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Kommentar Der Euro braucht eine andere Bundesbank

In dieser Woche trifft sich der EZB-Rat. Bisher spielt die Bundesbank dort eine destruktive Rolle - zum Schaden Deutschlands. Von Melvyn Krauss
Bundesbank-Chef Weidmann
Bundesbank-Chef Weidmann
© Getty Images

Es wäre ein Fehler zu glauben, dass Deutschland gegen die EZB-Leitzinssenkung im November war. Ja, die Bundesbank war gegen den Schritt, aber das andere Deutschland, das Deutschland das zählt - sicherlich mit Ausnahme der deutschen Sparer- war angeführt von Bundeskanzlerin Angela Merkel standhaft Pro-Euro. Es unterstützt die wichtigen geldpolitischen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank in der Draghi-Ära.

Vor kurzem hat sich Merkel in Berlin nicht gescheut, EZB-Präsident Mario Draghi für seine Unterstützung beim Aufbau eines Europa nach deutschen Regeln und Prinzipien zu danken, ungeachtet der Vorwürfe, Draghi habe die Zinssenkung durchgesetzt, um seinen italienischen Landsleuten zu helfen. Diese demonstrative Unterstützung war kein Zufall.

Warum ist ihr Bundesbank-Chef Jens Weidmann nicht gefolgt und warum hat er die unfairen und unzutreffenden nationalistischen Angriffe auf Draghi nicht öffentlich verurteilt?

Frustrierte Bundesbank

Melvyn Krauss
Melvyn Krauss ist emeritierter Professor für Volkswirtschaft an der New York University
© Melvyn Krauss

Weidmanns Schweigen spricht Bände. Es zeugt von einer frustrierten Bundesbank, die zunehmend bereit ist, Anti-Euro-Neid-Reaktionen zu vertreten, wenn sie sich auf der Verliererseite eines Streits wiederfindet – so als sie sich einer Klage gegen die Verfassungsmäßigkeit des OMT-Programms anschloss. Weidmann war in seiner Opposition gegen das Programm, das breiten Respekt und Anerkennung in internationalen Finanzkreisen genießt, völlig isoliert.

Es zeugt von einer Bundesbank, die es versäumt hat, ihre Lakaien außerhalb der Bank in die Schranken zu weisen, die regelmäßig die EZB und den Euro verunglimpfen. Ex-Bundesbanker mit einer strikten Voreingenommenheit gegen den Euro verbreiten an den Märkten das Gerücht, dass die gemeinsame Währung zum Scheitern verurteilt sei und die Deutsche Mark bereit stehe für eine triumphale Rückkehr.

Diese Leute sprechen von einer Nord-Süd-Spaltung im EZB-Rat. Aber ich frage Sie, ist Finnland kein nördliches Land?Es stimmte für die Zinssenkung. Ist Belgien ein nördliches oder ein südliches Land? Es hat auch für die Senkung gestimmt. Die Vorstellung von einem Nord-Süd-Spaltung im Rat ist Propaganda, die von der “Bundesbank Deutschland” in ihrer Kampagne zur Unterminierung der Glaubwürdigkeit des Euro benutzt wird.

Der wahre Riss im Rat – und der ist tatsächlich ernst zu nehmen – verläuft zwischen einer unversöhnlichen Bundesbank, die ihren Einfluss zurückgewinnen will, den sie hatte, bevor der Euro auftauchte, und fast allen anderen im Rat.

Hässliche Anti-Euro-Reaktionen

In der OMT-Frage war die Bundesbank völlig isoliert. Keine Nord-Süd-Spaltung. Bei der Zinssenkung hatte die deutsche Zentralbank mehr Unterstützer. Es gab sechs Stimmen gegen die Senkung, vier kamen von Zentralbanken aus dem Norden (einschließlich Deutschland). Allerdings erzählen mittlerweile zwei der Neinsager aus dem Norden ihren Kollegen im Vertrauen, dass sie ihr Nein bedauern.

Wer kann ihnen das verdenken? Es gab hässliche Anti-Euro, anti-italienische Reaktionen auf die Zinssenkung in Deutschland. Wer will damit schon in Verbindung gebracht werden. Tatsächlich würden heute bei einer erneuten Abstimmung mehr nördliche Zentralbanken für den Zinsschritt stimmen als dagegen. Was für eine Art Nord-Süd-Riss soll das sein?

Die Draghi-Kritiker haben ihr Blatt diesmal überreizt und eine Gegenreaktion hat eingesetzt; davon zeugt Merkels öffentliche Unterstützung für den EZB-Präsidenten. Die Gefahr für “Merkels Deutschland” besteht darin, dass die Schuld für die Exzesse und das schlechte Benehmen des “Bundesbank Deutschland” auf sie zurückfällt.

Diplomatischer Bundesbankchef gefragt

Deutschland droht für Weidmann einen hohen Preis zu bezahlen, der auf der falschen Seite der Geschichte steht. Das Ausspielen der italienischen Karte gegen den EZB-Präsidenten, weil der eine Versicherung gegen die Deflation einziehen wollte, befleckt das Ansehen aller Deutschen – und sie haben allen Anlass besorgt zu sein. Es ist nicht nur Draghi, der Euro und die EZB, die unter den skandalösen Attacken gegen die EZB leiden.

Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem es die Deutschen leid sein werden, alle großen geldpolitischen Schlachten zu verlieren. Die Bundesbank braucht einen diplomatischen Chef, der andere Ratsmitglieder mit Argumenten überzeugen und beeinflussen kann, und nicht mit Verweisen auf das Geburtsrecht und großspurigem Auftreten, dass Deutschland das stärkste Land sei und seine Stimme daher mehr Gewicht haben müsse. Das verschreckt die anderen bloß.

Eine Änderung der Einstellung bei der Bundesbank ist bitter nötig für ganz Europa, insbesondere für Deutschland.

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