Gastbeitrag Der Platz für Innovationen ist im Kopfregal

In der Industrie spielt das Maschinendesign eine zunehmend wichtige Rolle
In der Industrie spielt das Maschinendesign eine zunehmend wichtige Rolle
© IMAGO / Westend61
Innovationen sind wichtig: Das hat mittlerweile wohl jeder begriffen. Doch auch die beste Neuschöpfung verpufft, wenn niemand sie wahrnimmt. Jürgen Schmid über die Bedeutung von Auslösereizen für Kaufentscheidungen

Wenn Sie mich vor einem Jahr gefragt hätten, wer in seinem Markt das beste Geschäft macht, hätte ich Ihnen gesagt: immer derjenige, der die aktuellen Kundenbedürfnisse besser erfüllt als die anderen. Und das geht nicht mit Produkten von vorgestern.

Wenn Sie mich das heute fragen, würde ich das Gleiche antworten. Fast das Gleiche zumindest. Der Unterschied: Die Dringlichkeit ist exorbitant stärker geworden. In vielen Branchen sind die Märkte gerade extrem angespannt und diese Phase werden nur die Besten durchstehen.

Dass sie Innovationen brauchen, um erfolgreich zu sein, ist vielen Unternehmen inzwischen klar. Etwas anderes, entscheidendes dagegen ist ihnen verborgen: Nur „besser sein als die anderen“ allein reicht nicht, wenn keiner dieses Bessere, die Innovation, sieht.

Das Coca-Cola-Rezept

Jeder Mensch hat ungefähr elf Millionen Sinnesrezeptoren. Über die nimmt er die Welt um sich herum wahr. Allein zehn Millionen davon dienen dem Sehen. Deshalb sind visuelle Auslösereize auch die größten Impulsgeber unseres Verhaltens.

Vielleicht kennen Sie das auch: Wenn auf einem Besprechungstisch gut sichtbar Kekse stehen, greife ich über kurz oder lang zu, selbst wenn ich es nicht vorhatte oder Hunger habe. Firmen, die über den Einzelhandel gehen, machen sich diesen Effekt schon lange gezielt zunutze: Coca-Cola zum Beispiel erzielt 45 Prozent des Umsatzes mit Produkten, die in den sogenannten Kopfregalen der Supermärkte stehen, also im direkten Blickfeld des Kunden.

Handlungsentscheidungen werden über Auslösereize getriggert: je mehr davon, desto besser. Visuellen Reize wirken am stärksten, sind aber nicht die einzigen. Und das gilt bei weitem nicht nur für das spontane Zugreifen im Besprechungszimmer oder im Laden.

Deshalb lässt Sie der Autoverkäufer sein neuestes Modell nicht nur ansehen, sondern auch einsteigen, das Lenkrad in die Hand nehmen und gerne auch Probe fahren. Sie sollen den schicken Wagen auch riechen, fühlen, hören. Mit der Vielzahl der Auslösereize erhöht er die Wahrscheinlichkeit Ihrer gewünschten Wahrnehmung und damit Ihrer gewünschten (Kauf-)Handlung.

Bei Investitionsgütern ist das nicht anders: Präsenz schafft Begehrlichkeit.

Abgeräumt

Diese Präsenz erreichen Firmen, indem sie ihr Produkt mit einer ausreichenden Zahl von Auslösereizen ausstatten und seine Vorzüge damit sichtbar machen. Wie erfolgreich Sie damit auch heute sein können, zeigt das Beispiel der Firma Profilmetall, einem mittelständischen Unternehmen mit nur etwas mehr als 30 Mitarbeitern. Diese haben innerhalb von einem Jahr mit ihrer neuen Profilieranlage Xellar nicht nur den German Innovation Award und einen ersten Platz beim „Best of Industry Award“ abgeräumt, sondern auch gleich noch ihre Wettbewerber aus der ersten Reihe verdrängt. Sie haben es mit ihrem Produkt ins Kopfregal geschafft.

Erreicht haben sie es damit, dass sie ihrer innovativen Profilieranlage durch ganz verschiedene Auslösereize Präsenz verliehen haben: Transparente Abdeckungen geben den Blick auf die qualitativ hochwertige Technik darunter frei. Die Maschine ist markant in gelb statt im branchenüblichen Grau lackiert. Die Oberfläche ist angenehm anzufassen. Und nicht zuletzt kann jeder Kunde sich seine Wunschmaschine aus verschiedenen Modulen selbst konfigurieren und sich sofort ein klares Bild davon machen.

Doch Auslösereize können noch mehr.

Aufgeräumt

Auslösereize können auch Teil innovativer Zusatzfeatures sein: Beispielsweise hat diese Profiliermaschine integrierte Werkzeugschubladen, die ins Auge springen und Ordnung signalisieren. Die Schubladen sind aber nicht nur an einer optisch prominenten, sondern auch an der ergonomisch richtigen Stelle platziert. So animiert der visuelle Auslösereiz gepaart mit der bequemen Erreichbarkeit den Bediener dazu, die Werkzeuge nach Gebrauch gleich an die richtige Stelle zu räumen. Der Effekt: Das Werkzeug wird geschützt, was dessen Lebensdauer erhöht, und der nächste Bediener spart sich die zeitraubende Suche.

Mit Sichtbarkeit können Sie so den Nutzer Ihres Produkts zu einem schonenderen Umgang mit den Ressourcen und ebenso mit sich „verführen“. Wie gut das funktioniert, können Sie täglich in allen Lebensbereichen erfahren.

Eingeräumt

Ich zum Beispiel räume ein, dass ich mich im Auto manchmal erst dann anschnalle, wenn mich das aufdringliche Warnsignal dazu auffordert – was ja nur meiner eigenen Sicherheit dient. Ein anderes Beispiel: Ich muss durch das blinkende Licht an meinem Kaffeeautomat daran erinnern werden, dass ich die Maschine rechtzeitig entkalke – was ihre Lebensdauer extrem verlängert. Und Untersuchungen zeigen, dass Menschen, bei denen der Stromzähler sichtbar im Flur hängt, weniger Strom verbrauchen als solche, bei denen der Zähler im Keller montiert ist.

Wir reagieren alle unbewusst und ständig auf Auslösereize. Und es schadet nachweislich Ihrem Erfolg, wenn Sie für Ihre Innovation solche Auslösereize nicht nutzen und auf das Kopfregal sowie die Vorteile für Ihre Kunden verzichten. Wollen Sie sich das leisten?

Jürgen Schmidist ein renommierter Maschinendesigner. Er ist Erfinder des weltweit ersten Mini-Akkuschraubers und wurde vielfach ausgezeichnet für die unterschiedlichsten Projekte, von Spritzgießmaschinen für Arburg bis hin zu Autokränen für Liebherr.

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