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Büro Schadet das Homeoffice der Karriere?

Kontrahenten: Trigema-Chef Wolfgang Grupp lehnt Homeoffice kategorisch ab, Investor Carsten Maschmeyer ist ein starker Befürworter der Heimarbeit
Kontrahenten: Trigema-Chef Wolfgang Grupp lehnt Homeoffice kategorisch ab, Investor Carsten Maschmeyer ist ein starker Befürworter der Heimarbeit
© picture alliance/Matthias Bein/dpa; IMAGO / Future Image
Die Arbeit im Homeoffice ist in vielen Branchen mittlerweile normal. Der Streit zwischen den Unternehmerpromis Wolfgang Grupp und Carsten Maschmeyer zeigt, wie kontrovers diese Entwicklung beurteilt wird. Forschungsergebnisse geben Aufschluss darüber, wer recht haben könnte

Wäsche aufhängen, das Abendessen vorbereiten oder Handwerker empfangen: Dass sich das während der Arbeit im Homeoffice wunderbar erledigen lässt, dürften viele mittlerweile selbst herausgefunden haben. Beschäftigte schätzen an der Arbeit von zu Hause, dass sie selbstbestimmter sind und ihre Zeit freier einteilen können und vor allem, dass das mittlerweile – zumindest in einigen Berufsgruppen – selbstverständlich möglich ist. Doch eine Diskussion zwischen zwei prominenten deutschen Unternehmern in dieser Woche machte deutlich, wie kontrovers die Arbeit im Homeoffice tatsächlich noch beurteilt wird: Trigema-Chef Wolfgang Grupp ist ein klarer Gegner, Investor Carsten Maschmeyer gehört zu den Befürwortern.

Was bedeutet die Haltung von Führungskräften für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Kann das Homeoffice am Ende der Karriere schaden?

Das Produktivitäts- und das Moral-Problem

Beim deutschen Textilhersteller Trigema könnte das offenbar der Fall sein. „Homeoffice gibt's bei mir nicht“, sagte der scheidende Chef des Traditions-Unternehmens Wolfgang Grupp kürzlich im Interview mit dem „Tagesspiegel“. „Bei mir könnten sie sich dann auch gleich arbeitslos melden. Es merkt sowieso keiner, ob sie arbeiten oder nicht.“ Arbeit von zu Hause sei bei ihm in der Verwaltung ebenso wenig möglich wie in der Produktion. „Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig“, sagte Grupp.

Auch Elon Musk hat sich früh als Homeoffice-Kritiker positioniert. Bei seinen Unternehmen Tesla und X, früher Twitter, bestellte er die Beschäftigten zu den Arbeitsstätten zurück, sobald es ging. Heimarbeit sei unfair und „moralisch falsch“ gegenüber denen, die gar nicht von zu Hause arbeiten können, sagte er im Mai beim US-Sender CNBC. Außerdem glaube er, dass Menschen „produktiver sind, wenn sie sich persönlich treffen“.

Seit die Pflicht zur Heimarbeit im März 2022 in Deutschland aufgehoben wurde, arbeitet ein Viertel der Deutschen mindestens teilweise von zu Hause. „Homeoffice ist mittlerweile ein integraler Teil der Arbeitskultur in Deutschland und wird es künftig auch bleiben“, sagt Jean-Victor Alipour vom Münchener Ifo-Institut, das eine Homeoffice-Quote erhebt. Das gelte natürlich nicht für alle Branchen gleich: Auf dem Bau seien es nur drei Prozent der Beschäftigten, in der IT- und Werbebranche dagegen fast zwei Drittel. Die Beschäftigten schätzen die Zeit- und Kosteneffizienz und die Flexibilität, die mit dem Homeoffice einhergehen, wie eine andere Befragung des Ifo-Instituts aus dem Frühjahr 2023 zeigt.

Der deutsche Unternehmer Carsten Maschmeyer, bekannt aus der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“, lässt sich mit diesen Argumenten wohl eher überzeugen. Über die „Bild“-Zeitung entgegnete er Grupp: „Wenn du jemandem nicht zutraust, zu Hause zu arbeiten, hättest du ihn gar nicht erst einstellen sollen.“ Außerdem sieht er im Homeoffice einen wichtigen Hebel, um „dringend benötigte Fachkräfte zu gewinnen“. Schließlich sei es egal, „ob der IT-Spezialist 8000 Kilometer oder acht Meter weiter sitzt“. Homeoffice könne daher nicht nur Arbeitnehmern nützen, sondern auch Unternehmen und der Gesellschaft insgesamt. Das Argument der geringeren Produktivität hält er dagegen für falsch.

Präsenz im Büro könnte Beförderungen beeinflussen

Mit Daten ist der Produktivitätseffekt nicht klar belegbar, die Forschung liefert dazu bislang kein eindeutiges Ergebnis. Eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergab, dass Homeoffice im Schnitt die Arbeitszufriedenheit steigert, die Produktivität der Mitarbeitenden aber extrem unterschiedlich ausfällt. Mehr als ein Drittel der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gab beispielsweise von sich aus an, zu Hause weniger produktiv zu sein. Auch Studien aus den USA legen geringere Produktivität nahe, allerdings wird dort auch mehr im Homeoffice gearbeitet als hierzulande. Deutschland liegt bei den Homeoffice-Tagen international im Mittelfeld.

Produktivität und erbrachte Leistung sind aber wichtige Indikatoren, wenn es um den beruflichen Aufstieg geht. Das US-Unternehmen Robin fand bei einer Befragung unter 500 Arbeitgebern heraus: Die Zeit im Büro ist bei über 60 Prozent ein wichtiger Faktor für Beförderungen und Gehaltserhöhungen. Außerdem wirken sich bessere Kommunikation und Feedbackkultur vor Ort positiv auf die Leistung aus. „Wichtige Entscheidungsträger haben in der Regel ein höheres Maß an Vertrauen zu den Mitarbeitern, mit denen sie persönlich und eng zusammengearbeitet haben“, sagte Darryl Rice von der Miami University im „Forbes Magazine“. 

Der Chef des Tech-Unternehmens IBM, Arvind Krishna, zeigte außerdem die Perspektive nach der Beförderung auf: „Manager im Homeoffice zu sein, ist schwierig. Wenn man Menschen managt, dann muss man sie auch ab und zu sehen“, sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg. Er machte klar, dass es in seinem Unternehmen negative Auswirkungen auf die Karriere haben könnte, von zu Hause aus zu arbeiten. Solche Mitarbeiter könnten seltener befördert werden.

Es gibt aber auch Argumente dafür, dass das Homeoffice der Karriere auf die Sprünge hilft. Aus Sicht der US-Personalerin Diana Brown schafft es nämlich gleiche Wettbewerbsbedingungen. „Gelegenheiten für Voreingenommenheit, die es im persönlichen Umfeld gibt – Kleidung, Gewicht, Größe – sind in einer räumlich entfernten Umgebung einfach nicht so präsent“, sagte sie im „Forbes Magazine“. Da jeder zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedenen Städten arbeite gebe es außerdem keine „Arbeitscliquen“ mehr. „Und das Wichtigste: Da wir nicht wissen, wann die Leute arbeiten, belohnen wir nicht den Einsatz oder die langen Arbeitszeiten. Wir belohnen Leistung und Ergebnisse.“

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