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Neue Studie Die große Abo-Müdigkeit

Von Netflix bis Spotify: Bei vielen Verbrauchern haben sich über die Jahre einige Abos angesammelt
Von Netflix bis Spotify: Bei vielen Verbrauchern haben sich über die Jahre einige Abos angesammelt
© Depositphotos / IMAGO
Spotify, Prime, Netflix und dazu eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio: Bei vielen Verbrauchern hat sich eine Vielzahl an Abos angesammelt – zur Freude der Anbieter. Doch vielen Kunden wird das zunehmend zu viel

Abo-Commerce – im Englischen spricht man von der „Subscription Economy“ – ist, wenn man so will, eine Art Win-Win-Win-Situation: Verbraucher bekommen ihre Produkte, ohne sie extra bestellen zu müssen; Unternehmen öffnet sich ein neuer Absatzkanal; Aktionäre schätzen vor allem die damit einhergehenden wiederkehrenden und verlässlichen Einnahmen für die Konzerne.

Seit Anfang der 2010er-Jahre hat sich das Modell in immer mehr Branchen durchgesetzt – längst geht es nicht mehr nur um die Tageszeitung oder die Mitgliedschaft im Fitnessstudio, sondern es werden auch Rasierklingen, Socken, Newsletter, Filme, Musik oder Hörbücher im Abo bezogen. Die Liste ist fast beliebig erweiterbar, insbesondere die Corona-Krise befeuerte einen Abo-Boom. Der jüngste Trend sind zahlungspflichtige Add-on-Dienste, gerade ging ein besonders absurdes Beispiel des Schweizer Haushaltsgeräteherstellers V-Zug durch die Presse: Bei einem neueren Spülmaschinenmodell kann ein Spezialprogramm für Biergläser nur genutzt werden, wenn dafür in der App ein Abo abgeschlossen wird. Kostenpunkt: 12 Franken pro Jahr.

39 Prozent der Deutschen wollen Abos reduzieren

Es kann daher auch nicht komplett überraschen, wenn sich bei vielen Verbrauchern inzwischen eine Art Abo-Müdigkeit einstellt. Eine neue repräsentative Studie des Zahlungsdienstleisters Adyen, die Capital vorab vorlag, unterstreicht diesen Trend nun: Demnach möchten immerhin 39 Prozent der Befragten ihre Online-Abonnements reduzieren. (Ein ähnlich großer Anteil hat das nicht vor, 22 Prozent gaben an, noch nie ein Online-Abo besessen zu haben.) 

Auch in den USA wurden ähnliche Effekte bereits gemessen: Laut der Analysefirma Antenna erhöhte sich hier der Anteil jener Verbraucher, die in den zwei Jahren zuvor mindestens drei Online-Abos gekündigt haben, zuletzt immer weiter – von unter zehn Prozent im Jahr 2021 auf fast 25 Prozent Ende 2023. Laut der Beratungsfirma Kearney sind auch in den USA etwa 40 Prozent der Verbraucher der Ansicht, sie hätten zu viele Abonnements abgeschlossen – weshalb die Berater bereits eine „Abo-Apokalypse“ vorausgesagt haben. 

Vor allem die hohen Inflationsraten der letzten zwei bis drei Jahre haben viele Verbraucher veranlasst, ihre Ausgaben zurückzuschrauben. Dazu kommt, dass der Nachfrageboom bei Onlinedienstleistungen, der während der Coronapandemie auch unter den Abo-Anbietern für eine Sonderkonjunktur sorgte, abgeflaut ist. 

Unternehmen investieren unverdrossen

Trotzdem, so Adyen, verfügen 80 Prozent der Haushalte in Industrieländern über mindestens ein aktives Abonnement – in Deutschland sind es mit 73 Prozent etwas weniger, aber immer noch eine große Mehrheit der Umfrageteilnehmer. Im Durchschnitt besitzen die in Deutschland Befragten drei abgeschlossene Verträge und geben für jedes Abo etwa 15 Euro aus. Für den Deutschlandteil der Studie ließ Adyen im Juni mehr als 2000 Verbraucher durch die Marktforschungsfirma Censuswide befragen.

Trotz der abnehmenden Kauflaune bei Online-Abos sehen Unternehmen offenbar weiterhin großes Potenzial in dem Modell: In einer begleitenden Umfrage unter 400 Konzernvertretern äußerten laut Adyen ganze 76 Prozent den Plan, im kommenden Jahr in Abo-Modelle zu investieren. Unter ihnen wollen 34 Prozent einen gänzlich neuen Abo-Dienst einführen, während 53 Prozent ein bestehendes Abo-Modell um neue Produktlinien und Dienstleistungen erweitern möchten. 

So herrscht beispielsweise im Online-Journalismus weiterhin die Hoffnung, dass sich Leser zu digitalen Abonnements überreden lassen – und den Anbietern so einen Ausweg aus dem volatilen und zunehmend schwächelnden Geschäft mit Reichweitenvermarktung ermöglichen. Abo-Modelle seien „ein zentraler Bestandteil des modernen Online-Einzelhandels“, sagt Hella Fuhrmann, Adyens DACH-Chefin. Sie böten „Unternehmen eine verlässliche Umsatzquelle und ermöglichen es, Kundenbeziehungen langfristig und personalisiert zu gestalten“.

Viele Abos geraten in Vergessenheit

Offenbar halten viele Verbraucher an ihren Abos aber nur deshalb fest, weil sie sie längst vergessen haben oder zu faul sind, sie zu kündigen. Zu diesem Ergebnis kam eine Forschungsarbeit des amerikanischen National Bureau of Economic Research aus dem Sommer 2023. Die Forscher untersuchten dabei, wie sich die Kündigungsraten bei zehn der größten Abo-Anbieter entwickelten, wenn ein Verbraucher wegen einer abgelaufenen oder verlorenen Kreditkarte sich gezwungen sah, neue Zahlungsdaten beim Anbieter einzugeben. Dieser Moment erwies sich demnach als Sollbruchstelle für die Kundenbeziehung: Während die Kündigungsraten normalerweise bei etwa zwei Prozent lagen, stiegen sie rund um die Neueingabe der Zahlungsdaten auf acht Prozent.

Laut dem „Wall Street Journal“ gibt es noch einen Moment, an dem sich viele Verbraucher aufraffen, ihre ungenutzten Abos endlich zu kündigen: Es ist die Zeit nach dem Jahreswechsel, wenn die guten Vorsätze fürs neue Jahr noch frisch sind. So liegen die Downloadzahlen für die App Rocket Money, mit denen man seine Abonnementausgaben verwalten kann, jedes Jahr aufs Neue in der ersten Januarwoche um ein Vielfaches höher als sonst im Jahr.

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