Andreas Buschmeier(Foto) ist promovierter Volkswirt und Professor an der BA Fulda. Seit 2003 unterstützt er mit buschmeier-consulting Unternehmen bei ihrer Finanzkommunikation und ihrem Rating. Außerdem war er als Berater der europäischen Bankaufsichtsbehörden und der Bundesregierung tätig. Er betreibt den Blog "All about Banking". Björn Sänger ist Unternehmensberater. Von 2009 bis 2013 war er FDP-Bundestagsabgeordneter.
Niedrige Zinsen, schrumpfende Erträge und hohe Kosten durch die Präsenz in der Fläche – die Sparkassen sehen sich vielfältigen Herausforderungen gegenüber. Ihnen bleibt ein schmales Zeitfenster, um die Institute und die Organisation zukunftsfest zu machen. Sonst werden aus den Herausforderungen Probleme.
Betrachten wir zunächst die Ausgangslage. Im momentanen wirtschaftlichen Umfeld stellt sich die Lage für regionale Retailbanken wie die Sparkassen derzeit wie folgt dar:
Niedrigzinsphase
Die seit geraumer Zeit anhaltende und sicherlich mittelfristig nicht endende Niedrigzinsphase drückt erheblich auf die Zinsmarge. Unterschiedliche Studien gehen von einem Rückgang der Zinsmarge um 40 Prozent aus. Bedingt durch die Festzinskultur der Deutschen wird der Höhepunkt des Niedergangs erst verzögert – in etwa fünf bis sieben Jahren – in die Bilanzen durchschlagen, dann allerdings auch länger anhalten. Das gilt auch, wenn die Zinsen zwischenzeitlich wieder ansteigen sollten, da sich die Kreditnehmer die niedrigen Zinsen zum Teil über Jahrzehnte sichern. Diese Situation birgt ein enormes Risiko, da die Refinanzierung über die Passivseite tendenziell kurzfristig stattfindet.
Passivüberhang
Im Zuge der Finanzkrise wurden die regionalen Institute als sicherer Hafen für die eigenen Ersparnisse wiederentdeckt. Vielen Kunden geht Sicherheit vor Rendite, so dass den Instituten Einlagen en masse zur Verfügung stehen, die einem Anlagedruck unterliegen.
Zurückgehende Erträge
Die zu erwartenden Einbußen bei der Zinsmarge können über andere Erträge nicht ausgeglichen werden. Unterschiedliche Studien gehen von einem nicht unerheblichen Rückgang pro Kunde aus, zumal sich regionale Retailbanken insbesondere Sparkassen, sehr schwer damit tun, das Ertragspotential ihrer Kunden auszuschöpfen. Aufgrund des starken Wettbewerbs im deutschen Bankenmarkt lassen sich Gebühren nicht durchsetzen, die für eine kostenneutrale Kontoführung notwendig wären.
Die Kunden binden sich über die Kontoverbindung in der Regel schon als Jugendliche an die örtliche Sparkasse und halten die Kontoverbindung auch dann aufrecht, wenn sie beispielsweise zum Studieren oder Arbeiten den Wohnort wechseln. Dank der Online-Möglichkeiten beim Geldverkehr stellt dies auch kein Problem dar. Die interessanten und ertragreichen Geschäfte werden dann aber von Dritten, etwa Finanzdienstleistern, mit diesen Kunden gemacht.
Große Präsenz in der Fläche
Traditionell sind die Sparkassen in der Fläche mit Filialen und Geldautomaten sehr stark vertreten, was sehr hohe Kosten verursacht. Aufgrund ihrer eigenen Marktpositionierung und des von ihnen aufgebauten Images wird dies auch von Kunden, (Kommunal-)Politik und Gesellschaft von ihnen erwartet. Unterschiedliche Kundenbefragungen zeigen, dass die deutliche Mehrheit eine Filiale vor Ort wünscht. Allerdings kann man, wenn man das „finanzielle Leben“ des durchschnittlichen Kunden analysiert, davon ausgehen, dass es lediglich wenige Anlässe gibt, bei denen der Kunde tatsächlich eine Filiale zwecks intensiver Beratung aufsuchen muss. Die demografische Entwicklung wird dafür sorgen, dass Bankkunden zukünftig hauptsächlich über das Internet ihre Bankgeschäfte tätigen und Filialen immer weniger benötigen. Hinzu kommt, dass der Regulierungsrahmen nicht mehr jede Form der Beratung flächendeckend erlaubt.
Regulierung
Die unter Basel III erfolgte Regulierung macht das traditionelle Geschäft regionaler Retailbanken tendenziell unattraktiver. Gleichzeitig sorgt der angezogene Regulierungsrahmen dafür, dass sich beratungsintensives Geschäft in der Fläche nicht mehr lohnt. Die durch die Regulierung verursachten Fixkosten sind gemessen am Geschäftsvolumen sehr hoch. Diese Situation wird sich nicht verbessern. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die zukünftigen Regulierungsmaßnahmen das Wirtschaften noch weiter erschweren.
Ob die provisionsgestützte Beratung auch mittelfristig Bestand haben wird, ist unklar. Betrachtet man die Diskussionen auf europäischer Ebene, so ist eher davon auszugehen, dass es zu weiteren Eingriffen in dieses Geschäftsmodell kommen wird. Auf der Ebene des Baseler Ausschusses wird darüber diskutiert, auch Mittelstandskredite mit höherem Eigenkapital zu unterlegen.
Die zu erwartenden Ausfälle bei der Hypo Alpe Adria haben zu der Frage geführt, welchen Wert eine staatliche Garantie tatsächlich hat. Ebenso wird die Notlage des griechischen Staates dazu führen, dass die Diskussion in Politik und Aufsichtsbehörden beziehungsweise im Baseler Ausschuss über die Frage, wie mit Staatsanleihen und deren Nullgewichtung beim Risiko umzugehen ist, an Fahrt gewinnen. Eine Stabilität des internationalen Finanzsystems erscheint unter den gegenwärtigen Eindrücken nur möglich, wenn die jeweiligen Anleihen risikoadjustiert mit Kapital unterlegt werden.
Das bedeutet, dass nicht nur die internationalen Anleihen entsprechend ihrem Rating mit Kapital unterlegt werden müssen, auch für regionale oder kommunale Schuldner wird man ein Rating durchführen, das heißt die bisherige „Bewertungsgemeinschaft Bundesrepublik Deutschland“ wird es in dieser Form nicht mehr geben. Für die regionalen Retailbanken, besonders die Sparkassen, die traditionell der größte Kreditgeber der Kommunen in ihrem Geschäftsgebiet sind, wird dies angesichts der finanziellen Lage in den Kommunen bedeuten, erhebliche Eigenkapitalmittel zu binden, die nicht sofort refinanziert werden können.
Was ist zu tun?
Das Zeitfenster von etwa fünf Jahren muss genutzt werden, um die Institute zukunftsfest zu machen. Das gilt auch, wenn die Bilanz derzeit noch gut aussieht. Reine Kostensenkungsmaßnahmen werden nicht ausreichen, es müssen gleichzeitig neue Ertragsquellen erschlossen werden. Die gute Positionierung der Sparkassen, das positive Image und der Vertrauensvorschuss in der Bevölkerung können hierbei genutzt werden. Um die Sparkassen zukunftssicher zu machen, muss man sich jedoch von alten Denk- und Handlungsmustern lösen und neue, innovative Ansätze zulassen – ein „Weiter so“ ist unmöglich.
Die schwerfällige Organisation, unterschiedlichen Zuständigkeiten und politische Einflussnahme und Erwartungen werden diesen Prozess erschweren. Es muss jedoch darum gehen, die positiven Werte der Sparkassen zu erhalten und das System den geänderten Gegebenheiten anzupassen. Ohne tiefgreifende Änderungen ist die Sparkassenorganisation nicht zukunftsfähig. Insoweit muss die Frage gestellt werden, wie die Filiale der Zukunft – gerade auch im ländlichen Raum – aussehen sollte. Wie kommuniziert das Institut mit dem Kunden, wie kann der Kunde und wie will der Kunde das Institut erreichen? Welche Bankgeschäfte werden auf welchen Wegen erledigt?
Neben Kostensenkungen und Erschließung neuer Ertragsquellen muss auch die Bilanz im Hinblick auf eventuelle Änderungen, die sich aus den Regulierungsmaßnahmen ergeben, zukunftsfest gemacht werden.
Die Sparkassen stehen vor gravierenden Umwälzungen, die bei allen Stakeholdern Widerstände hervorrufen werden. Um Sparkassen als wünschenswertes Gegenmodell zu den Großbanken zu erhalten, sind sie unumgänglich. Und sofern alle Sparkassen, Sparkassenverbände, Kommunen und Bundesländer zusammenarbeiten, kann der Fortbestand der Sparkassenorganisation gesichert werden.