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Kolumne Die Schuldenuhr von Bahnchef Grube

Die künftige Bundesregierung hat keine großen Reformen, aber die kleinen verkauft sie ganz groß: Die Boni der Bahn-Vorstände werden an die Pünktlichkeit der Züge geknüpft. Von Jenny von Zepelin
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Jenny von Zepelin (ehem. Genger ) schreibt jeden Donnerstag an dieser Stelle über Unternehmensführung, Netzwerke und Karrierethemen

Wenn Sie demnächst mit der Bahn fahren und die eventuell Verspätung haben sollte, dann können Sie voller Genugtuung sagen: „Ich habe meinen Termin verpasst, aber dafür muss Grube bluten.“ Dafür, so lernen wir jetzt, will die künftige Regierung nämlich sorgen. „Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit müssen Markenzeichen der Bahn sein“, heißt es im Koalitionsvertrag. Und daran würden die Boni der Vorstände rund um Konzernchef Rüdiger Grube gekoppelt. „Nie war mehr Anfang als jetzt“, titelt die Süddeutsche Zeitung und führt zuvorderst diese Pünktlichkeitsoffensive als ermutigendes Signal auf.

Ich liebe es zwar auch, aber bevor Sie jetzt anfangen mit Modellrechnungen, in denen jede Verspätung von über fünf Minuten mit sagen wir mal 50 Cent Einbußen beim Bonus berechnet werden und bevor Sie das hochrechnen auf die 26 Prozent Verspätung (abgeleitet aus der Pünktlichkeitsrate von 74 Prozent), die die Bahn in diesem Jahr schon zu verzeichnen hat und Sie das wiederum auf die rund 33.000 täglich verkehrenden DB-Zügen überschlagen..... Lassen Sie das. Das wäre einfach zu konkret und würde am Ende bedeuten, dass Grube und seine Kollegen ihre kurzfristigen Boni, die zuletzt zwischen 0,5 und 1,2 Mio. Euro lagen, ruckzuck verspielt hätten und eigentlich auch ihr Fixgehalt noch zum Abstottern der Restverspätungsrate oben drauf legen müssten.

Das können Sie natürlich genau so vergessen wie Ticketpreissenkungen. Und auch Grube fühlt sich nicht allzu sehr herausgefordert, sonst hätte er nicht schon vor wenigen Tagen gesagt, dass er die Idee der Koalition „klasse“ findet. Jubel beim Bahnchef über das notorische Eingreifen des staatlichen Gesellschafters? Beim heiligen Mehdorn, da kann doch was nicht stimmen.

Dicke Mogelpackung

Wohl war. Dieser nicht unscheinbar schmale Passus, den die Verkehrspolitiker als Plan unserer künftigen Regierung für die kommende Legislaturperiode verkaufen, ist das Papier und den digitalen Speicherplatz nicht wert, den es verschwendet.

Wir erinnern uns noch an das Vorhaben der letzten GroKo vor ein paar Jahren: Die hatte sich noch den Börsengang der Bahn zugemutet. Ein wahrhaft großer Plan, der letztlich scheiterte. Daraufhin hatte sich die vollmundig privatisierungsfordernde FDP in der schwarz-gelben Koalition dann schon auf eine schrittweise Teilprivatisierung herunterdimmen lassen. Selbst daraus wurde nichts.

Sage keiner, unsere Politikvertreter seien nicht lernfähig. An Börsengang, Privatisierung, Trennung von Netz und Betrieb, an all die großen Reformvorhaben wagt sich keiner mehr ran. Stattdessen soll der letzte verbliebene Staatskoloss nun auf Kundenzufriedenheit getrimmt werden. Klingt ja wie bei Apple. Und das nun per scharfem Regierungsdekret: „Dazu werden wir das Steuerungskonzept für die DB AG unter Berücksichtigung des Aktienrechts überarbeiten“, heißt es im Koalitionspapier.

Boni werden sinken

Was genau die Regierung da unter höchstem Einsatz in den kommenden Jahren überarbeiten will, bleibt schleierhaft. Denn die „klasse“ Idee, die Vorstands-Boni an die Kundenzufriedenheit (und - nicht minder relevant – auch noch an die Mitarbeiterzufriedenheit) zu knüpfen, hatte der Bahn-Aufsichtsrat bereits Anfang vergangenen Jahres. Für 2012 waren die Gehaltsmodalitäten der fünf Vorstände da schon längst ausgehandelt; aber für 2013 müsste der Glücksparameter schon in die Berechnung eingeflossensein und just jetzt zum Jahresende für die Managersaläre bilanziert werden. Darüber dürfte dann spätestens im kommenden Frühjahr im Geschäftsbericht Rechenschaft abgelegt werden. Und es wird keine Überraschung sein, dass die Boni von Grube und seinen Kollegen sinken werden, nach den Verspätungsrekorden, die Hochwasser, Stellwerkengpässe und sonstige Widrigkeiten eingebracht haben.

Nur ist das dann mitnichten ein erster Erfolg der neuen Regierung. Auch wenn sich das sehr schön verkaufen lassen würde: „Seht her, zackzack, die Boni werden gekappt.“

Wenn die Regierung wirklich ambitioniert an das Thema herangehen und ein Exempel für die deutsche Wirtschaft statuieren wollte, dann müsste sie es schon wagen, sehr konkrete Boni-Richtlinie zu manifestieren: 25 Prozent Verspätungsrate = 25 Prozent weniger Bonusanteil.

An dem Gedanken könnte sich wahrscheinlich mancher Bahn-Kunde erwärmen, der in diesen Tagen schlotternd am Gleis auf seinen Zug wartet.

E-Mail: zepelin.jenny@capital.de

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