Das „Ende der Naivität“ – dieser Begriff tauchte vor vier Jahren zum ersten Mal in einem Papier des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) auf. Damals ging es um China – und es dauerte noch lange, bevor auf die allgemeine Einsicht konkrete Verhaltensveränderungen der deutschen Wirtschaft folgten. Im Fall von Russland führte erst der Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 zur Korrektur eines fatalen Kurses, der Deutschland blind in eine wirtschaftliche Abhängigkeit geführt hatte. Nun ist die nächste Wende fällig – gegenüber dem Iran. Und zwar sowohl für unsere Außenpolitik als auch für unsere Außenwirtschaft.
Obwohl der Iran seit vielen Jahren mit westlichen Sanktionen aller Art belegt ist, exportierten deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr immerhin noch Waren im Gesamtwert von 1,58 Milliarden Dollar in das Land. Deutschland bleibt auch im laufenden Jahr der wichtigste Handelspartner des Mullah-Regimes in der Europäischen Union. Die bilaterale Industrie- und Handelskammer in Teheran führt 2.600 Mitglieder in ihren Listen. Die Lufthansa gehört zu den Hauptsponsoren der Vereinigung, wenn man ihrer Website glauben darf. Was besonders zu denken geben sollte: Die deutsche Industrie liefert vor allem Maschinen in den Iran, die man dort dringend für den Rüstungssektor braucht. Es wäre naiv zu glauben, dass sie dort nicht auch landen.
Warum kein kompletter Rückzug?
Seit dem bestialischen Angriff der Hamas auf Israel sollte auch der Letzte begreifen, dass der Iran der Hauptunterstützter des Terrors im ganzen Nahen Osten ist. Mit einem solchen Regime kann es keine normalen Geschäftsbeziehungen geben. Nur die Sanktionslisten für Dual-Use-Güter einzuhalten, reicht nicht. Die deutsche Industrie sollte sich ganz aus dem Land verabschieden, so wie sie sich schon vor Jahren aus Nordkorea verabschiedet hat.
Handeln muss natürlich zu allererst die deutsche Politik. Sie wollte seit Jahren beweisen, dass sie es besser kann als die USA, wenn es um den Iran geht. Nun steht sie vor dem Scherbenhaufen ihrer Strategie, das Mullah-Regime irgendwie doch noch „einzubinden“. Israel hat seit langem vor dieser Naivität gewarnt – und trägt jetzt wieder einmal die Hauptlast einer verfehlten westlichen Politik. Auch US-Präsident Joe Biden und den Tauben im State Department muss man vorwerfen, sich in Sachen Iran schwer vertan zu haben. Nach dem Terror der Hamas, einer seit Jahren von den Mullahs in Teheran aufgepäppelten Kriegsorganisation, ist das Atomabkommen mit dem Iran endgültig tot.
Die deutsche Industrie sollte sich aber nicht aus der eigenen Verantwortung herausreden – um des eigenen guten Rufs willen. Wenn sich die ersten deutschen Bauteile in Hamas-Raketen nachweisen lassen, so wie in den russischen Raketen im Krieg gegen die Ukraine bereits vor Monaten geschehen, dann ist es zu spät. Für ein Land, das Solidarität mit Israel zur „Staatsräson“ erklärt hat, gibt es dann keine Entschuldigungen mehr. Keine.