Der Dax hat diese Woche ein neues Allzeithoch bei gut 9800 Punkten erreicht. Der französische Index CAC 40 müsste noch um mehr als die Hälfte steigen, um seine alte Rekordmarke von knapp 7000 (aus dem Jahr 2000) einmal wieder zu übertreffen.
Zugegeben, dieser Vergleich ist nicht ganz fair, denn beim Dax werden Dividenden eingerechnet, beim CAC 40 nicht. Aber völlig zufällig ist der Unterschied auch nicht: Während die deutsche Wirtschaft derzeit brummt, kommt die französische einfach nicht in Gang. Die am Donnerstag veröffentlichten Zahlen für das erste Quartal 2014 sind für Deutschland noch besser, für Frankreich noch schlechter als erwartet: Hierzulande ein Wachstumstempo von annualisiert über drei Prozent – in Frankreich weiterhin Stagnation. Die Konsumausgaben und die Investitionen der Franzosen schrumpften zuletzt sogar.
Die politischen Folgen dieser Dauermisere werden sich in einer Woche bei der Europawahl zeigen: Umfragen sehen den rechtspopulistischen Front National der Marine Le Pen teilweise schon als stärkste Partei. So oder so muss es nach dieser Wahl Entscheidungen geben: Mit welcher Strategie will Präsident Francois Hollande endlich den Aufschwung hinkriegen?
Hollandes Agendapolitik
Das industriepolitische Theater, mit dem sich seine Regierung gerade wieder einmal zum Jobretter bei internationalen Übernahmen aufschwingt, ist dafür weitgehend irrelevant.
Zum Jahresanfang hatte Hollande einen Kurswechsel Richtung „Angebotspolitik“ ausgerufen, der ihm weltweit Schlagzeilen eintrug. Vergleiche zum Agenda-Kurs Gerhard Schröders wurden gezogen, zum „tournant de la rigueur“ des Präsidenten Mitterand, der 1983 sein gescheitertes linkskeynesianisches Experiment abbrach und auf einen erfolgreichen Sparkurs einschwenkte.
Sichtbare Effekte hat diese Ankündigung aber bislang nicht gehabt, obwohl Hollande inzwischen auch einen neuen Premierminister installiert hat, Manuel Valls, der als sozialliberaler Reformer gilt.
Dass der erhoffte Vertrauensschub ausgeblieben ist, liegt zum einen schlicht daran, dass den Worten noch keine allzu großen Taten gefolgt sind. Und es auch unklar ist, was tatsächlich nach einem möglichen „Le Pen-Schock“ Ende Mai passieren wird.
Trommelfeuer von Steuererhöhungen
Selbst eine ernsthaft betriebene Angebotspolitik braucht aber auch Zeit, bis sie ihre Wirkung entfalten kann. Sie sollte außerdem möglichst durch eine robuste Nachfrage flankiert und unterstützt werden. Auch die fehlt in Frankreich.
Die Regierung Hollande hat zwar eine dezidiert linke, aber keineswegs eine keynesianische, nachfrageorientierte Politik verfolgt. Im Gegenteil: Das strukturelle, also um Konjunktureffekte bereinigte Defizit wurde spürbar gesenkt. Und zwar vor allem über die Einnahmeseite: Zur Sanierung des großzügig dimensionierten Etats wurden die Franzosen in den vergangenen Jahren mit einem ganzen Trommelfeuer von Steuererhöhungen belegt.
Eine Reformpolitik, die den Namen wirklich verdient, müsste den Staatsanteil reduzieren und könnte so auch die Abgabenlast senken. Spielraum dafür gibt es im Prinzip reichlich: In Relation zum Bruttoinlandsprodukt sind die Staatsausgaben in Frankreich mehr als zehn Prozentpunkte höher als in Deutschland.
Das große Problem ist, dass die Regierung derzeit kaum noch in der Lage ist, ihren frustrierten Bürgern irgendeine Entlastung in Aussicht zu stellen. Die miese Konjunktur sorgt für anhaltend hohe Haushaltsdefizite – und die wiederum für Ärger mit den anderen Euro-Regierungen.
Frankreich muss seine Chance nutzen
Nach den Europawahlen könnten sich hier neue Spielräume eröffnen. Die Europäische Zentralbank hat bereits signalisiert, dass sie in den nächsten Wochen (noch) mehr tun will, um das Wachstum anzukurbeln. Die deutsche Regierung dürfte sich nach der Wahl in Sachen Haushaltsdisziplin kompromissbereiter zeigen – und sei es nur, um den Aufstieg der Radikalen in ganz Europa zu bremsen.
In Italien, das wirtschaftlich noch schlechter dasteht als Frankreich und das im Sommer die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, bereitet der junge sozialdemokratische Premier Matteo Renzi eine große Reformoffensive vor. Er könnte für Paris zum strategischen Partner in Europa werden.
Eine Aufschwunggarantie ist das alles beileibe nicht. Aber es ist eine Chance - die Hollande nutzen muss, wenn er nicht völlig scheitern will.
Die Optimisten von der Société Générale annoncieren ein neues Rekordhoch des CAC 40 schon für 2016.