Der volkswirtschaftliche Nutzen der Mehrwertsteuersenkung wird bezweifelt . Für Einzelhändler bedeutet die Senkung vor allem erst einmal großen organisatorischen Aufwand.
Die meisten Unternehmen aber geben die gesenkte Abgabe bis Jahresende komplett an die Kunden weiter – sei es aus Ehrensache oder weil man sich nicht als Corona-Gewinnler beschimpfen lassen will. Einige Unternehmen aber erhöhen ihre Preise vorübergehend klammheimlich und werden so alleinige Nutznießer des Steuergeschenks der Bundesregierung.
Mehrwertsteuersenkung einbehalten
Das ist weder per se unredlich noch verboten. Händler sind nicht verpflichtet, die Mehrwertsteuersenkung weiterzugeben. Insbesondere Geschäften in der Nachbarschaft gönnen Kunden gern den kleinen Zugewinn in der Wirtschaftskrise.
Aber auch Luxuskonzerne und Online-Shops, die in der Krise ohnehin einen Boom erlebt haben, sacken die Steuersenkung ein, teils mit fadenscheinigen Ausflüchten. Oder es wird den Kunden erschwert, den Bonus einzulösen.
Verbrauchern bleibt es selbst überlassen, ob sie solches Verhalten akzeptieren oder ihr Geld in den nächsten Monaten lieber woanders ausgeben. Verräterisch glatte Preise können ein Hinweis darauf sein, dass hier nicht um drei beziehungsweise zwei Prozent gesenkt wurde. Ein großes Unternehmen hat seine Strategie unter dem Protest der Kundinnen bereits aufgegeben.
Diese Unternehmen geben die Mehrwertsteuersenkung nicht – komplett oder automatisch – an die Kunden weiter:
Diese Firmen geben niedrige Mehrwertsteuer nicht weiter
Die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 beziehungsweise von sieben auf fünf Prozent rechnet sich vor allem bei größeren Anschaffungen. Da hat manch ein Interessent vielleicht auf einen kleinen Preisnachlass bei Louis Vuitton gehofft. Der Luxuskonzern hatte jüngst in der Corona-Pandemie viele Preise erhöht. Kunden stellen dieser Tage aber fest: Auch nach der Senkung der Mehrwertsteuer hat sich an den neuen Preisen nichts geändert. Von Transparenz hält der französische Konzern offenbar nicht viel. Auf Nachfrage verweist der Kundenservice per E-Mail wortreich lediglich darauf, dass erfreulicherweise die Endpreise für Kleidung und Parfüm gesenkt werden konnten. Mutwillig ignoriert werden dabei die Taschen und Accessoires, die das Hauptgeschäft des Konzerns ausmachen. Telefonisch bestätigt eine Mitarbeiterin des Kundenservice, dass in diesem Bereich die Mehrwertsteuersenkung nicht an deutsche Kunden weitergegeben wird. Der Grund: Die Preise für die begehrten Waren sollen im Euro-Raum einheitlich sein.
Wer regelmäßig auf dem Weg zur Arbeit bei Starbucks Station macht, für den hätte sich die niedrigere Mehrwertsteuer bezahlt machen können. Allerdings zieht die US-Marke nicht mit. „Amrest Coffee Deutschland, der Betreiber nahezu aller deutschen Starbucks-Filialen, begründet die Entscheidung mit den langfristigen Perspektiven der Kette“, berichtete der Berliner „Tagesspiegel“. Das Unternehmen habe sich im März per Tarifvertragsabschluss zu schrittweisen Lohnsteigerungen von durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr verpflichtet. „Die Mehrwertsteuersenkung gibt uns hierfür einen flexibleren Handlungsspielraum“, erfuhr der „Tagesspiegel“ auf Nachfrage.
Warum einfach, wenn es intransparent geht? Douglas wollte die Mehrwertsteuersenkung in Form von Rabattcoupons lösen. Die konnten erst beim Folgekauf eingelöst werden. Vielleicht hat die Parfümerie darauf gesetzt, dass viele dieser Coupons verfallen. Vielleicht wurde darauf spekuliert, dass die Coupons zum wiederholten Einkauf verleiten. Die Kundinnen aber machten das Spiel nicht mit und protestierten lautstark. Douglas ließ sich laut der „Lebensmittel Zeitung“ zwei Tage später eines Besseren belehren. CEO Tina Müller verkündete auf Twitter: „Wir haben euer Feedback auf unsere Regelung zur Weitergabe der MwSt-Senkung gehört und nehmen es ernst! Daher werden wir ab morgen die 3-Prozent-Differenz direkt beim Einkauf an der Kasse abziehen.“ So kompliziert kann die technische Lösung nicht gewesen sein.
Auch Asos zieht sich mit einem Rabattcode aus der Affäre. Der kann zwar im Gegensatz zu Douglas sofort an der Kasse eingelöst werden. Der Haken: Pro Einkauf ist nur ein Code erlaubt. Bei den häufigen Sonderaktionen (beispielsweise 20 Prozent auf alle Schuhe mit dem Code xy) behält der Konzern also die Senkung für sich. Auf eine Nachfrage beim Kundenservice verwies eine Mitarbeiterin zunächst darauf, dass Asos ein unabhängiges Unternehmen sei und nach eigenen Regeln arbeite. In einer weiteren E-Mail wurde mitgeteilt, dass die Preisumstellung für Tausende von Artikeln ihre Zeit brauche.
Auf Amazon lohnt sich der Preisvergleich. „Bei den eigenen Angeboten von Amazon werden Kunden von Einsparungen bei Millionen von Produkten profitieren. Die Einsparungen erstrecken sich nahezu auf das gesamte Sortiment“, informiert der Online-Händler auf seiner Seite. Amazon-Verkaufspartner auf dem Marketplace dürften aber individuell entscheiden, ob und wie sie die Steuersenkung weitergeben. Einen einfachen Hinweis liefern die Wunschlisten. Fehlt hier neben einem Produkt der Hinweis „Preis gesenkt um drei Prozent“, wurde die gesenkte Mehrwersteuer möglicherweise nicht berücksichtigt.
Sephora gehört wie Louis Vuitton zum Konzern LVMH. Die Parfümerie- und Kosmetikkette schweigt sich auf ihrer Internetseite zum Thema Mehrwertsteuer aus. Galeria Kaufhof, wo sich viele der Sephora-Filialen befinden, informiert dafür umso ausführlicher. Zum Einkauf im Online-Shop heißt es im Kleingedruckten: „Folgende Marken nehmen am MwSt.-Nachlass zudem nicht teil: Pandora, Swarovski, Ted Baker, Camaflex, Vidima und Sephora mit folgenden Untermarken“ (es folgen einige Dutzend namhafte Hersteller).