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Trigema Wolfgang Grupp: Ein Patriarch sagt Adieu

Seine Villa hat Wolfgang Grupp mit Jagdtrophäen ausstaffiert
Seine Villa hat Wolfgang Grupp mit Jagdtrophäen ausstaffiert
© Nico Kurth
Seit 54 Jahren leitet Wolfgang Grupp den Textilhersteller Trigema. Ein Unternehmen, das es so eigentlich nicht mehr geben dürfte. Geführt von einem Chef, den man nur lieben oder hassen kann. Oder beides

Staub wirbelt auf im Industriegebiet von Altshausen, der Hubschrauber mit der Aufschrift „Hallo Fans“ setzt vor der Trigema-Tankstelle auf. „So“, sagt Wolfgang Grupp im Helikopter, es klingt wie: endlich. Dabei hat der Flug nur eine Viertelstunde gedauert. Eben, in der Luft, hat Grupp in seinem weißen Ledersessel keine Sekunde still gesessen. Es war laut und Grupp schlecht zu verstehen. Er hat trotzdem immer weitergeredet. Nun strafft sich der schmale Körper. Grupp klettert behände hinaus in den Wind der sich noch drehenden Rotoren, streicht mit der Hand eine verwehte Haarsträhne glatt, richtet seine Krawatte und tritt auf den warmen Asphalt. Im hellgelben Sakko mit Einstecktuch, an den Füßen elegante Lederslipper ohne Socken.

Die Menschen an den Zapfsäulen und auf dem Parkplatz starren den Mann in Gelb und den Heli ungläubig an. Einer lacht und hebt den Daumen. Entschlossen schreitet Grupp durch die Sommerhitze zum Nähwerk, eine Erscheinung in italienischem Schick vor der trostlosen Kulisse des Gewerbegebiets. Die Leute gucken, als sei er kein mittelständischer Textilfabrikant, sondern ein Filmstar. Mindestens der „Traumschiff“-Kapitän.

Wolfgang Grupp sitzt im Hubschrauber
Grupp reist vorzugsweise im eigenen Hubschrauber
© Nico Kurth

Wolfgang Grupp ist Chef und Eigentümer des Bekleidungsherstellers Trigema. Seit vielen Jahren bewirbt er im Fernsehen seine Leibchen, zur besten Sendezeit vor der „Tagesschau“ tritt er zusammen mit einem sprechenden Affen auf. Harald Schmidt hat Grupp mal „die nackte Kanone unter den deutschen Unternehmern“ genannt. Andere mögen größere Firmen führen. Oder Dinge herstellen, die für die Volkswirtschaft bedeutender sind als Poloshirts und Jogginghosen. Aber Wolfgang Grupp ist der mit dem Affen. Kaum ein deutscher Unternehmer ist so berühmt wie er. Was auch daran liegt, dass er gern zu allem Möglichen seine stets sehr klare Meinung sagt. Zuletzt zum Beispiel zu den Amerikanern (von denen hält er nichts) und Waffenlieferungen an die Ukraine (von denen auch nicht). Die Empörung in den sozialen Medien war groß. Doch die sind ohnehin nicht die Welt des Wolfgang Grupp. Er hat ja nicht mal einen Computer.

Grupp ist ein Patriarch vom alten Schlag. Einer, der seine Shirts und Feinrippunterhosen in Deutschland produzieren lässt, seinen Leuten zinsfreie Kredite gibt und noch nie jemanden betriebsbedingt gekündigt hat. Er nimmt auch keine Darlehen bei der Bank auf.

Seit 54 Jahren steht Grupp an der Spitze von Trigema. Er ist jetzt 81. Der echte Affe in der Werbung ist schon vor fünf Jahren durch einen virtuellen ersetzt worden. Wegen der Tierschützer, die sich immer so aufregen. In Burladingen, seiner Heimat auf der Schwäbischen Alb, gab es früher Dutzende Textilunternehmen. Heute ist nur Trigema übrig. Wolfgang Grupp ist immer noch da. Wie hat er das geschafft? Und wie verabschiedet sich einer, der Gesicht und Seele des Unternehmens ist? Ende des Jahres, das hat Grupp angekündigt, will er kürzertreten. Dann will er Trigema übergeben.

Man würde gern auch mit seiner Frau Elisabeth und den beiden Kindern Bonita, 34, und Wolfgang Junior, 32, über die Nachfolge sprechen. Aber vor einer Weile erschien in einer Zeitung ein Artikel, den die Grupps unfair fanden. Die Familie ist deswegen vorsichtig geworden, für diesen Text wollen Frau und Kinder sich nicht interviewen lassen. Bei einem ersten Besuch in Burladingen im April sind Bonita, Wolfgang Junior und Elisabeth Grupp dabei, sie beantworten auch Fragen. Doch später gibt nur der Sohn ein Zitat frei: „Das, was unser Vater seit 54 Jahren macht, ist sicherlich nicht selbstverständlich. Dass wir diese Fußstapfen nicht gleich füllen können, ist auch klar.“ Das Erbe, es scheint wie eine Bürde.

Blick auf Burladingen mit dem Trigema-Werk
Trigema ist der größte Arbeitgeber in der Kleinstadt Burladingen
© Nico Kurth

Viel wurde darüber spekuliert, wer von den Kindern das Rennen um die Nachfolge machen wird: Wolfgang Junior oder Bonita. Beide sind seit Jahren im Unternehmen. Ein Wettstreit der Geschwister unter den Augen der Öffentlichkeit. Denn der Vater hatte zuvor immer wieder klargemacht: Nur eines seiner Kinder kann Trigema erben. Wer das sei, hänge auch von der Partnerwahl ab. „Die Kinder sollen sich ein Leben lang lieben und nicht ein Leben lang streiten.“ Es ist einer dieser typischen Wolfgang-Grupp-Sätze, die Ordnung und Klarheit in Dinge bringen sollen, die so einfach nicht sind.

Das andere Kind, so war der Plan, sollte die mütterlichen Ländereien in der Steiermark bekommen. Elisabeth ist eine österreichische Baronesse. Doch inzwischen ist von einer Auslese der Nachfolger keine Rede mehr. Es klingt vielmehr so, als sei doch eine Doppelspitze der Geschwister oder sogar eine Dreierführung zusammen mit der Mutter möglich. Ganz sicher, wie es weitergeht, scheinen die Grupps selbst nicht zu sein. Und am liebsten will die Familie über das Thema erst einmal gar nicht mehr öffentlich sprechen.

Ein Tag voller Emotionen

Für jemanden wie Wolfgang Grupp ist das allerdings eine ziemliche Herausforderung. Denn wenn Grupp gefragt wird, redet er. Über Privates, Politik, sein Unternehmen, den Zustand der Welt, egal. Grupp erzählt und erzählt, zwischendurch schiebt er ein, dass man dieses oder jenes aber bitte gleich wieder vergessen soll – und erzählt dann einfach weiter. Bevor er sich für diesen Text interviewen lässt, findet ein Kennenlerntreffen statt, und er lässt sich schriftlich bestätigen, alle Zitate vor der Veröffentlichung noch einmal lesen und freigeben zu dürfen. Einige schwächt er im Nachhinein ab. Manche seiner Sätze klingen hier deswegen weichgespülter, als sie aus ihm heraussprudeln. Ein Tag mit Wolfgang Grupp ist einer voller Emotionen. Seine Offenherzigkeit ist gewinnend und irritierend zugleich.

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