Die große Spannweite der Arbeitslosenquoten in den europäischen Volkswirtschaften belegt die unterschiedliche Widerstandsfähigkeit der nationalen Arbeitsmärkte gegenüber den Konjunktureinbrüchen im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die standardisierten Arbeitslosenquoten belaufen sich in Griechenland und Spanien auf rund 25 Prozent, in Deutschland und Österreich hingegen auf etwa fünf Prozent.
Diese Divergenzen sind nicht allein den verschiedenen Konjunkturentwicklungen geschuldet, sondern weisen zudem auf länderspezifische Besonderheiten bei den institutionellen Rahmenbedingungen hin, nicht zuletzt im Hinblick auf das Regelwerk des Arbeitsmarkts. Die Beispiele liegen auf der Hand. In Italien herrschen sehr hohe Entlassungshürden, welche Unternehmen vor Neueinstellungen zurückschrecken lassen. Frankreichs Schwierigkeiten liegen unter anderem an hohen Lohnstückkosten, welche die internationale Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen beeinträchtigen. Die jeweilige nationale Politik steht daher vor der Herausforderung, die spezifischen Unzulänglichkeiten beherzt zu beseitigen.
Jugendarbeitslosigkeit hinterlässt Narben
Besonders erschreckend ist die extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit insbesondere in Südeuropa. Die Arbeitslosenquoten für Jugendliche im Alter unter 25 Jahren betragen in Griechenland und Spanien über 50 Prozent, in Italien und Portugal knapp 40 Prozent. Daraus folgt zwar nicht, jeder zweite griechische oder spanische Jugendliche sei arbeitslos. Denn viele Jugendliche befinden sich noch oder wieder im Schul- und Ausbildungssystem. Abgesehen davon, dass Jugendliche dort nur deshalb im Bildungssystem verharren, weil ihnen der Arbeitsmarkt kaum Chancen bietet, wären die Jugendarbeitslosenquoten selbst bei einer entsprechenden Korrektur nach wie vor bedrückend.
Jugendarbeitslosigkeit ist ein noch schwerwiegenderes Problem als die Beschäftigungslosigkeit Erwachsener. Zum einen ist nach aller Erfahrung Jugendarbeitslosigkeit keine Wunde, die später rasch verheilt, sondern sie hinterlässt hässliche Narben für das gesamte Erwerbsleben in Form verringerter Arbeitsplatz- und Einkommenschancen. Diese bittere Erkenntnis resultiert aus empirischen Studien zur Jugendarbeitslosigkeit bereits Anfang der 1980er Jahre. Damals stieg in Westdeutschland die Arbeitslosenquote Jugendlicher auf über neun Prozent. Sie lag schon seit Mitte der siebziger Jahre, obschon niedriger, stets oberhalb der Arbeitslosenquote Erwachsener. Mit anderen Worten, jugendliche Arbeitslose sind oftmals ein Leben lang stigmatisiert.
Zum anderen bürdet Jugendarbeitslosigkeit der Gesellschaft besonders gravierende Lasten auf. Wertvolles (potenzielles) Humankapital bleibt ungenutzt und entwertet sich. Stattdessen entstehen jahrzehntelang Kosten aufgrund von Unterstützungszahlungen, nicht zu reden von sozialen Spannungen oder gar vermehrter Kriminalität.
Tatkräftige Hilfe für jugendliche Arbeitslose
Diese Aspekte verdeutlichen den außerordentlich dringenden Handlungsbedarf zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Das ist leichter gesagt als getan, weil höchst schwierig, zeitraubend und teuer. Nicht nur muss es darum gehen, künftige Jugendarbeitslosigkeit so weit wie möglich zu vermeiden, sondern außerdem bedürfen die derzeitigen jugendlichen Arbeitslosen tatkräftiger Hilfe.
Eine gute Schul- und Berufsausbildung stellt nach wie vor die beste, wenngleich nicht perfekte Versicherung gegen Arbeitslosigkeit dar. Der Schutz ist nicht vollkommen, wie die bereits erwähnten Erfahrungen in Westdeutschland zeigen, denn bereits damals gab es hierzulande ein ausgebautes Berufsausbildungssystem. Trotzdem kann das deutsche duale Ausbildungssystem durchaus als Orientierungshilfe dienen. Der Aufbau in den zur Rede stehenden Ländern kostet indes sehr viel Zeit. Wünschenswert wären hauptsächlich Ausbildungsplätze im privaten Sektor, aber, wenn es nicht anders geht, vorläufig in größerem Umfang ebenso in staatlichen Einrichtungen. Österreich hat mit einer diesbezüglichen „Jugendgarantie“ anscheinend gute Erfahrungen gemacht, dieses Modell soll dem Vernehmen nach Eingang in die Jugendbeschäftigungsinitiative der EU finden.
Diese eher längerfristigen Perspektiven helfen den Jugendlichen in der Zukunft, jedoch weniger den derzeit Betroffenen. Für sie sind angesichts der Dramatik auch unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen oder zu verstärken, trotz einer Reihe berechtigter Bedenken. Lohnsubventionen an Unternehmen können helfen, jugendlichen Arbeitslosen eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz anzubieten, wobei sich Mitnahmeeffekte kaum ganz vermeiden lassen. Zudem sollten Länder mit einer wesentlich günstigeren Arbeitsmarktsituation wie etwa Deutschland ihre Anstrengungen intensivieren, die Arbeitsmigration reibungsloser zu gestalten, bei allen verständlichen Vorbehalten bezüglich des Problems der Abwanderung qualifizierter Fachkräfte aus den Herkunftsländern.