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Kommentar Deutsche Bank hat Corona-Stresstest noch vor sich

Symbolbild: Deutsche Bank
Symbolbild: Deutsche Bank
© Alex Kraus / Getty Images
Die Deutsche Bank überrascht mit einem furios guten ersten Quartal, ihr Aktienkurs schießt in die Höhe. Doch die drei Erfolgsfaktoren zum Jahresauftakt lassen sich nicht einfach wiederholen, dem Haus steht der eigentliche Corona-Stresstest noch bevor

Während die letzten verbliebenen Berufspendler in Frankfurt sich auf die Maskenpflicht im öffentliche Nahverkehr eingestellt haben, sorgte die Deutsche Bank für eine faustdicke Überraschung: Inmitten der Corona-Krise vermeldete das Institut in der Nacht zu Montag einen unerwarteten Gewinn für das erste Quartal. Eigentlich sollten diese Zahlen erst am Mittwoch veröffentlicht werden, doch so gute Nachrichten behält niemand gern für sich, zumal es auch regulatorische Veröffentlichungspflichten gibt. Die Börse feierte die Zwischenbilanz, die Aktie legte zeitweilig fast zehn Prozent zu auf 6,14 Euro zu. Das zog auch die Titel von Konkurrenten wie Commerzbank oder ING mit, die sich um fünf bzw. drei Prozent verteuerten.

Zunächst also einmal ein Blick auf die vorläufigen Zahlen: Die Bank meldet für Januar bis März einen Gewinn vor Steuern von 206 Millionen Euro. Von der Bank selbst befragte Analysten hatten hingegen im Schnitt einen Verlust von 269 Millionen Euro erwartet. Nach Steuern verdiente der Konzern 66 Millionen Euro. “Wir sind sehr zufrieden, dass die Ergebnisse für das erste Quartal unsere Fortschritte beim Umbau unserer Bank, die operative Stärke unseres Geschäfts und unsere Widerstandskraft bestätigen”, kommentierte Konzernchef Christian Sewing. Auch bei den Erträgen schlug sich die Deutsche Bank besser als erwartet: Sie verbuchte im ersten Quartal Einnahmen von 6,4 Milliarden Euro, Analysten hatten im Schnitt lediglich mit 5,7 Milliarden gerechnet.

Für das unerwartet erfolgreiche Quartal gibt es vermutlich drei Gründe. Doch diese Effekte dürften sich nicht lange fortsetzen lassen.

Die Ursachen des guten Jahresbeginns

Um das zu verstehen, ist es zunächst sinnvoll, einen Blick auf die Zeit vor der Corona-Krise zu werfen, denn diese hat im ersten Quartal vor allem den März betroffen. Im Januar und Februar lief das Geschäft hingegen noch recht normal. Inzwischen veröffentlichte Konjunkturdaten wie Auftragseingänge und Industrieprodukten zeigten, dass die deutsche Wirtschaft sehr stark ins Jahr gestartet ist, bevor die Corona-Vollbremsung kam. Es liegt nahe, dass die Deutsche Bank von dem starken Jahresstart ihrer wichtigen Industrie-Kunden ebenfalls profitiert hat und die jetzt veröffentlichten Zahlen auch ein Spiegel der ersten beiden Monate und weniger des März sind. Vorstandschef Sewing trat zum Jahreswechsel jedenfalls mit sehr viel Selbstbewusstsein auf, und die Bank peilte intern einen Kurs von 11 bis 12 Euro für die Aktie an. Bis in den Februar bestätigte sich der Optimismus, zur Monatsmitte lag der Kurs zeitweilig über zehn Euro.

Mit den vorläufigen Zahlen kündigte die Deutsche Bank nun auch an, die Kreditvergabe an Unternehmen ausweiten zu wollen. Dies deckt sich mit dem Mantra der Branche in Deutschland zu den Corona-Folgen: „Wir sind die Lösung, nicht das Problem.“ Doch mehr Kredite in konjunkturell schwierigen Zeiten zu vergeben, erhöht eben auch das Risiko. Und das führt zum zweiten Grund für das gute erste Quartal. Denn zum einen kamen die Aufseher zur Hilfe, zum anderen schraubt die Bank ihre eigenen Ziele für die Absicherung ihres Geschäfts mit Eigenkapital herunter. Man werde das Ziel einer harten Kernkapitalquote von 12,5 Prozent vorrübergehend leicht unterschreiten, heißt es in der Mitteilung. Schon im ersten Quartal schrumpfte der Wert auf 12,8 von 13,6 Prozent Ende Dezember. Eine Eigenkapitalquote von 12,5 Prozent bedeutet, vereinfacht gesagt, dass jeder Euro an Geschäft mit 12,5 Cent eigenem Geld hinterlegt ist, also dem Wert der Aktien oder bestimmter eigenkapitalähnlicher Anleihen.

Die sinkende Eigenkapitalquote ist zunächst kein Grund zur Sorge, liegt sie noch immer deutlich über den Vorgaben der Aufseher von 10,4 Prozent. Vor der globalen Finanzkrise hantierten viele Banken mit Werten von 5 Prozent oder weniger.

Die Deutsche Bank profitiert wie andere Häuser auch davon, dass die Aufseher in Reaktion auf die Krise jüngst eine Reihe von Erleichterungen erlaubt haben. Die Institute können nun beispielsweise für den Notfall gebildete Puffer nutzen. Die Deutsche Bank muss deshalb nur noch jene Mindestkapitalquote von 10,4 Prozent erfüllen, zuvor lag die Vorgabe noch bei 11,6 Prozent. Das freiwerdende Kapital kann die Bank, wenn sie will, für mehr Kredite verwenden. Zu diesem Punkt dürften Analysten am Mittwoch bei der für sie anberaumten Konferenz genauestens nachfragen. Medienberichten zufolge haben die Banken bei der Kreditvergabe bessere Konditionen durchgesetzt, so dass die Margen steigen. Da sich offenbar auch US-Banken aus der Kreditvergabe in Europa etwas zurückgezogen haben, wie die Financial Times dieser Tage meldete, könnten Deutsche Bank und andere von mehr Kreditvergabe bei höheren Margen profitieren.

Risiken durch Kreditvergabe

Allerdings kommt dann das große Aber. Denn mehr Kreditvergabe erhöht auch die Risiken, vor allem wenn es nicht zu einer schnellen wirtschaftlichen Erholung kommt. Dann fallen mehr alte und auch neu begebene Kredite aus, während der Kapitalpuffer bereits kleiner geworden ist. „Der aktualisierte Ausblick berücksichtigt, dass die risikogewichteten Aktiva über mehrere Quartale steigen könnten, wenn die Bank ihr Kreditvolumen ausweitet, um ihre Kunden zu unterstützen“, heißt es in der Mitteilung.

Und schließlich könnte es noch einen dritten Grund für das erfolgreiche erste Quartal gegeben haben. Auch hier wird man einen genauen Blick auf die endgültigen Zahlen werfen müssen, nämlich auf die Erträge aus dem Handel. Zwar zieht sich die Deutsche Bank aus dem Aktienhandel zurück, doch im Geschäft mit Währungen und Anleihen ist das Haus global noch immer eine Macht. Die jüngsten Marktverwerfungen – in Kapitalmarktsprech: höhere Volatilität – dürften das Handelsvolumen in die Höhe getrieben haben und davon könnte auch die Deutsche Bank profitiert haben. Sobald sich die Märkte jedoch beruhigen, dürfte diese Sonderkonjunktur wieder auslaufen.

Spannend wird also der Ausblick auf das Gesamtjahr. Sowohl der gute Jahresstart, der regulatorische Rückenwind wie auch die erhöhte Handelsaktivitäten dürften sich in dieser Form nicht wiederholen lassen. Stattdessen dürften immer mehr Kunden bei der Tilgung ihrer Kredite in Schwierigkeiten geraten. Wenn für andere Branchen in Kürze die ersten Lockerungen kommen, stehen die Banken erst noch vor ihrem Corona-Stresstest.

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