Die prestigeträchtigsten Immobilien der weitgehend insolventen Signa-Gruppe werden in den nächsten Jahren von einem Treuhänder verkauft. Die Gläubiger der Signa Prime Selection AG stimmten diesem Plan am Montag in Wien zu, wie der Insolvenzverwalter dieser wichtigen Teilgesellschaft mitteilte.
Die Signa Prime gilt als das Schmuckstück der Signa-Gruppe des österreichischen Investors René Benko, die im Zuge von gestiegenen Zinsen, Baukosten und Energiepreisen in die Krise geschlittert ist. Zum Prime-Portfolio gehören unter anderem der noch unfertige Elbtower in Hamburg, das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe, Immobilien der Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof und das Gebäude des österreichischen Verfassungsgerichtshofs.
Gläubiger der Signa Prime haben laut jüngsten Daten des Sanierungsverwalters Norbert Abel Forderungen von rund 12,8 Mrd. Euro angemeldet. Der Verwalter hat davon bislang nur etwa 5,9 Mrd. Euro anerkannt. Gemäß seinem Vorschlag sollen nun alle Immobilien von ihm als Treuhänder geordnet über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren verkauft werden, um von einer erwarteten Erholung am Markt zu profitieren. Damit sollen mindestens 30 Prozent der Forderungen beglichen werden.
Bewertung runter oder Mieten rauf
Die Bewertungen sind eines der zentralen Probleme bei Signa. Laut einem „Bloomberg“-Bericht wurde etwa das Upper West-Gebäude in Berlin mit dem 45-Fachen der Mieteinnahmen bewertet, also über 700 Mio. Euro. Üblich sind eher Multiplikatoren in den Zwanzigern. Noch Ende 2018 bewertete Signa das Upper West selbst mit 571 Mio. Euro, Ende 2020 mit 620 Millionen und am Ende mit über 700 Mio. Euro – und das, obwohl die Zinsen in der Zwischenzeit gestiegen sind. Diese Zahlen würden laut Bloomberg eine Mietrendite von 2,2 Prozent ergeben, was – in der Lage – mehr oder weniger unterirdisch wäre.
Um die Zahlen auf das Marktniveau von etwa 4 Prozent zu bringen, müsste entweder die Bewertung runter oder die Mieten rauf. Möglicherweise auch beides. Die finanzielle Situation von Signa lässt aber kaum Bewertungsabschläge zu. Und Mietsteigerungen werden auch nicht mehr bedingungslos hingenommen. Dafür liegt der Berliner Gewerbeimmobilienmarkt zu sehr am Boden. Und das Upper West ist nur eines von zahlreichen Beispielen aus dem Signa-Imperium, das zu „sportlich“ bewertet wurde.
Signa-Immobilien auf dem Markt
Upper-West-Gebäude in der Nähe des Berliner Kurfürstendamm: In dem 35-stöckigen Gebäude befindet sich unter anderem ein Motel One, der (in den USA und Kanada insolvente) Coworking-Anbieter Wework, aber auch einige Retail-Mieter wie der chinesische Elektronikhersteller Huawei. Auch Signa hat hier seine eigene Berlin-Repräsentanz – genau wie, ironischerweise, die Anwaltskanzlei Görg, deren Partner Torsten Martini zum Insolvenzverwalter diverser Signa-Prime-Töchter ernannt wurde. Das Upper West gehört zum Tafelsilber der Signa Prime und dürfte damit auf den Markt kommen. Ein konkreter Interessent ist bislang nicht bekannt – jedenfalls nicht zur jüngsten Bewertung von 700 Mio. Euro.
Das Luxuskaufhaus in der Oxford Street und weitere Selfridges-Häuser gehörten bis November zu je 50 Prozent Signa und der thailändischen Central Group, die auch am KaDeWe in Berlin beteiligt ist. Auch diese Signa-Anteile könnten unter den Hammer kommen. Bei dem Handelsgeschäft der Selfridges-Kette wiederum, das Central und Signa gemeinsam betrieben haben, prüfen laut der „Textilwirtschaft“ offenbar der saudische Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) und der Luxusgüter-Konzern Kering, der dem französischen Milliardär Francois Pinault gehört, angeblich eine Partnerschaft für den Erwerb eines 2 Mrd. Pfund (2,34 Mrd. Euro) schweren Anteils.
Schon im Februar kündigte Sanierungsverwalter Norbert Abel den Verkauf des Park Hyatt in Wien an. Dieses gehört zur Signa Prime Assets GmbH, genau wie das benachbarte Goldene Quartier, das Gebäude des Verfassungsgerichtshof in Wien und das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck. Laut der österreichischen Zeitung „Die Presse“ soll das Luxushotel Park Hyatt auch nur mit diesen drei Immobilien im Paket verkauft werden. Das Park Hyatt zählt zu den besten Hotels der Stadt und verfügt über 146 Zimmer inklusive 42 Suiten.
Das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck, das über 56 Shops auf fünf Stockwerken und 33.000 Quadratmetern Verkaufsfläche verfügt, nannte Benko gerne sein "Gesellenstück". Das Kaufhaus wurde von seiner Signa-Gruppe bereits 2004 in weiten Teilen abgerissen und bis 2010 von Stararchitekt David Chipperfield neu gebaut. Das Kaufhaus wurde 2008 zum Politikum, weil Benko den früheren österreichischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer für Lobbyarbeit zugunsten des Projekts einspannte und fürstlich entlohnte. Jetzt soll das Kaufhaus Tyrol im Paket mit dem Park Hyatt, dem Verfassungsgerichtsgebäude und dem Goldenen Quartier verkauft werden.
Teile des österreichischen Verfassungsgerichtshofs in Wien residieren seit 2012 als Mieter in Benkos Immobilien-Reich. Das Anfang des 20. Jahrhunderts von einer Bank errichtete Gebäude, in dem auch das Bank-Austria-Kunstforum untergebracht ist, wurde extra dafür ein Jahr lang umgebaut – und dann zu unterdurchschnittlichen Preisen an den Staat vermietet. Das berichten jedenfalls mehrere österreichische Medien wie der „Standard“.
Das Goldene Quartier, René Benkos Nobelviertel in der Wiener Innenstadt, ist Teil der Signa Prime Assets GmbH – also jener Gesellschaft, zu der auch das Park Hyatt, der Verfassungsgerichtshof und das Kaufhaus Tyrol gehören. im Goldenen Quartier sind mehrere Luxusmarken zuhause – von Dior über Omega bis hin zu Armani. Schon länger hat es das Goldene Quartier schwer, weil Wien tendenziell preisbewusstere Touristen anzieht als Städte wie Mailand und Paris. Nichtsdestotrotz gilt das Goldene Quartier als Perle im Immobilien-Portfolio der Signa Prime Assets GmbH – die im besten Fall im Paket verkauft werden soll. Laut „Der Standard“ hatte daran auch die deutsche Schoeller-Gruppe Interesse, blitzte mit seinem Angebot aber in der vergangenen Woche vorerst ab. Das lag allerdings daran, dass der Gläubigerausschuss nicht genügend Entscheidungsgrundlagen gehabt habe. Nun soll weiterverhandelt werden, auch über den Preis.
Der Oberpollinger gehört zu den Luxuskaufhäusern aus dem Signa-Reich, wozu auch das Berliner KaDeWe und das Alsterhaus in Hamburg zählen. Das Handelsgeschäft der Luxuskaufhäuser, das in der ebenfalls insolventen KaDeWe Group geführt wird, ist nun formal kein Teil des aktuellen Sanierungsbeschlusses. Die Immobilie des Oberpollinger könnte allerdings verkauft werden. Der Münchener Bürgermeister Dieter Reiter (SPD) fürchtet bereits Leerstand. Die ehemalige Münchener Stadtbaurätin Christian Thalgott hat öffentlich an die Verantwortung reicher Familien appelliert. Was aus dem Oberpollinger beziehungsweise dessen Immobilie wird? Unklar. Doch ein Leerstand scheint unwahrscheinlich. An der KaDeWe-Gruppe, die Mieter im Oberpollinger ist, ist die thailändische Central Group beteiligt. Branchenkenner gehen davon aus, dass diese ihren Anteil von 50,1 Prozent aufstocken und den bisherigen Signa-Anteil übernehmen könnten. Womöglich könnte die Central Group auch Interesse an den Immobilien der Luxuskaufhausgruppe haben.
Das Handelsgeschäft im Alsterhaus in Hamburg bildet gemeinsam mit dem im KaDeWe und dem Oberpollinger die KaDeWe Group – also die Luxuskaufhäuser von René Benkos Signa-Gruppe in Deutschland. Das Gebäude selbst, ein 1912 eröffnetes Warenhaus am Jungfernstieg mit fünf Stockwerken, gehört zur Signa Prime Selection. ist. Es war von 1994 bis 2014 eine Filiale des Warenhauskonzerns Karstadt, nach der Übernahme durch Signa wurde es in die KaDeWe Group eingegliedert. Wahrscheinlich ist, dass die Alsterhaus-Immobilie in einem Paket mit den Objekten des KaDeWe und des Oberpollinger verklauft werden. Möglicherweise könnte die Central Group als bisheriger Joint-Venture-Partner von Signa bei der KaDeWe-Gruppe Interesse an einer Übernahme der Immobilien haben.
Das Carsch-Haus in Düsseldorf wird derzeit für geschätzte 55 Millionen Euro zu einem Luxus-Warenhaus umgebaut. Eigentlich sollte es im Frühjahr 2025 wiedereröffnen. Doch daraus wird nichts. Die Bagger und Baumaschinen stehen derzeit still, und mit einer Wiedereröffnung wird laut „Rheinischer Post“ nicht vor 2026 gerechnet. Das Carsh-Haus sollte das fünfte Projekt der Luxuskaufhaus-Gruppe KaDeWe werden. Entsprechend gibt es aber eine Chance, das die thailändische Central Group mit einspringt, heißt es aus Branchenkreisen. Aktuell fehle es aber noch an einem Investor, der das Projekt gemeinsam mit den „Thais“, so wurde Signa-intern über die Central Group gesprochen, stemmen will.
Eines der prominentesten Bauprojekte der Signa-Gruppe ist der Elbtower in Hamburg. Der knapp 250 Meter hohe Turm soll zum nächsten Wahrzeichen der Hansestadt werden. Der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister persönlich dafür eingesetzt – und muss nun mit ansehen, wie sich seit Monaten nichts bewegt bei dem Bauprojekt, das zur Signa Prime Selection gehört. 320 Mio. Euro sind bereits in den Elbtower geflossen, und eigentlich sind noch 630 Mio. Euro mehr fällig – mindestens. Das Problem ist, dass das Gebäude aus einer heutigen Sicht kaum noch wirtschaftlich wäre. Zu ambitioniert waren die Mieten, zu astronomisch die erhofften Wertsteigerungen. Der Ankermieter, die Hamburg Commercial Bank, ist bereits abgesprungen. Der Elbtower gilt als „keine ganz triviale Immobilie“, sagte Insolvenzverwalter Torsten Martini gegenüber dem Manager Magazin. Demnach seien nur 28 Prozent der 111.000 Quadratmeter Fläche aktuell vermietet. Darunter 4000 Quadratmeter an den Coworking-Anbieter Regus, dessen Branche aktuell akut in der Krise steckt. Helfen soll jetzt der Immobilienmakler CBRE, der im Auftrag des Verwalters einen neuen Investor für das Gebäude sucht. Immer wieder wird der aus Hamburg stammende Logistikmilliardär und Signa-Prime-Investor Klaus-Michael Kühne als potenzieller Käufer gehandelt. Zuletzt ließ er aber durchblicken, dass die Konditionen für eine Übernahme nicht passten.
Die Signa Prime Selection AG kaufte das Luxushotelhotel Bauer 2020 dem US-Hedgefonds Elliott ab und wollte es bis 2025 zu einer der „Top-Adressen der Ultra-Luxus-Hotels Venedigs“ generalsanieren. Mit 120 Zimmern, darunter 60 Suiten mit Blick auf den Canal Grande, und zahlreichen Luxus-Shops am Eingang. Während der Umbauzeit übernahm der italienische Staat bis zu 80 Prozent der Mitarbeitergehälter, Signa den Rest. Später sollte die Hotelkette Rosewood die Hotelverwaltung übernehmen. Aktuell werde tageweise weitergearbeitet, manchmal aber auch nicht, heißt es in lokalen Medien.
Aus steuerlichen Gründen werden die deutschen Immobilien von Signa Prime nun formell nicht dem Treuhänder unterstellt, de facto behält er aber über Zustimmungsrechte und über offene Forderungen der Signa Prime an ihre Untergesellschaften die Kontrolle. Bei der Gläubigerversammlung in Wien ging es nur um die Abwicklung von Signa-Immobilien, nicht um den Verkauf von Warenhausbetrieben wie die KaDeWe Group und Galeria Karstadt Kaufhof. Diese ebenfalls zur Signa-Gruppe gehörenden Handelsunternehmen sind jedoch ebenfalls insolvent und suchen nach Käufern.
Die Republik Österreich hatte bereits vorab bekannt gegeben, als einer der Gläubiger der insolventen Signa-Gesellschaften den vorgeschlagenen Sanierungsplänen nicht zustimmen zu wollen. Das sagte Wolfgang Peschorn, Präsident der österreichischen Finanzprokuratur und damit Anwalt der Republik, dem ORF Radio.