Über Zerschlagung und Entflechtung des Unternehmens Deutsche Bahn AG (DB) wird seit Jahrzehnten diskutiert. Immer wieder gefordert wird sie von der Opposition, regelmäßig zurückgewiesen von der jeweiligen Regierung. Doch dieses Mal ist es anders. Da tritt nun nicht nur die CDU/CSU-Fraktion dafür ein, die Bahn zu entflechten – auch die Ampel-Regierung hat versprochen, den Bahnbetrieb grundlegend zu reformieren und das Management zu verbessern.
Betrieb und Schienennetz der DB sollen voneinander getrennt werden, die Bahn schlanker und schlagkräftiger werden. Doch wie unterscheiden sich die Vorschläge – und was bringt das alles überhaupt dem Bahnkunden?
Was wollen CDU/CSU reformieren?
Der Vorschlag klingt radikal: Die Holding der Bahn sowie ihre „unzähligen“ Beteiligungen und Töchter (740 an der Zahl) sollen aufgelöst werden, das Schienennetz soll vom Betrieb getrennt und künftig in Form einer GmbH in Staatshand liegen, heißt es in dem Positionspapier, über das die Oppositionsfraktion nächste Woche abstimmen lassen will. Mit dieser Bahnrefom 2.0 solle die Bahn schlanker und wettbewerbsfähiger werden.
Die Idee dahinter: Die DB Netz bevorzuge als hundertprozentige Tochter des DB-Konzerns bei der Vergabe von Kapazitäten zur Trassennutzung „schwerpunktmäßig“ sich selbst, also den eigenen Fern- und Regionalverkehr. Mit dieser Quersubventionierung soll dann Schluss sein, die Zugänge zum Netz fair und besser werden. All das werde Kosten sparen und den Kundenservice verbessern. Die neu zu schaffende staatliche Schieneninfrastruktur GmbH würde dann dem Bund unterstehen: Er bestimmt, wo auf der Schiene ausgebaut und saniert wird, die Bahn hört auf seine Weisungen. Schön, aber auch scheinheilig: Zwölf Jahre lang stellte die Union den Verkehrsminister, viel Zeit, um nichts von dem umzusetzen.
Was plant die Ampel?
Dass das Schienennetz in Deutschland alt, marode und dringend sanierungsbedürftig ist, darüber sind das Unternehmen Deutsche Bahn und der Eigentümer eins. Ein Fortschritt immerhin, denn über Jahre bescheinigte sich die Deutsche Bahn, dass ihr Netz im guten Zustand sei und hielt damit den Bund als Eigentümer „zum Narren“, sagt Christian Böttger, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin.
Die Pünktlichkeitswerte waren mäßig bis schlecht, doch am Netz lag es nie. Wichtiger war dem Bund zu Regierungszeiten von SPD und CDU/CSU, dass die DB Netz, die das Schienennetz in Ordnung halten sollte, Gewinne machte. Ab dem 1. Januar 2024 soll nun die „InfraGo“, eine neue Infrastrukturgesellschaft, Schienennetz und Bahnhöfe managen, darauf hat sich die Ampel im Koalitionsvertrag geeinigt. Statt gewinnorientiert wird die Infrastrukturgesellschaft mit dem flotten Namen gemeinwohlorientiert arbeiten. Mit Schienenwegen und Bahnhöfen muss sie vom kommenden Jahr also an keine Gewinne mehr erwirtschaften. Das klingt im ersten Moment ähnlich wie der Entflechtungsvorschlag der CDU/CSU, ist aber deutlich lahmer.
Denn die InfraGo soll unter dem Dach des DB-Konzerns angesiedelt bleiben, was die Bahn für sich nutzen dürfte. Ihr Infrastrukturchef Berthold Huber, ein Bahner der ersten Stunde, der Jahrzehnte Vorstand für Regional- und Fernverkehr war, wird versuchen auf die neue Gesellschaft durchzugreifen. Rätselhaft bleibt, warum die DB überhaupt noch einen eigenen Infrastrukturchef braucht, wenn es eine neue „unabhängige“ Gesellschaft dafür geben wird. Solange außerdem die „Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge“ zwischen DB-Konzern und der neuen Gesellschaft nicht abgeschafft sind, wird es keine unabhängige Infrastrukturgesellschaft geben. „Bisher sieht es eher nach einem Wechsel der Türschilder aus, nicht nach einem Neuanfang“, urteilt denn auch Bahnexperte Böttger.
Wer verhindert eine größere Reform?
FDP und Grüne wollten eine viel deutlichere Entflechtung des DB-Konzerns, ähnlich den Vorschlägen der CDU/CSU. Aber: Nicht zu machen mit der SPD und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG. Die EVG hält nichts von Zerschlagung und Trennung, die aus ihrer Sicht nicht zu einer Verkehrswende führen. Für sie ist ein GmbH-Modell der erste Schritt zu einer Privatisierung. Als negatives Beispiel führt die EVG dabei das Beispiel Großbritannien an, wo die Bahn nach der Privatisierung heruntergewirtschaftet wurde. Aber auch der DB-Konzern hat es sich in seinen Strukturen bequem eingerichtet. Die DB selbst spricht intern von „minimalistischen Änderungen“, die auf sie zukommen.
Wird die InfraGo-Gesellschaft überhaupt rechtzeitig an den Start gehen?
17 Monate sind seit dem Koalitionsvertrag verstrichen – und bis heute hat der Bund kein Konzept vorlegt, wie genau die InfraGo arbeiten wird. Stellen im Bundesverkehrsministerium mussten neu besetzt, eine Steuerungsgruppe eingerichtet, Berater beauftragt werden. Seit Anfang des Jahres berät nun McKinsey die Deutsche Bahn, das Verkehrsministerium leistet sich Goetzpartners aus München und SCI, ein auf Bahn- und Verkehrsprojekte spezialisiertes Beratungsunternehmen aus Hamburg. Es müssten gesellschaftsrechtliche, finanztechnische und andere rechtliche Fragen geklärt werden, bevor es losgehen kann. Peter Westenberger, Geschäftsführer der Güterbahnen, vermisst konkrete Zeitpläne, Ziele und eine bessere Steuerung aus dem Verkehrsministerium. Sonst liefe auch diese Strukturreform ins Leere sowie diverse halbherzige Versuche früherer Regierungen.
Wird das Netz besser, wenn der Staat es managt?
Es ist eine Glaubensfrage, die keiner beantworten kann. Bisher gehört die Gleisinfrastruktur in Deutschland zur Bahn-Tochter DB Netz. Mit ihren 51.000 Mitarbeitern ist sie für Betrieb und Ausbau des Netzes verantwortlich. Das finanziert das Unternehmen aus den Trassenentgelten, die die Eisenbahnunternehmen für die Nutzung der Gleise zahlen müssen. Diese Schienenmaut fällt auch für die Verkehrsunternehmen der Deutschen Bahn an. Gegner dieser Struktur kritisieren, dass die Bahn beim dringend notwendigen Ausbau der Gleisinfrastruktur durch Renditeerwägungen eingeschränkt sei.
Außerdem, so die Reformbefürworter, verhindern komplizierte Bahnstrukturen, ein aufgeblasenes Management in der DB-Zentrale, eine Organisation, in der letztlich niemand verantwortlich ist, eine effiziente Steuerung. Die Hoffnung ist, dass mehr staatliche Kontrolle und eine Zusammenlegung von Netz und Bahnhöfen Strukturen vereinfacht und den Anstoß zu einer größeren Bahnreform sein könnte.
Hilft mehr Geld dem Netz?
Dass zu wenig Geld ins Schienennetz geflossen ist, ist eine Binse. Über Jahrzehnte sind Weichen und Strecken ab- statt aufgebaut worden, wurden Stellwerke vernachlässigt, stockte der Ausbau des Netzes. 45 Mrd. Euro will die Ampel deshalb nun zusätzlich in das marode Netz stecken. Notwendig, aber eben nicht hinreichend. Denn viel Geld ist keine Garantie, dass die Qualität steigt. Entscheidend dafür ist eine bessere Steuerung und Überwachung der Infrastruktur von Seiten des Bundes.
Wie lange noch? Ob kleine oder große Bahnreform – sicher ist, dass Bahnkunden noch viele Jahre mit Verspätungen und Zugausfällen leben müssen. Denn die Bahn saniert und baut nun, was sie Jahre vernachlässigt hat. Die Frage ist nur, ob es dann wirklich besser wird.