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Kolumne Die sanften Ruhekissen der Chefs

Viele Dax-Konzerne statten ihre Vorstände mit zu langen Verträgen aus. Gute Unternehmensführung sähe anders aus. Von Bernd Ziesemer
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Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

Peter Terium, der Vorstandsvorsitzende von RWE, kann beim Grabenkrieg in seinem Konzern entspannt bleiben. Zwar geht es bei dem jetzigen Machtkampf schon lange nicht mehr um die Bestellung des nächsten Aufsichtsratsvorsitzenden allein, sondern auch um seinen eigenen Kopf. Aber persönlich liegt Terium auf der sicheren Seite: Sein Vertrag läuft bis 2021.

Ähnlich bei der Deutschen Bank: Eine neue Strategie fehlt, die alten Probleme bleiben, die Aktionäre leiden und die Beschäftigen fürchten um ihre Jobs. Nur einer kann sich beruhigt zurücklehnen: Der neue Vorstandschef John Cryan besitzt mit seinem schönen Fünf-Jahres-Vertrag mehr finanzielle Sicherheit als jeder andere „Stakeholder“ des größten deutschen Kreditinstituts.

Ob beim Chemieriesen BASF, beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp oder bei der Pharmafirma Stada: Die Chefs deutscher Großunternehmen richten ihren ganz persönlichen Blick weit, weit nach vorn auf das Jahr 2020 oder 2021. Zwar legt Paragraf 84 des deutschen Aktiengesetzes fest, die Konzerne sollten ihre Vorstände auf „höchstens“ fünf Jahre bestellen. In der Praxis aber ist daraus nicht die Ausnahme, sondern die Regel geworden: Wer keinen Fünf-Jahres-Vertrag erhält, gilt in den Chefetagen als Verlierer. So war es beispielsweise bei Daimler, wo Dieter Zetsche 2013 nur eine dreijährige Verlängerung bekam. Die „Süddeutsche Zeitung“ kommentierte daraufhin, der Konzernchef sei nach dieser Demütigung „empfindlich geschwächt“.

Vorstände pochen auf Fünf-Jahres-Verträge

Doch eigentlich sollte in schnelllebigen Zeiten ein Vertrag für drei Jahre ausreichen. Die Vorstände deutscher Konzerne betonen oft und gern, wie schwer sich heute die Entwicklung ihrer Unternehmen auf mittlere oder längere Sicht prognostizieren lasse. Sie selbst aber pochen auf Fünf-Jahres-Verträge. Und willfährige Aufsichtsräte gestehen sie ihnen diskussionslos zu. Mit den Grundsätzen guter Unternehmensführung kann man dieses Vorgehen nur schwer vereinbaren.

Beispiel RWE: Die frühzeitige Verlängerung des Terium-Vertrags um fünf Jahre begründete der bisherige Aufsichtsratschef Manfred Schneider mit den unsicheren Zeiten im Konzern und mit der Notwendigkeit, wenigstens im Vorstand für Kontinuität zu sorgen, wenn es schon im Aufsichtsrat zu einem altersbedingten Wechsel im Vorsitz kommt. Aber wird nicht gerade umgekehrt ein Schuh daraus: Sollte es nicht das Vorrecht eines neu zusammengesetzten Aufsichtsrats sein, über die wichtigste Personalie der nächsten Jahre zu entscheiden? Und sollte der Vorstand in einem Konzern, der sich so schlecht entwickelt wie RWE in den letzten Jahren, nicht unter verschärfter Beobachtung und etwas mehr Druck stehen? Wer weiß, ob es RWE in fünf Jahren überhaupt noch gibt, wenn Teriums Vertrag ausläuft.

Weitere Kolumnen von Bernd Ziesemer: VW-Konzern ohne Kontrolle, Vabanquespiel der Versorger, Abschied der Schönwettermanager, Wilde Kinderschar der Konzerne, Die neue BASF und Die Wegseher der Deutschen Bank

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