Am 10. Februar 2010 titelte die inzwischen eingestellte Financial Times Deutschland: „Die Bundesregierung bereitet ein Hilfspaket für Griechenland vor.“ Die Geschichte beschrieb detailliert die Grundzüge der geplanten Milliardenhilfen und zitierte eingeweihte Akteure. Dennoch wurde die Meldung umgehend von allen Seiten dementiert. „Völlig abwegig“, hieß es damals, oder „aus dem Zusammenhang gerissen“. Keine drei Monate später flossen die Milliarden, genau wie vorhergesagt.
Was das mit den aktuellen Meldungen rund um die Deutsche Bank zu tun hat? Eine ganze Menge. Seit Tagen halten sich Gerüchte, die Bundesregierung arbeite auf die eine oder andere Weise an einem Rettungsplan für Deutschlands größtes Geldhaus. Erst meldete der „Focus“ am Wochenende, Vorstandschef John Cryan habe bei Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen möglicher Unterstützung vorgefühlt. Und jetzt berichtet die Wochenzeitung „Die Zeit“ über einen Notfallplan für die Deutsche Bank, mit dem sich die Regierung beschäftige.
Demnach sei die Bundesregierung bereit, die Bank zu unterstützen, sollten die Strafen aus den zahllosen Rechtsstreitigkeiten höher ausfallen als gedacht und auch eine Kapitalerhöhung nicht ausreichen, um Kapitallücken zu schließen. So könnte Berlin den Verkauf einzelner Sparten der Bank flankieren oder sich direkt an dem Institut beteiligen. Sogar ein Verstoß gegen die neuen EU-Prinzipien, wonach zu erst die Kunden und Gläubiger einer Bank bei einer Schieflage haften, werde nicht ausgeschlossen, berichtet die „Zeit“.
Die Regierung muss sich auf den Krisenfall vorbereiten
Wie schon 2010 im Fall Griechenlands hagelt es auf jede dieser Meldungen Dementis: Am Montag erklärte erst ein Regierungssprecher, Staatshilfen für die Deutsche Bank seien „kein Thema“. Und unmittelbar nach der neuerlichen Rettungsplan-Meldung, verkündet Deutsche Bank-Boss Cryan via „Bild“, Staatshilfen seien „für uns kein Thema“. Er habe auch nie bei Merkel vorgefühlt, ob sie sich vielleicht doch für sein Geldhaus einsetzen könne. Auch heute ließ das „Nein“ nicht lange auf sich warten – die Nachricht über einen Rettungsplan sei „falsch“, erklärte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums.
Was muss man von den Berichten beziehungsweise den Dementis halten? Die Meldungen werden stimmen. Denn es wäre töricht, wenn sich die Politik nicht auf den Krisenfall vorbereiten würde. Eine einigermaßen ordentlich geführte Regierung egal in welchem Land kann nicht wochen- oder gar monatelang tatenlos zusehen, wie die wichtigste Bank des Landes und immer noch eine der wichtigsten der Welt angesichts immer neuer Hiobsbotschaften taumelt und schlingert. Weil das wichtigste Kapital einer Bank Vertrauen ist, muss sie parat stehen, um ein Geldhaus von der Größe der Deutschen Bank notfalls zu stabilisieren und aufzufangen. Alles andere würde bedeuten, Chaos an den Märkten, einen Ansturm auf die Banken und einen Crash der Weltwirtschaft zu riskieren. Keine Regierung kann dieses Risiko ernsthaft eingehen wollen.
Dass die Bundesregierung dafür das Prinzip der Gläubigerhaftung infrage stellt, die sie in Europa gegen großen Widerstand erst vor kurzem durchgesetzt hat, ist politisch hochnotpeinlich. Aber es zeigt vor allem, dass man in Berlin die Probleme des hiesigen Bankensektors lange Zeit unterschätzt hat. So richtig das Prinzip im Grundsatz ist, so untauglich war es nach Ansicht vieler Experten, sollte eine wirklich große Bank in Europa in Not geraten. Ein Rettungsplan für eine Bank, die Millionen Kunden einen Großteil ihrer Ersparnisse kosten würde, dürfte selbst in einem immer noch vergleichsweise stabilen politischen System wie dem deutschen gewaltige Verwerfungen auslösen. Insofern ist es gut, im Notfall auch theoretisch richtige Prinzipien fallen zu lassen. In der Krise ist leider der Regelbruch der Kern der Politik.
Nichtstun ist bei der Deutschen Bank keine Option
Und ebenso richtig ist es, alle vorab publik gewordenen Gerüchte zu dementieren – die taktische Lüge ist nicht schön, doch manchmal ist sie eben notwendig. Denn andernfalls könnten gewiefte Zocker aus den Meldungen und Gerüchten Profit schlagen. Zudem will keine Regierung zu früh den Druck aus dem Kessel lassen – zunächst soll das Management den Schlamassel selbst lösen, den es sich eingebrockt hat. Auch das ist richtig und gilt für jedes kriselnde Unternehmen. Das ändert aber nichts daran, dass man den Rettungsplan aus der Schublade ziehen können muss, wenn es wirklich nötig wird. Und genau auf den Tag X sollte jede Regierung vorbereitet sein.
So gesehen sind die Berichte über einen Rettungsplan für die Deutsche Bank sogar eine Trivialität. Nichtstun wäre verantwortungslos von der Bundesregierung – und ein Skandal! Was in der Euro-Krise für Griechenland galt, ist auch heute wieder richtig. Verglichen mit der Deutschen Bank waren Griechenlands Schulden sogar eine Petitesse.
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