Wenn sich Chinas Kommunisten alle fünf Jahre zu ihrem Nationalen Volkskongress mit 3000 Abgeordneten versammeln, dann schauen westliche Beobachter vor allem auf die Personalentscheidungen, viele im Reich der Mitte selbst jedoch mindestens so interessiert auf den jeweiligen Umbau des Regierungsapparats. Xi Jinping und seine Genossen kann man mit Fug und Recht Organisationsfetischisten nennen. Welchen Kurs China einschlägt, kann man deshalb oft besser an den veränderten Machtstrukturen ablesen als an den neuen Gesichtern. So auch in der letzten Woche auf dem 14. Volkskongress in Peking.
Drei Organisationsentscheidungen fallen besonders auf: Die deutliche Aufwertung des Ministeriums für Wissenschaft und Technologie, die Schaffung einer neuen zentralen Kommission für diesen Bereich auf allerhöchster Parteiebene und die Abschaffung des traditionsreichen Büros für ausländische Experten. China beschleunigt mit diesem Umbau den globalen Wettlauf um technisches Spitzen-Know-how. Und die Führung in Peking gibt alle Hoffnungen auf, künftig noch ausländische Forscher in großer Zahl für sich gewinnen zu können. Zentralisierung, Nationalisierung und Autarkie lauten die neuen Vorgaben Xi Jinpings. Nur so kann China seiner Meinung nach im „Chipkrieg“ mit den USA bestehen.
Die Volksrepublik rechnet nicht mehr mit einem steten Fluss westlicher Technik und der Einbindung westlicher Forscher wie in der Vergangenheit und will nun alles mit sehr viel Geld selbst entwickeln. Das ist die offizielle Lesart der Dinge. Was allerdings in keinem veröffentlichten Dokument des Volkskongresses auftaucht, ist eine andere zwingende Konsequenz der neuen Linie an der Technologiefront: China dürfte seine Bemühungen deutlich verstärken, westliches Know-how illegal zu beschaffen. Deutsche Unternehmen müssen sich dafür wappnen, deutsche Sicherheitsbehörden mehr gegen die vielen Technologiespione vor der Haustür tun.
China spielt seit jeher unfair
Gerade hat die „New York Times“ mit einem detaillierten Report über einen spektakulären chinesischen Spionagefall in den USA für Aufsehen gesorgt. Der Bericht enthüllt die systematischen und über Jahre organisierten Versuche, High-Tech-Unternehmen wie (in diesem Fall) General Electric (GE) durch Kontakte zu Ingenieuren in den F+E-Abteilungen um ihr Know-how zu bringen. Einladungen zu Konferenzen in China inklusive lukrativer Honorare und Spesen gehörten dabei zum Lieblingsmittel der chinesischen Spionage. Deutsche Unternehmen haben sich in der Zusammenarbeit mit chinesischen Ämtern und Einrichtungen in der Vergangenheit sehr viel sorgloser verhalten als Konzerne aus den USA, wo seit jeher mehr Wert auf Sicherheit gelegt wird als bei uns. Jetzt sollten sie spätestens aufwachen.
Dass sich der Wettlauf um Technologien verstärkt, müssen wir nicht fürchten. Gerade auf diesem Feld kann eine freie Gesellschaft ihre kreative Überlegenheit gegenüber einem zentralisierten System ausspielen. Doch die Volksrepublik China spielt seit jeher unfair. Und das Foul-Play wird sich verstärken. Schließlich geht es für Xi Jinping um das wirtschaftliche und damit auch um das politische Überleben seines Regimes.