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Carsten Maschmeyer Keine Sorge um Start-ups: „Nach der Ölkrise kamen Microsoft und Apple“

Carsten Maschmeyer ist an mehr als 140 Unternehmen beteiligt
Carsten Maschmeyer ist an mehr als 140 Unternehmen beteiligt
© IMAGO / Future Image
Die Krise trifft auch die Start-up-Branche, besonders große Firmen investieren nur noch in profitable Start-up. Carsten Maschmeyer ist an 140 Unternehmen beteiligt. Wie schätzt er die Lage ein?

Herr Maschmeyer, steigende Zinsen, hohe Inflation, schwache Konjunktur, fallende Aktienkurse, geopolitische Spannungen. Das ist kein gutes Umfeld für Start-ups, oder?

CARSTEN MASCHMEYER: Ja, die Herausforderungen sind groß! Die Finanzierungskosten sind gestiegen. Immer mehr der großen Firmen stecken ihr Geld nur noch in solche Jung-Unternehmen, die bereits profitabel sind - zumal sie ja selbst unter der Inflation leiden. Denn teilweise halten sich ihre Kunden zurück, und immer öfter fordern Belegschaften höhere Löhne als Inflationsausgleich. Hinzu kommt: Sowohl Exits, also dass Investoren oder Gründer aussteigen und ihre Anteile verkaufen, als auch Börsengänge finden kaum noch statt. Das bekommen besonders diejenigen Start-ups zu spüren, deren Geschäftsmodell sich an private Endverbraucher richtet. Aber auch an Start-ups, die Firmenkunden im Visier haben, geht diese Krise nicht spurlos vorbei. Unternehmen achten stark auf ihre Kosten und überlegen es sich zweimal, ob sie die Dienstleistungen eines Start-ups jetzt oder doch lieber erst später nutzen wollen. Trotzdem: In jeder Krise steckt auch eine Chance. Viele Entrepreneure haben sich aus Krisen mit neuen Ideen herausgekämpft. Aus der Ölkrise in den 70er-Jahren kamen beispielsweise Microsoft, SAP und Apple hervor.

Jahrelang wurde vor allem Tech-Start-ups das Geld regelrecht hinterhergeworfen. Erlebt das Start-up-Ökosystem gerade eine Zeitenwende?

Für Möchtegern-Gründerinnen und -Gründer mit fragwürdigen Geschäftsideen gilt das bestimmt. Sie bekommen jetzt schon zur Gründung kein Geld und können gar nicht loslegen. Und Start-ups, die bereits am Markt sind, aber verlustreiche Geschäftsmodelle haben, nur auf Expansion setzen und bei denen die Profitabilität nicht in Reichweite ist, bekommen kaum noch eine Anschlussfinanzierung. Es gibt also weniger Start-up-Geburten und mehr Todesfälle.

Sie sind an mehr als 140 Start-ups beteiligt. Müssen Sie jetzt häufiger zu Krisensitzungen?

Das hält sich sehr in Grenzen. Im Wesentlichen ist die Maschmeyer Group mit ihren Fonds MGV, seed & speed und ALSTIN ja in B2B investiert, also in Geschäftsmodelle zwischen Unternehmen. Und da ist die Situation aktuell deutlich besser. In unserem Portfolio gibt es deshalb extrem positive Umsatzentwicklungen, teilweise Verdopplung und Verdreifachung - etwa beim Limousinenservice Blacklane, der Firmenkreditkarten-App Circula und der Banking-App Finanzguru. Und im vergangenen Jahr haben wir mehrere Exits zu Hochpreisen gemacht. Zugleich waren wir damals bei neuen Beteiligungen zurückhaltender. Die Bewertungen waren uns oftmals einfach zu hoch.

Was raten Sie Gründerinnen und Gründern der Firmen, an denen Sie beteiligt sind?

Es kommt jetzt besonders darauf an, Ausgaben zu reduzieren und profitabel zu werden. Also: Schluss mit Nice-to-have-Projekten. Jetzt geht es nur noch um die Must-haves! Geschäftsbeziehungen, die sich nicht rechnen, müssen beendet werden. Statt mit hohen Anlaufverlusten in immer neue Länder zu expandieren, müssen diejenigen Märkte tiefer durchdrungen werden, in denen man bereits tätig ist. Wir schärfen als Investoren das Bewusstsein dafür und geben Tipps, wie das umgesetzt werden kann.

Der Druck auf Start-ups nimmt zu, schneller profitabel zu werden und die Kosten in den Griff zu bekommen. Erhöhen auch Sie diesen Druck?

Druck ist überhaupt nicht mein Arbeitsstil. Ich möchte Hilfestellung geben auf dem Weg, profitabel zu werden - und die Einsicht vermitteln, wie wichtig das ist. Ein Vorteil ist, dass die Maschmeyer Group in viele Start-ups investiert ist und wir untereinander einen intensiven Austausch herbeiführen, damit sich Gründerinnen und Gründer von erfahreneren Kollegen, die die Situation schon erlebt haben, helfen lassen können. Und ich habe selbst als Gründer und Unternehmer auch schon einige Krisen durchlebt und überlebt. Von diesen Erfahrungen können meine Founder profitieren.

Nicht nur für Start-ups ist das Umfeld rauer geworden, auch traditionelle Unternehmen stecken in Schwierigkeiten. So hat Galeria Karstadt Kaufhof Insolvenz angemeldet. Haben Warenhäuser überhaupt noch eine Zukunft?

Das kann ich nicht ausreichend gut beurteilen. Was aber klar ist: Eigentümer René Benko ging es darum, sich die Filetstücke wie das Berliner KaDeWe unter den Nagel zu reißen oder teuer weiterzuverkaufen. Galeria Karstadt Kaufhof hat in nicht zu verantwortender Weise Staatshilfen in Höhe von fast 700 Millionen Euro bekommen. Im Gegensatz zur Lufthansa hat der Konzern die bisher nicht zurückgezahlt. Mit dem Druckmittel der Insolvenz in Eigenverwaltung soll durchgesetzt werden, noch mehr Geld zu bekommen, aber trotzdem Menschen zu entlassen und Filialen abzustoßen. Das ist schon fast Erpressung, und das Gesamtgebaren erinnert an einen Heuschrecken-Kapitalismus.

Dieser Artikel ist zuerst auf ntv.de erschienen. 

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