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Kommentar Comeback der Klimapolitik

2014 kann zum Wendepunkt für den Kampf gegen die Erderwärmung werden. Die Chancen sind besser als vor fünf Jahren. Von Michael Jacobs
Die Erderwärmung soll auf einen Anstieg um zwei Grad begrenzt werden
Die Erderwärmung soll auf einen Anstieg um zwei Grad begrenzt werden
© Getty Images

Michael Jacobs ist Berater am Institute for Sustainable Development and International Relations in Paris und Gastprofessor am Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment an der London School of Economics

Für viele Menschen auf der Erde ist das Wetter in diesem Jahr mehr als ein Small-Talk-Thema. Taifun Haiyan auf den Philippinen, die Rekordkälte in Amerika, die jahrelange Dürre in Kalifornien und die Überschwemmungen in Europa haben die langfristigen Gefahren des Klimawandels zurück auf die politische Agenda gebracht. Als Antwort hat Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon einen Brief an Regierungen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Finanzsektor geschrieben, in dem er sie auffordert an einem Sonderklimagipfel im September in New York teilzunehmen.

Es ist das erste Mal seit dem missglückten Kopenhagener Klimagipfel 2009, dass sich die Staats- und Regierungschefs der Welt treffen, um über die Erderwärmung zu beraten. Inmitten hoher Erwartungen – und darauffolgender gegenseitiger Schuldzuweisungen – scheiterte das Treffen bei dem Versuch, ein umfassendes und verbindliches Abkommen über die Reduzierung der Treibhausgasemissionen auszuhandeln. Bei dem Gipfel im September soll der diplomatische Prozess neugestartet werden. Ziel ist eine neue Übereinkunft im Jahr 2015, die den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um zwei Grad Celsius verhindern soll. Das ist der Wert, den die internationale Gemeinschaft als „gefährlich“ für die menschliche Gesellschaft ansieht.

Das sieht auf den ersten Blick nach einer schweren Aufgabe aus. Seit Kopenhagen ist der Klimawandel auf der weltweiten Agenda nach unten gerutscht, weil sich die Wiederbelebung des Wachstums, die Sorgen der Wähler um Jobs und Lebensstandard und gewaltsame Konflikte in wichtigen Brennpunkten in den Vordergrund geschoben haben.

Grund zu vorsichtigem Optimismus

Aber das Blatt könnte sich wenden. Immer mehr Menschen wird das wahre Ausmaß der Gefahren bewusst. In seiner neuesten maßgeblichen Einschätzung hat der Weltklimarat (IPCC) im letzten Jahr geschlussfolgert, dass sich die Wissenschaftler jetzt zu 95 Prozent sicher sind, dass menschliche Aktivitäten für die steigenden Temperaturen verantwortlich sind. In den nächsten zwei Monaten wird der IPCC weitere Berichte zu den menschlichen und ökonomischen Folgen des Klimawandels und den wahrscheinlichen Kosten und Nutzen der Bekämpfung freigeben. US-Außenminister John Kerry hat den Klimawandel kürzlich als „die weltweit vielleicht am meisten gefürchtete Massenvernichtungswaffe“ beschrieben und vor „einem Wendepunkt ohne Wiederkehr“ gewarnt. Nur wenige ernsthafte Kommentatoren bestreiten noch die wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Die Schlüsselfrage, die sich jetzt stellt, ist, wie die Staats- und Regierungschefs antworten werden. Es gibt Grund zu vorsichtigem Optimismus.

Erstens wird New York nicht wie Kopenhagen sein. Die Staats- und Regierungschefs müssen nicht selbst ein neues Abkommen aushandeln; diesen Job übernehmen ihre professionellen Unterhändler und die Umweltminister. Zudem wird das Verfahren nicht in diesem Jahr abgeschlossen, sondern bei der Uno-Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015. Dadurch bleibt einige Zeit für die Übersetzung der in New York getroffenen politischen Verabredungen in ein verbindliches Abkommen.

Zweitens sind die beiden größten Treibhausgas-Emittenten China und die USA heute eher bereit zu handeln als vor fünf Jahren. US-Präsident Barack Obama hat einen weitreichenden Plan verkündet, der die Umweltschutzbehörde in den nächsten Monaten ermächtigt, dramatische Maßnahmen gegen Kraftwerksemissionen zu ergreifen und praktisch die Stromerzeugung durch Kohleverfeuerung zu stoppen.

In China erwägt die Regierung wegen der zunehmenden Luftverschmutzung und der wachsenden Sorgen über die Energiesicherheit den Kohleverbrauch zu kappen und die Emissionen in den kommenden zehn bis 15 Jahren zu verringern. Die Regierung experimentiert mit Emissionspreisen und investiert in kohlenstoffarme Wind-, Solar- und Kernenergie.

Zudem arbeiten die beiden Länder aktiv zusammen. Letztes Jahr verpflichteten sich Obama und der chinesische Präsident Xi Jinping zum Ausstieg aus Fluorkohlenwasserstoffen, einem starken Treibhausgas. Im Februar teilten sie mit, in der Klimapolitik zusammenzuarbeiten – ein deutlicher Kontrast zu den chinesisch-amerikanischen Spannungen über die Sicherheit im Pazifikraum und Handelsfragen. Und weil auch die Europäisch Union an neuen Klimazielen bis zum Jahr 2030 arbeitet, steigen die Hoffnungen auf ein weltweites Abkommen.

Klimapolitik belebt die Wirtschaft

Ein dritter Grund zum Optimismus bietet die Neubewertung der ökonomischen Folgen des Klimawandels. Vor fünf Jahren wurde eine Politik zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen als Kostenbelastung der Wirtschaft angesehen. Verhandlungen waren daher ein Nullsummenspiel, wobei Länder versuchten, ihre Verpflichtungen zu minimieren und andere aufforderten mehr zu tun.

Neue Beweise können die wirtschaftliche Rechnung verändern. Nach Erkenntnissen der Weltkommission für Wirtschaft und Klima ist eine gut gestaltete Klimapolitik weit davon entfernt der Wirtschaft zu schaden, tatsächlich wird sie das Wachstum ankurbeln. Unter dem Vorsitz des früheren mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón und bestückt mit ehemaligen Ministerpräsidenten, Präsidenten und Finanzministern analysiert die Kommission, wie Investitionen in eine saubere Energie-Infrastruktur, die Produktivität der Landwirtschaft und den Stadtverkehr die träge Wirtschaft beleben können. Ihre Schlussfolgerungen werden auf dem Gipfel im September präsentiert., Falls sie akzeptiert werden, könnte die Arbeit der Kommission einen Wendepunkt markieren, und einen Wandel in der Art herbeiführen, wie Klimapolitik von der Welt der Wirtschaftspolitik wahrgenommen wird.

Ein Erfolg ist damit nicht garantiert. Mächtige Interessengruppen – nicht zuletzt die weltweit agierende fossile Brennstoffindustrie – werden zweifellos versuchen, Fortschritte zu bremsen und bei den meisten Regierungen steht das Problem noch nicht im Zentrum. Aber eins ist sicher: Die Realität des Klimawandels kann nicht ignoriert werden.

© Project Syndicate, 2014. www.project-syndicate.org

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