Drittel des Tempos, das in dem Land mit dem schnellsten Datenverkehr erzielt wurde.

Schweden punktete in dem Ranking mit dem drittschnellsten Breitband der 30 untersuchten OECD-Staaten. Online-Vorlesungen dürften hier also kaum an schlechten Datenverbindungen scheitern. Ein Anteil von 93 Prozent beim privaten Computerzugang half dabei, Schweden mit 79 Punkten in dem Ranking auf Platz sechs zu hieven.

In keinem der untersuchten 30 OECD-Ländern hatten mehr Menschen Zugang zu einem privaten Computer als in den Niederlanden. Preply verzeichnete einen nahezu perfekten Anteil von 98 Prozent. Schnelles Internet und 36 Prozent des BIP pro Student führten zu 85 Punkten und Platz fünf im E-Learning-Ranking.

Luxemburg hatte nur neun Fernstudiengänge und -kurse vorzuweisen. Das war mit Abstand der niedrigste Wert der Top 10 – aber kein Wunder bei der geringen Einwohnerzahl des Ministaates. 95 Prozent privater Computerzugang, hohe Ausgaben für Hochschulbildung und schnelles Breitband-Internet verhalfen Luxemburg zu 94 Punkten und Platz vier in der OECD.

In der Schweiz haben den Angaben zufolge nur etwa neun von zehn Einwohner privat Zugang zu einem Computer. Das reichte in den Top 10 nur fürs Mittelfeld. Die Schweiz punktete aber mit schnellem und günstigem Breitband sowie vielen Online-Lernangeboten.

Dänemark musste sich bei den Bildungsausgaben mit 43,1 Prozent des BIP nur mit einer Dezimalstelle Schweden geschlagen geben. Das mobile Internet ist der Untersuchung zufolge zwar ausbaufähig. Dafür zahlten Dänen den Angaben zufolge für den Breitband-Internetzugang im Schnitt nur 26 Euro, der güstigste Preis in den Top 10. Insgesamt erzielte unser Nachbar 99 Punkte und wurde bei der digitalen Bildung nur von einem OECD-Mitglied überrundet.

Norwegen war mit 100 Punkten in dem Ranking das Maß aller Dinge. 95 Prozent der Einwohner hatten demnach privat Zugang zu einem Computer und waren sowohl stationär als auch mobil schnell im Internet unterwegs. Das Breitband war laut Preply mit 127,2 Mbit/s fast eineinhalb Mal schneller als in Deutschland. Die Bundesrepublik landete unter den 30 untersuchten Ländern auf Platz 13.