Gemäß der chinesischen Astrologie steht das laufende Jahr im Zeichen des Feuer-Hahns. Auch wenn dem geneigten mitteleuropäischen Leser beim Nachdenken über den feurigen Gockel negative Assoziationen näher liegen, gehen chinesische Analysten mit Blick auf die Auswirkungen für Konjunktur und Börse mit einem „Hahnjahr“ eher positiv um. Sie erwarten eine Zeit der Initiative und des persönlichen Einsatzes, der Gewissenhaftigkeit, die am Ende belohnt wird. Ein Jahr konzentrierter Arbeit und Modernisierung, mit guten Gelegenheiten für Projekte aller Art.
Unter einem solchen Sternzeichen lässt sich wahrscheinlich auch besser mit unberechenbaren amerikanischen Präsidenten verhandeln, von Gockel zu Gockel ohne den Wurm aus dem Blick zu verlieren. Nach dem Getöse im US-Wahlkampf und der betonten Zurückhaltung des offiziellen China gegenüber den Attacken kommt man mit Blick auf die letzten Wochen nicht umhin, Erkenntnisgewinne bei Donald Trumps Einschätzung der Rolle Chinas festzustellen. Keine Rede mehr von Währungsmanipulationen, dafür aber eine „bedeutende Rolle bei der Lösung des Nordkorea-Problems“. Das Leistungsbilanzdefizit gegenüber dem Reich der Mitte? Kein Thema wenn es nur gelingt den Enkel des großen Führers in Pjöngjang zu bändigen. Das hörte sich im Februar noch ganz anders an!
Öffnung des Landes für Investoren aus aller Welt
Neben vielen weltpolitischen Themen, für deren Lösung China mit seinem Sitz im Weltsicherheitsrat mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, dürfte auch die besser als erwartet verlaufende konjunkturelle Erholung Ursache gesteigerter amerikanischer Aufmerksamkeit sein. Partei und Regierung haben im laufenden 13. Fünfjahrplan erst kürzlich zur alljährlichen Konsultativkonferenz in die große Halle des Volkes eingeladen und den Stand der Bemühungen zur Transformation des Landes diskutiert.
Neben der rituellen Beweihräucherung der führenden Rolle der Partei und ihrer Führungsfiguren war dort Erstaunliches zu hören. So wurde die Öffnung des Landes für Investoren aus aller Welt proklamiert und ein Gegenentwurf zum drohenden Protektionismus à la Trump versprochen. Die Administration unterstrich die Bedeutung des wirtschaftlichen Wachstums und gab sich ungewohnt liberal. Das hat ganz pragmatische Gründe:
Zunehmend erlangt die Führung des Landes ihre Legitimation über anhaltende Wohlstandsgewinne die sich im Dunstkreis von staatlicher Planung und Lenkung einerseits aber auch wachsender marktwirtschaftlicher Elemente andererseits entwickeln. Die stimulierende Wirkung von Wettbewerb und Unternehmergeist haben die chinesischen Kommunisten längst erkannt. Nun fordern sie selbst ihre bisher in geschützten Biotopen agierenden Staatsunternehmen zu stärkeren Anstrengungen in dieser Hinsicht auf. Deren Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit soll durch eine zunehmende Öffnung einerseits aber auch schmerzhafte Anpassungen andererseits gestärkt werden.
Höhere Hürden für ausländische Unternehmen
Die Wohlstandsmehrung der vergangenen Jahre hat ganz im Sinne der führenden Kräfte für relative Ruhe im Lande gesorgt und das Modell insgesamt zunächst nicht in Frage gestellt. Auf dem erreichten Niveau stößt die Methode jedoch zunehmend an ihre Grenzen. Als Werkbank der Welt und Produzent billiger Massenware wird China auf Dauer nicht seine ehrgeizigen Ziele für die Entwicklung des Wohlstandes der eigenen Bevölkerung erfüllen können.
Die Wirtschaft insgesamt muss in den Zukunftsbranchen zulegen, globaler aufgestellt werden und innovative Produkte entwickeln. Dies lässt bereits heute in Japan, Westeuropa und den USA die Alarmglocken läuten, da China mit einem Füllhorn staatlicher Mittel Industriepolitik in diesem Sinne betreibt und den Wettbewerb verzerrt. Mehr noch, ausländische Anbieter werden diskriminiert, der Patentschutz untergraben und gezielt Aufkäufe und Beteiligungen weltweit getätigt um schneller voran zu kommen.
Im Umkehrschluss bedeutet dies für ausländische Unternehmen, die sich einen Marktzugang in China erkämpfen wollen immer höhere Hürden die oftmals nur durch Technologietransfers überwunden werden können. Ausländische Firmen fühlen sich deshalb von Jahr zu Jahr weniger willkommen im bevölkerungsreichsten Land der Welt. Vielleicht ist China bisher auch deshalb so gelassen mit den Vorhaltungen des neuen amerikanischen Präsidenten und seinen protektionistischen Drohungen umgegangen weil es selbst zunehmend protektionistisch unterwegs ist. Inoffiziell gilt schon lange die Devise Importe durch inländische Angebote zu verdrängen.
Nun sollten die Industrieländer und ihre aktuellen Weltmarktchampions angesichts von Parteiprogrammen nicht in Angst und Ehrfurcht erstarren. Ein Blick in die Historie der Weltwirtschaft zeigt, dass die von China propagierte Politik der Importsubstitution nur in seltenen Fällen zu innovativen Unternehmen geführt hat. Planwirtschaft sorgt stattdessen regelmäßig für unnötige Kapazitäten, Verschwendung und Vetternwirtschaft. Deshalb ist Einigkeit im Rahmen der internationalen Organisationen eine gute Basis dafür Xi Jinping, den Generalsekretär der Kommunistischen Partei beim Wort zu nehmen, wenn er sich auf dem letzten World Economic Forum für ein offenes und multilaterales Wirtschaftssystem ausspricht.
Frank Geilfuß ist Leiter Kapitalmärkte beim Bankhaus Löbbecke. Er schreibt auf capital.de regelmäßig über Finanzmarktthemen.
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