Was genau passiert in einem Internetknoten wie dem De-Cix in Frankfurt?
IVO IVANOV: Am besten lässt sich das mit einem Flughafen vergleichen. Da landen die Airlines ihre Flieger und tauschen Gepäck und Passagiere aus. In einem Internet Exchange, wie wir das nennen, geschieht das Gleiche. Statt der Airlines sind dort unterschiedliche Netzbetreiber angeschlossen. Und ausgetauscht wird kein Gepäck, sondern Internet-Datenpakete.
Wer ist da angeschlossen?
Alle möglichen Unternehmen. Content-Anbieter wie Google, Netflix oder Apple, aber auch Gaming-Firmen. Es gibt sogar große Automobilkonzerne, die eigene Netze aufbauen. Andererseits natürlich auch die Netzbetreiber wie Vodafone oder Deutsche Telekom, die das Internet zu uns nach Hause oder ins Büro bringen.
Wofür brauchen die denn so einen Austauschpunkt?
Dort kann sich eine große Anzahl von Netzen anschließen und direkt miteinander Daten austauschen – statt über eine Verkettung von Netzen dazwischen. Eine solche direkte Übertragung ist sicherer und hat eine bessere Performance. Da geht es um die so genannte Latenz, die das Tempo der Übertragung misst. Also die Zeit, die zwischen einer Datenabfrage bis zu deren Lieferung vergeht. Das ist einer der wichtigsten Faktoren, mit denen wir die Qualität der Internet-Dienstleistung messen.
Warum ist der so wichtig?
Zum einen hat die Latenz eine große Bedeutung für das Erlebnis der Nutzer. Damit zum Beispiel ein Online-Spiel attraktiv für die Nutzer ist, braucht man ein Tempo von 25 Millisekunden. Zum Vergleich: Ein Wimpernschlag braucht ungefähr 99 Millisekunden. Da sieht man, welche Geschwindigkeiten erforderlich sind. Noch wichtiger wird das bei komplexeren Anwendungen wie der Steuerung von Produktionsanlagen. Da sind noch bessere Latenzen nötig. Und bei autonomen Funktionen im Auto geht es um Echtzeitreaktionen. Da brauchen wir Latenzen, die besser sind als zwei Millisekunden. Das gilt auch für viele Anwendungen der Künstlichen Intelligenz.
„Die Rechenzentren müssen möglichst breit verteilt sein“
Wie lässt sich ein solches Tempo erreichen?
Die erforderlichen Systeme müssen möglichst nah an der Anwendung sein, im Fall des autonomen Fahrens am Auto. Das heißt: Rechenzentren oder Übertragungsnetze müssen möglichst nah an den Nutzern sein.
Mit möglichst nah meinen Sie tatsächlich physische Nähe?
Ja, genau. Die Rechenzentren müssen möglichst breit verteilt sein. Im Moment haben die Ballungszentren Priorität, aber in der Zukunft wird das überall wichtig werden. Eine flächendeckende digitale Infrastruktur, bestehend aus Rechenzentren unterschiedlichster Art. Es gibt größere aber auch Mikro-Rechenzentren, die sehr nah an Mobilfunkmasten positioniert werden. Die sind so groß wie ein Schiffscontainer. Oder noch kleinere, die nur einzelne Gebäude bedienen. Dazu gehört natürlich der Ausbau von Glasfaser und anderen Übertragungstechnologien wie 5G oder 6G.
Eine Frage zur Sicherheit: Inwieweit können Internetverbindungen eigentlich wirklich ausfallen?
Das Internet ist sehr ausfallsicher, weil es aus mehr als 65.000 Teilnetzen besteht. Wenn eines ausfällt, finden die Datenpakete einen anderen Weg. Aber der Weg wird länger, was eine größere Latenz bedeutet. Und wenn sehr viele Übertragungswege auf einmal ausfallen, kann das dazu führen, dass nicht nur der Weg sehr lang wird, sondern dass so genannte Paketverluste stattfinden. Das würde bedeuten, dass man die Ausführung der Dienste tatsächlich als gestört empfindet.
Was kann eigentlich der Staat tun, um die Übertragungswege im Internet sicherer zu machen?
Der Staat hat eine tragende Rolle. Nicht zwingend als Investor, aber als derjenige, der die Rahmenbedingungen schafft, damit die Infrastruktur ausgebaut werden kann. Genehmigungsverfahren für Glasfaserstrecken, Mobilfunknetze und Rechenzentren. Wenn wir weiter in Deutschland weiterhin wirtschaftlich und gesellschaftlich prosperieren wollen, dann brauchen wir ein neues Internet. Eine neue Infrastruktur, die die Verteilung für alle sicherstellt.
Hören Sie in der neuen Folge von „Die Stunde Null“,
- weshalb der De-Cix in Frankfurt am Main ist,
- welche Datenmassen pro Sekunde den Austauschpunkt passieren,
- warum auch De-Cix von getrennten Seekabeln im Roten Meer betroffen war.
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